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Ausgabe:

1931 Nr. 25

Spalte:

580

Autor/Hrsg.:

Windisch, Hans

Titel/Untertitel:

Der Hebräerbrief 1931

Rezensent:

Seesemann, Heinrich

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679

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 25.

580

ledigt. Daß sich solche Tradition z. B. durch Vergleich
mit den Oden Salomos, mit den griechisch-gnostischen
Texten und mit den haeretisch-jüdischen Texten, die
jetzt durch die Forschungen H. Odebergs (vgl. dessen
Aufsatz über die mandäische Religionsanschauung, Upp-
sala, Universitets Arsskrift 1930 Teologi 2) deutlicher
werden, feststellen lassen, ist mir nicht zweifelhaft. Die
Frage, wieweit die in den mandäischen Taufliedern
(die ja keineswegs alle, wie das vom Verf. behandelte,
auf christlich-syrische Tauflieder zurückgehen können)
enthaltenen Vorstellungen sich mit den Vorstellen decken,
auf denen das Ritual beruht, ist offen, und vor allem ist
das Verhältnis der Totentaufe zur Initiationstaufe, sowohl
was das Ritual, wie was die Lieder betrifft, zu
untersuchen. Denn daß die Totentaufe aus dem Nesto-
rianismus stammt, wird der Verf. ja nicht annehmen.

Aber weiter! Mir scheint: so lange der syrische
Synkretismus und das älteste syrische Christentum so
sehr im Dunkel liegen, ist mit der Feststellung über die
Herkunft des mandäischen Taufrituals das Problem nur
verschoben. Ist schon die Bezeichnung der syrischen
Christen als näsräjä so unproblematisch? Und vor allem:
woher stammt denn der syrische Taufbrauch? Wenn bei
den Syrern das Taufwasser „Jordan" heißt, — warum nur
bei ihnen? Und wie reimt sich bei ihnen dieser Sprachgebrauch
mit der Tatsache, daß sie doch nicht nur die
Taufe im fließenden Wasser kennen? Sollte nicht die
syrische wie die mandäische Terminologie einen gemeinsamen
älteren Ursprung haben? Aus dem Neuen Testament
kann sie doch nicht erwachsen sein, und schwerlich
können die im übrigen bei den Mandäern sich findenden
Jordan-Spekulationen sekundär aus der von den
christlichen Syrern entlehnten Bezeichnung des Taufwassers
entwickelt sein! — Wenn bei den christlichen
Syrern Taufe, Ölung und Kommunion zu einer heiligen
Handlung zusammengehören, so zeigt doch das Neue
Testament und die übrige älteste christliche Tradition
nichts davon (denn Reitzensteins Aufstellungen sind in
diesem Punkte sicher irrig, wie der Verf. gewiß zugeben
wird). Woher also diese Tatsache bei den Syrern? —
Gewiß, die Lichterscheinung über dem Jordan in der
mandäischen Tauferzählung mag von den christlichen
Syrern stammen; aber woher bei diesen? — Ist es, so
frage ich weiter, wirklich so selbstverständlich, wie es
beim Verf. erscheint, daß das dreimalige Untertauchen
bei der Taufe auf der trinitarischen Taufformel beruht?
Mir ist wahrscheinlicher, daß es gerade umgekehrt liegt!
— Ich will nicht zuviel Gewicht darauf legen, daß sich
im mandäischen Taufritual immerhin der Exorzismus
und das Wassertrinken findet (um von der Kusta ganz
zu schweigen), was beides bei den Nestorianern nicht
nachweisbar ist; diese Riten könnten ja vielleicht doch
aus einem älteren syrischen Christentum stamnien. Ich
meine jedenfalls: das syrische Christentum ist selbst
eine synkretistische Erscheinung, und in seinem Taufbrauch
leben Riten und Anschauungen fort, die nicht
aus dem Neuen Testament stammen, sondern — woher?
Nun, ist der Hinweis auf die Taufsekten, die in jener
Gegend zweifellos existiert haben, so fernliegend? Und
ist die Überlieferung über die jüdischen und judenchristlichen
Taufsekten schon ausgeschöpft? Und genügt
nicht, wenn ich das Johannesevangelium aus dem Spiel
lasse, Ignatius als Zeuge für das Alter syrisch-gnosti-
scher, bei den Mandäern wiederkehrender Gedanken?

Endlich scheint mir eine Tatsache bemerkenswert
zu sein, die auf anderer Linie liegt. Gewiß ist die Figur
Johannes des Täufers in der mandäischen Literatur
sekundär. Aber woher stammt die mandäische Johannestradition
? Daß sie direkt dem Neuen Testament entnommen
ist, erscheint mir als ausgeschlossen, und das
ist wohl auch nicht die Meinung des Verf. Nun scheint
es mir sehr eigentümlich zu sein, daß der große Johannes
-Abschnitt im Johannesbuch sich in seiner Haltung
zum Judentum von der sonstigen antijüdischen
Polemik der Mandäer unterscheidet. Der Abschnitt ist

nicht einheitlich; aber in den für diese Frage wichtigen
. Stücken ist die Stellung zum Judentum doch offenbar
i freundlich. Das Rätsel der Herkunft dieser Texte ist
jedenfalls noch nicht gelöst. Und man muß endlich
i fragen: welchen Grund und Anlaß hatten die Mandäer
überhaupt, die Täufertradition zu akzeptieren und damit
'• den Christen einen mensc"hliehen Heros (bekanntlich
den einzigen neben den verschiedenen göttlichen Ge-
' stalten) entgegenzustellen? Muß nicht die mandäische
Täufertradition aus einer Gemeinschaft stammen, in der
t Johannes ganz anders als bei den Christen als Heros
i galt? Ist übrigens die Erzählung der Taufe des Jo-
' Hannes durch Manda d'Haije wirklich als Fortbildung
i der christlichen Tradition zu verstehen? —

Kurz: mir scheint, daß durch die vorliegende Ab-
1 handlung die Arbeit an dem Problem „Urchristentum
i und Mandäer" sehr wesentliche Korrekturen und Direktiven
erhält; aber erledigt ist das Problem keineswegs.
I Marburg._R. Bultmann.

Windisch, D. Dr. Hans: Der Hebräerbrief. Erklärt. 2., neu
bearb. Aufl. Tübingen: J. C. B. Mohr 1931. (III, 135 S.) gr. 8°. =
Handbuch zum N. T. In Verbdg. m. a. hrsg. von H. Lietzmann, 14.

RM 6 - ; geb. 7.50 ; Subskr. 5.40 ; geb. 6.90.
Die zweite neu bearbeitete Auflage des Kommentars
unterscheidet sich in den Hauptfragen nicht von der
ersten Auflage. Die Beurteilung der literarischen Probleme
ist die gleiche geblieben. Sie läßt sich kurz folgendermaßen
zusammenfassen: „Hebr. ist eine Horn
i 1 i e, die für eine dem Verfasser bekannte Gemeinde
niedergeschrieben, ganz gelegentlich auch auf ihre
konkreten Verhältnisse eingeht und schließlich wie ein
Gemeindebrief endet" (S. 124). Den Inhalt des
,Briefes' bildet also keineswegs Polemik gegen jüdische
Propaganda; vielmehr lassen sich alle Aussagen vom
i eigenen Ingenium des Autors, von seiner Schriftgelehr-
i samkeit, seiner Heilserkenntnis her erklären und ver-
j stehen. Abfassungsort ist wahrscheinlich eine Gemeinde
I Italiens (13, 24); der Bestimmungsort muß ungewiß
bleiben: Rom kommt nicht in Frage, da die blutigen
Martyrien nicht erwähnt sind; an Jerusalem zu denken,
verbietet der Inhalt. Als Entstehungszeit sind die achtziger
Jahre anzunehmen. Über den Verfasser ist nichts
Sicheres auszumachen.

Hat der Kommentar somit als Ganzes genommen,
seinen Charakter nicht verändert, so ist doch allenthalben
in der Exegese die Weiterarbeit des Verf. zu
j bemerken: die seit der ersten Auflage erschienene Lite-
: ratur ist verarbeitet; die mandäischen Schriften sind
herangezogen (allerdings mit der Einschränkung, daß
! sie dem N. T. nur als orientalische Kommentare dienen
!); viel benutzt ist das 3. Henochbuch; bedeutend
zahlreicher sind die Beispiele aus der rabbinischen Lite-
! ratur; Philo ist noch häufiger zum Vergleich herange-
| zogen worden.

Dieses Material ist der Einzelexegese natürlich zu
I Gute gekommen. Als bemerkenswerteste Ergänzung zur
| ersten Auflage sei erwähnt, daß für xeXsioüv (Exk. zu
! 5, 9) auch die Bedeutung ,weihen' vermerkt und (2, 10);
| 9, 9; 10, 1. 14. eingesetzt wird. Damit im Zusammenhang
tritt an den Schluß des Kommentars (S. 135) eine
Untersuchung über die Verwandtschaft des Hebr. mit
i den Mysterienreligionen; diese Verwandtschaft wird
| durch eine Reihe von Beispielen belegt und — wenig-
i stens für die Terminologie — glaubhaft gemacht. Zur
j großen Zahl der Exkurse sind noch einige neue hinzu-
< getreten: über „Kultus und Gottesdienst im Hebr."
, orientiert jetzt ein Exkurs nach 10, 25; über „die literarische
Form von Hebr. 11" — ein Exk. vor 11, 1;
! über „Heilsgeschichte im Hebr." — ein Exk. nach 12, 29.
Diese Weiterarbeit am Kommentar ist sehr zu begrüßen
. Sie ermöglicht dem Benutzer — gerade durch
[ die vielen neu angeführten Parallelen — ein tieferes Ein-
] dringen in diese einzigartige Schrift. Dafür müssen wir
1 dem Verfasser Dank sagen.

t Göttingen. _ H. Seesemann.