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Ausgabe: | 1931 Nr. 26 |
Spalte: | 608-609 |
Autor/Hrsg.: | Schmid, Josef |
Titel/Untertitel: | Zeit und Ort der paulinischen Gefangenschaftsbriefe 1931 |
Rezensent: | Michaelis, Wilhelm |
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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 26.
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Kap. 1 gestellt wird. An den Anfang wird sie nicht gerückt
, weil Kap. 1 als ein aus verschiedenen Sprüchen
verschiedener Zeiten von Jesaja selbst zusammengestellter
Prolog der ganzen Sammlung aufgefaßt wird. Wer
der Meinung ist, daß mit Jes. 6 einmal eine eigene
Sammlung begann, z. B. Duhm, Budde und andere,
wird solches Suchen des ursprünglichen Standortes für
ein vergebliches Bemühen halten.
Bedenklicher ist eine zweite Folgerung aus der
Grundauffassung. Aus der logischen Anordnung der
einzelnen Stücke werden nämlich wichtige Schlüsse für
die Auffassung des Einzelstückes gezogen. Zwei Beispiele
mögen das zeigen. Kap. 18 stammt ebenso wie
Kap. 20 aus der Zeit Sargons. Kap. 19, 1—14, von P.
im Unterschiede von 19, 16—25 für echt gehalten, steht
zwischen ihnen. Daraus wird gefolgert, daß unter dem
harten Herrn von 19, 4 Sargon zu verstehen sei. Oder:
28, 14 ff. wird als ein ursprünglich selbständiges Stück
aufgefaßt. Es ist aber vom Propheten, wie das einleitende
„darum" zeige, mit den vorhergehenden Versen
7—13 locker verknüpft worden. Daraus wird nun gefolgert
, daß die in 14 ff. angeredeten wie in 7—13 Propheten
sein müßten, und deshalb cn?^ nicht mit „Herrscher
" sondern mit „Spruchdichter" wiedergegeben. Das
heißt aber, die Unterschiede der Einheiten verwischen
und bei der Erklärung Fremdes eintragen.
Es bleibt noch übrig, das Gesamtbild des Propheten
zu betrachten, wie es uns aus dieser Erklärung entgegentritt
. Da soll gern eingeräumt werden, daß der Kommentar
durchaus einen Eindruck von dem Wesen des Jesaja
zu vermitteln vermag. Freilich bedient er sich öfter einer
allzu pathetischen Sprache. Die drei Perioden des Wirkens
Jesajas treten klar heraus, auch die einzelnen Züge
seiner Prophetie werden deutlich, so etwa Jahwes Heiligkeit
, das Vertrauen auf Jahwe, Jahwes souveräne Herrschaft
auch über die Großmächte der Welt oder auch
Jesajas im Grunde konservative Haltung gegenüber dem
Tempel.
Aber im ganzen möchte ich doch meinen, daß das
Bild Jesajas, wie es namentlich die Einleitung Nr. 2 in
kurzen Strichen entwirft, zu stark idealisiert und zu stark
verchristlicht worden ist. Jesaja verlangt Vertrauen auf
Jahwe in bestimmten Lagen, wo Jahwes Ehre durch
Judas Feinde angetastet ist und in dieser Antastung die
Bürgschaft der Errettung Judas liegt, so als Ephraim
und Damaskus in Jerusalem einen Jahwe nicht genehmen
König einsetzen wollen, so in der Zeit, da Jesaja des
Assyrers hoffärtiges Wesen erkannt hat, das es ablehnt,
Jahwes Werkzeug zu sein. Heißt es nicht verallgemeinern
und verabsolutieren, was Jesaja unter yrxn versteht
, wenn man den Glauben betrachtet als „tiefste
Wurzel" der „Heldengestalt" Jesajas und ihn mit Paulus
und Luther auf eine Stufe stellt, wenn man sagt, bei
Jesaja sei mit dem Glauben der archimedische Punkt
gefunden, der den Propheten außerhalb des Schwergewichts
der Geschichte stelle, so daß er nicht mehr von
ihrer Last gedrückt werde? Oder heißt es nicht auch,
Jesajas politischen Blick weit überschätzen, wenn man
fragt: „Was wäre aus Juda geworden, wenn sein königlicher
Geist die Nation durch die geschichtlichen Ereignisse
hätte steuern können?" Jes. 7 zeigt z. B. doch
gerade, daß das Urteil über die Stärke von Israel und
Damaskus nicht auf einer realpolitischen Grundlage
ruht. Würden diese und ähnliche Züge im Bilde Jesajas
weniger überhöht, es würde geschichtlich wesentlich
treuer sein.
Zum Schlüsse seien einige Wünsche zusammengestellt
, welche äußerliche Dinge betreffen. Ihre Erfüllung
bei einer neuen Auflage würde die Brauchbarkeit des
Kommentars wesentlich erhöhen.
So möchte man wünschen, daß der Text mehr in einzelne Abschnitte
aufgelöst würde und sprachliche und sachliche Ausführungen
mehr auseinander träten. Die Übersichtlichkeit des Ganzen würde dadurch
ungemein zunehmen. Praktisch wäre es auch, wenn bei der Übersetzung
am Rande das Versmali kurz in Ziffern notiert würde. Es ließe
sich wesentlich leichter ein Bild der metrischen Ansicht des Erklärers
gewinnen als jetzt, wo man sich die metrischen Bemerkungen aus dem
ungegliederten Texte mühsam zusammensuchen muß. Und schließlich
wäre es empfehlenswert, nach dem Vorgang von Herrmanns Hesekiel-
kommentar die benutzte Literatur in einem ausführlichen Verzeichnis
zusammenzustellen, namentlich auch deshalb, weil dem Kommentar kein
Personenverzeichnis beigegeben ist.
Leipzig. j. ßegrich.
Schtnid, Dr. Josef: Zeit und Ort der paulinischen Gefangenschaftsbriefe
. Mit einem Anhang über die Datierung der Pastoral-
| briefe. Freiburg i. Br.: Herder & Co 1931. (XI, 170 S.) gr. 8°.
RM 8—.
Die vorliegende Arbeit setzt sich zur Aufgabe, „das
vorhandene Material", das zur Entscheidung der Datierung
der paulinischen Gefangenschaftsbriefe zur Verfügung
steht und „das eine Vermehrung wohl niemals
mehr finden wird, und seine Erörterung in den beiden
letzten Jahrzehnten zu prüfen". Dabei ist es dem Verf.
keineswegs darum zu tun, „die traditionelle Datierung
dieser Briefe um jeden Preis zu retten" (V), und man
muß zugestehen, daß er sich in der Tat mit aner-
j kennenswerter Unvoreingenommenheit seiner Aufgabe
unterzieht. Die Untersuchung geht nach einer kurzen
Übersicht über die bisherige Forschung (1—7) davon
aus, „daß jeder ernsthaft in Betracht kommende Ansatz
— Rom oder Cäsarea oder Ephesus — gewisse Schwierigkeiten
gegen sich hat, die wir nicht restlos beseitigen
können", „daß den Schwächen der einzelnen Positionen
ebenso unleugbare Vorzüge gegenüberstehen", eben deswegen
könne es sich nur darum handeln, „diese Kriterien
, äußere wie innere, mit möglichster Schärfe zu erfassen
, in ihrer Beweiskraft zu würdigen und sie sodann
I gegeneinander abzuwägen" (9). Da manche Momente
I in den Abfassungsverhältnissen der Gefangenschaftsbriefe
„sich in der Tat leichter begreifen, wenn die
Briefe nicht in Rom oder Cäsarea, sondern in Ephesus
geschrieben sein sollten", so bestimmt die Prüfung der
sog. Ephesushypothese die Anlage der Arbeit.
Das 1. Kap. (10—71) sucht die Frage zu beantworten
, „ob und wie sich die Gefangenschaftsbriefe auf
j Grund der Angaben der Apg. und der Korintherbriefe
über die ephesinischen Jahre des Paulus in diesem Zeitabschnitt
unterbringen lassen, ob sich vor allem überhaupt
eine ephesinische Gefangenschaft des Apostels als
möglich und dann auch wahrscheinlich erweisen läßt"
(9). Diese Frage wird verneint. Es wird zwar zuge-
I geben, daß der Datierung des Phil, einige Zeit vor
! 1. Kor. von der Apg. her keine unüberwindlichen Schwie-
I rigkeiten entgegenstünden (31), anders liege es jedoch
i bei den übrigen 3 Gefangenschaftsbriefen: der in ihnen
vorausgesetzte Zustand der Gemeinden von Kolossä und
Umgebung lasse eine Datierung aus Ephesus als ausgeschlossen
erscheinen, denn es könnte sonst zwischen der
Gründung der Gemeinden — nach der üblichen Datierung
ihrer Geschichte — und der Abfassung der Briefe
nur ein Zeitraum von höchstens einem Jahr liegen, was
undenkbar sei (35). Vor allem aber lasse sich das
Schweigen der Apg. über die von der Ephesushypothese
postulierte ephesinische Haft des Apostels auf
keine Weise begreiflich machen: weder aus der Unkenntnis
des Verfassers noch aus der sonstigen Lückenhaftigkeit
oder der Ökonomie seines Werkes (23). Auch die
Prüfung der während bzw. bald nach der in Frage
stehenden Periode entstandenen Briefe (Kor. und Rom.)
führt zum gleichen Ergebnis (38—64). Besonders ausführlich
(39—60) wird die Stelle 1. Kor. 15, 32 behandelt
(für das rechtshistorische Material, das in rei-
| chem Maße beigebracht wird, ist der Verf. von L. Wen-
] ger beraten worden). Dabei wird die von J. Weiß und
auch von mir vertretene irreale Fassung des Satzes ab-
| gelehnt mit der Begründung: da im ganzen Zusammen-
i hang lauter wirkliche Gefahren und Leiden des Apostels
| aufgezählt würden, könne sich Paulus nicht gut mit
j etwas gerühmt haben, was er schließlich doch tatsächlich
I nicht erlebt hätte (43). Daß nach diesem Ergebnis die
i apokryphen und sonstigen späteren Nachrichten über