Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1931 Nr. 26

Spalte:

612-614

Autor/Hrsg.:

Funk, F. von

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte; 8. 1931

Rezensent:

Mayer, Theodor

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

611

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 26.

612

zweimal. — Ein unangenehmer Mangel macht sich
öfter bemerkbar: es wurden Hebr.-Zitate einem falschen
Autor zugewiesen, nämlich dem, in dessen Schriften
sie aufbewahrt sind, während ein Anderer die
Verantwortung für sie trägt. Verwandt mit diesem
Fehler ist der bescheidenere, daß die Zitate dann unerwähnt
bleiben, so Hebr. 4,15, das Ambrosius im Je-
saiaskommentar zitiert hatte; dreimal beruft sich Au-

fustin (De pecc. orig. XXXXI und De nupt. et conc.:
cap. 35 und II cap. 15) auf dieses Zeugnis des
Ambr., ohne daß wir bei Sch. etwas davon erfahren; vgl.
13, 4 aus Julian Eck, bei Aug. opus imperf. V, 23.
Irreführen dagegen muß, wenn Sch. S. 162 Hebr. 4,12 auf
Augustin zurückführt, was in einem Briefe des Paulinus
NoTanus an Augustin zu suchen wäre (Aug. epist. 121
= epist. Paulini 50). Ein Blick auf den Apparat
S. 723 in Goldbachers Ausgabe Bd. II würde den Fehler
verhindert haben, ebenso einer in den Index der Hartel-
schen Ausgabe von Paulinus, und Augustin wäre nicht in
den Verdacht gekommen, bei 4, 12 den Text von Vulg.
zu verwenden. Ebenso wird dem Augustin für 5,14 ein
Vulg .-Text zugeschoben (S. 163), der in Wirklichkeit
dem Prosper gehört: epist. 225 bei Goldbacher Bd. IV
S. 460 u. 461 stammen aus einem Brief mit der Über- j
schrift: Augustino Prosper. Hebr. 13,4a liegt in der j
Fassung des Hieron. in seiner Streitschrift gegen Jovinian |
1,3 vor, in 1,5 in dem Text des Jovinian; Schäfer übergeht
S. 179 die erste der beiden, die andere nennt er
unter Hieron.; wegen des Wechsels von cubile und
torum ist die Unterscheidung der Autoren nicht gleichgültig
.

In dem untersuchenden Teil stoßen wir auf Schönheitsfehler
, wie Nachlässigkeit des Stils, eine gewisse
Breite und unnötige Wiederholungen; die Disposition
und die dabei verwendeten Zeichen treffen nicht immer
das Glücklichste. In den Ergebnissen von Schäfers Forschung
stimme ich ihm, wo er Diehl widerspricht, fast
durchweg bei, wo er sich gegen Harnack wendet, wenigstens
darin, daß in Vulg. keine Abhängigkeit von r (o,
bzw. Afra) vorliegt, andererseits ein griechischer Text
benutzt worden sein muß. Die These, daß in d, dessen
älteste Form 8 genannt werden mag und zuerst bei
Lucifer um 355 in einem langen Zitat (Hebr. 3, 5—4,13)
bezeugt wird, die Vorlage von Vulg. anzunehmen sei, ist
nunmehr über jeden Zweifel erhaben. Das Verhältnis
der Beiden zu veranschaulichen, hat sich Schäfer redliche
Mühe gegeben, wenn auch minder Beweiskräftiges wie
die verschiedenen Wortstellungen, zumal in den Tabellen
, neben das Gewichtige gesetzt wird und dadurch
dessen Eindruckskraft mindert. Kein klares Bild erhält
man von der Entwicklung des b-Textes bis zur Vulg.
Höchstwahrscheinlich hat schon Lucifer eigene Verbesserungen
an b angebracht, aber ohne Vergleichung der
Luciferzitate aus anderen Apostelstücken — warum nicht
auch aus den Evangelien? — darf man nicht endgültig
entscheiden, wo d der „Verbesserer" von 8 ist und wo
Lucifer. Mit Zuhilfenahme von Hilarius und Ambrosius
möchte Sch. eine Entwicklung von 8 konstruieren, die
ihn zu dem Urteil berechtigt, daß dem Hieron. schon
im Jahre 381 (!) ein der Vulg. „fast gleichlautender
Hebr.-Text" vorgelegen hat (S. 62). Wiederholt betont
Sch., daß der „Anteil" des letzten Revisors von 8 — ob
es Hieronymus oder Pelagius war, wird nicht entschie-
schieden — an der Vulgata „nur gering" war (S. 63),
widerruft das allerdings beinahe auf S. 121, indem er
versichert, daß der Revisor von 8 „eine systematische
Überprüfung . . an Hand eines griechischen Textes vorgenommen
" und sich keineswegs „mit bloß stilistischen
Besserungen begnügt" habe. Ich glaube, Sch. hätte praktischer
gehandelt, wenn er vor allem den Text von d, gereinigt
von den zahlreichen, aber sich niemals versteckenden
, Lese- und Schreibfehlern sowie von den wenigen Be- I
einflussungen d's durch D, mit dem Vulg.-Text verglichen
und die Motive zur Veränderung von d in Vulg. festge- I
stellt hätte. Es sind dies zweifellos: Verbesserungen des j

Stils, Wörtlichkeit, Deutlichkeit, Ersatz falscher Übersetzungen
griechischer Worte und Beseitigung falscher
griechischer Lesarten. Gelegentlich stört das eine Motiv
ein anderes. Während die Wörtlichkeit gleiche lateinische
Wiedergabe für ein griechisches Wort verlangt, muß
um der Deutlichkeit willen verschieden übersetzt werden;
so kommt es, daß Vulg. Inkonsequenz zeigt gegen die
Konsequenz bei d. Trotzdem behält von Soden gegen
Schäfers — nicht immer konsequenten! — Widerspruch
darin recht, daß a priori die Inkonsequenz für ursprünglicher
als die Konsequenz zu halten sei. Wo Nachdenken
nur bei einem von zwei Übersetzern zu Tage tritt, hat
dieser als der Spätere zu gelten; bei d und Vulg. ist fast
immer Vulg. der Reflektierende. Bisweilen fällt zwar das
Unterbleiben von Reflexion bei Vulg. auf, die Konsequenz
wird nie vollständig. Wohl aber können in der
Zeit zwischen 8 und Vulg. aus gleichen Motiven wie
bei Vulg. an 8 Korrekturen vorgenommen worden sein
(z. B. von Ambrosius und Hilarius) und sogar mit dem
gleichen Ergebnis; durch die Einführung solcher Aende-
rungen wird noch nicht etwa ein neuer Übersetzungstyp
geschaffen. Am unglücklichsten dürfte Sch. bei der Behauptung
eines eigenen Übersetzungstyps in Kap. 10—13
des Codex Harleianus (z) gewesen sein. Was hier vorliegt
, ist ein erbärmliches Machwerk, zusammengeschrieben
aus verschiedenen Handschriften, mindestens einer
von d und einer von Vulg., sowie Glossen unbekannten
Ursprungs. Doppelte, wenn nicht gar dreifache Übersetzung
desselben Satzteils begegnen in Massen, charakteristisch
Eigenes nirgends. — Zur Zustimmung geneigt
bin ich fast durchweg bei dem über den Fris-Typus (o)
Gesagten: gelegentliche Benutzung von d, die von Vulg.
kaum nachweisbar. — Über die Vorgeschichte von 6 bis
zu Tertullian zurück trägt Schäfer Vermutungen vor, als
ob es eine Kanonsgeschichte nicht gäbe. Aber erledigt
kann diese Frage auch gar nicht werden bei der Beschränkung
auf den lateinischen Hebräerbrief; hoffen
wir, daß Schäfer an diesem Punkte, wie an anderen,
wo er zu viel gewagt hat, in seiner nächsten Untersuchung
, „die den lateinischen Text des gesamten Corpus
Paulinum zum Gegenstande hat" (S. 7), zurücknehmen
und endgültige Antworten bieten wird.
Marburg. Ad. J ü 1 i c h e r.

Funk, F. X. von: Kirchengeschichte auf Grund des Lehrbuches.
2. Tl.: Das Mittelalter v. Prof. K. B i h 1 m ey er. 8., völlig neubearb.
Aufl. Paderborn : F. Schöningh 1930. (XII, 384 S.) 8°. = Wissenschaftliche
Handbibliothek eine Sammig. theolog. Lehrbücher.

RM 9~; geb. 11-.

K. Bihlmeyer, der schon die 6. und 7. Auflage
von F. X. Funks Kirchengeschichte besorgt hatte, hat
jetzt das Werk in der 8. Auflage neu bearbeitet herausgegeben
. Während früher die ganze Kirchengeschichte
in einem Band enthalten war, ist sie nunmehr auf drei
Bände aufgeteilt, von denen der vorliegende das Mittelalter
von 692 bis 1517 behandelt. In sorgfältiger und
sehr flüssig geschriebener Darstellung ist hier ein großes
Material über die äußere Kirchengeschichte und die Kirchenverfassung
, die Geschichte der Religion und Religiosität
, die christliche Philosophie uncf die kirchliche
Wissenschaft, die kirchliche Kunst und die Liturgie, die
Ausbreitung des christlichen Glaubens und die Kreuzzüge
, das Mönchs- und Ordenwesen usw. übersichtlich
zusammengebracht. Eingehende, im allgemeinen auf den
neuesten Stand gebrachte Literaturangaben sind jedem
Kapitel beigefügt und erhöhen den Wert des Buches als
Nachschlagewerk. Die deutschen Verhältnisse nehmen
einen vergleichsweise sehr großen Raum ein. Das ist berechtigt
, weil es sich um eine Kirchengeschichte für
deutsche Leser und Studierende handelt und weil die
Problematik der mittelalterlichen Kirchen- und Religionsgeschichte
kaum irgendwo so tiefe Spuren hinterlassen
hat wie in Deutschland.

Ich will im Folgenden hauptsächlich vom Standpunkt
des allgemeinen Historikers zu dem Buche Stellung
nehmen, sehe aber davon ab, gegenüber einem so