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Ausgabe:

1931 Nr. 24

Spalte:

564

Autor/Hrsg.:

Dedic, Paul

Titel/Untertitel:

Die evangelischen Prediger Judenburgs in der Reformationszeit 1931

Rezensent:

Voelker, Karl

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563

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 24.

564

erster Linie auf den Kaiser selbst Eindruck machen, j
Überzeugte er ihn, daß die protestantischen ecclesiae
nach Reichsrecht nicht für haereticae anzusehen seien,
so konnte das weitere einem Konzil anheim gegeben
werden. Eiert erklärt es überzeugend aus diesen Umständen
, daß die Augustana alsbald beginnt mit einer
Anerkennung des „Beschlusses concilii Nicaeni". Und
man darf, meine ich, nun wohl auch schließen, daß die
Worte über die „römische Kirche" mehr eine Mahnung
an, als eine Verbeugung vor „Rom" seien. Das beweist
wenigstens, daß Melanchthon glauben durfte, sich nichts
zu vergeben, auch die ecclesiae in deren Namen er
redete, nicht zu „belasten", wenn er sich ausdrückte,
wie er tat. — Galt der Justianische Codex, so konnte
Melanchthon selbst für die Rechtfertigungslehre, das
tiefste Interesse der Evangelischen, wenn nicht Anerkennung
(das ist ja eine Sache für sich), so doch
Freiheit in Anspruch nehmen: noch nie war darüber
eine konziliare, dogmatische Entscheidung getroffen, erst
das Konzil von Trient hat da ein römisches „Dogma"
festgelegt.

Die Heranziehung des Reichsrechts in seiner
konkreten Satzung hinsichtlich des „nomen christianorum
catholicorum" ist nicht das einzige „Neue" in Elerts
Rede. Auch hinsichtlich der Idee des „corpus Christ
ianum" und der allgemeinen Auffassung der „christlichen
Solidarität" bringt E. Gesichtspunkte bei, die rela- !
tiv als neu bezeichnet werden dürfen. Mel. habe für sie j
weder einen rein religiösen („transzendenten"), noch
einen theokratischen (abstrakt „pazifistischen") Maßstab
im Sinn, auch nicht den „kulturellen" mittelalterlichen
, sondern nur den „kirchlichen" der „Verkündigung
des Evangeliums und der Verwaltung der
Sakramente". Da liegen freilich m. E. mehr Schwierigkeiten
richtiger Formulierung dessen, was Mel. geltend
macht, vor, als auch E. erkennt. Interessant war
mir, daß er einfließen läßt „in der hochmittelalterlichen
Literatur und noch im Reformationszeitalter" sei der
Ausdruck corpus christianum als kirchlich-politischer
üblich gewesen. Dem hat bekanntlich K. Holl lebhaft
widersprochen. Wer hat Recht? E. zitiert, ohne an
Holl zu denken (wie es scheint), das Werk von Schirrmacher
über „Briefe und Akten" für (Marburg und)
Augsburg. Ich habe es nicht geprüft.

Auch Eiert berührt es nicht, daß Melanchthon die
Augustana als eine „Apologie", die Fürsten als ein „Bekenntnis
" dachten. Ich habe in meinem kleinen Beitrag
zur Augustanafeier (in dem Aufsatz „Bekennen und
Bekenntnis", Chr. Welt 1930, Nr. 12) darauf verwiesen
und gezeigt, daß und wiefern das eine bedeutsam verschiedene
Stimmung andeute. Wer sich „rechtfertigt
" (Apologie!), der begegnet einer Anklage und
meint das zu müssen, um seine Unbescholtenheit zu
sichern, gibt also seinem Gegner gewissermaßen einen
Vorsprung („anerkennt" ihn als einen „Richter"!),
wer seinen Glauben „bekennt" (Confessio) — ein
religiöses Bekenntnis hat anderen Charakter als ein
juristisches! —, der ist frohgemut, für seine als Gottes
Sache kurzweg „tapfer". Unter der verschiedenen Stimmung
Melanchthons selbst und seiner Mandanten steht
eine verschiedene Empfindung für das Wort „Kirche".
Die Fürsten fühlen sich als Glieder der communio
sanctorum, Melanchthon, so weit er eben „Wortführer
" ist, als Vertreter der „co n g r e g a t i o" (s.
Art. VII!) sanctorum, dem entsprechend der recta „doc-
trina" evangelii (Predigt) und recta „administratio"
sacramentorum (rechten Form der echten Sakramente
). Auch hier, gewiß nur ad hoc taktisch, zeigt er
sich anders eingestellt, als ein Bekenner, ist er A p o - j
löget in kirchlich-politischer N äch st absieht (oder,
wie er es ansah, Nächst a u fg a b e just dort auf dem j
Reichstag, vor dem Kaiser). Man wird der Augustana
erst ganz gerecht werden, wenn man der angedeuteten j
Unterscheidung innerhalb des Kirchengedankens überleg- !
samer nachgeht, als üblich ist. Ich habe meinerseits das

versucht in der Schrift „Die Doppelschichtigkeit in Luthers
Kirchenbegriff", 1928. Die nötige Unterscheidung,
vielmehr Abstufung (!) von „Christenheit" und
„christlicher Kultgemeinde" läßt erst erkennen, wo die
Grenze des Wertes eines Dokuments wie der Augustana
liegt. Auch Eiert stellt sich nicht vorbehaltlos zur
Augustana. So soll, was ich soeben bemerkte, nicht den
Wert seiner trefflichen Rede heruntersetzen. Nur das
soll es andeuten, daß der Begriff der „christlichen Solidarität
" im Titel noch weitere Fragen weckt, als er
ins Auge gefaßt hat.
Halle a. S. F. Kattenbusch.

Dedic, Dr. Paul: Die evangelischen Prediger Judenburgs in
der Reformationszeit. Wien: Manz'sche Verlags- u. Univ.-Buchhdlg.
1930. (112 S.) gr. 8°. = Jahrb. d. Gesellschaft f. d. Geschichte d.
Protestantismus i. ehem. und i. neuen Österreich, Sonderheft 1. RM 1.90.

Bei der Anzeige der Schrift d. Verf.s „Der Protestantismus
der Steiermark im Zeitalter der Reformation
und Gegenreformation" (vgl. Th. L.Z. 56, S. 37) haben
wir den Wunsch geäußert, D. möchte auf Grund des
reichhaltigen ihm zur Verfügung stehenden archivali-
schen Stoffes das innere Leben der steierischen evangelischen
Kirche näher beleuchten. In der vorliegenden
Studie liefert er nun einen dankenswerten Beitrag hiefür,
indem er die in Judenburg, einem Brennpunkt des evangelischen
Lebens, in der Zeit von 1572 bis 1598 wirkenden
Pastoren vorführt. Es handelt sich dabei um
fünf Pfarrer (Mylius, Fey, Latomus, Friesenegger und
Gruel) und um fünf Hilfsgeistliche (Aumeier, Bittorf,
Pichelmaier, Sangerusius und Lierzer), denen die Betreuung
der Judenburger Protestanten in der Zeit zwischen
der Grazer Pazifikation und dem Einsetzen der
Gegenreformation anvertraut war. Über das nicht immer
kollegiale Verhältnis der Pastoren unter einander, ihre
das Ansehen des geistlichen Amtes nicht gerade fördernde
Abhängigkeit von den adeligen Verordneten, ihre
wirtschaftlichen Nöte, aber auch über die Lichtseiten:
Arbeitsfreudigkeit der Prädikanten und Opfermut der
Gemeindeglieder und dergl. mehr bringt der Verf. bisher
unbekannte Mitteilungen. Man gewinnt einen Einblick
in die inneren Zusammenhänge eines gegen den Willen
des Landesherrn aufgekommenen und von den evangelisch
gewordenen Untertanen aus eigener Kraft errichteten
Kirchenwesens. Der Hauskaufprozeß des Pfarrers
Latomus, des einzigen Predigers, der sich finanziell et-
1 was freier bewegen konnte, kennzeichnet die Unsicher-
| heit der Lage: um für sich und die Schule eine würdige
Unterkunft zu erlangen, erlegte Latomus mit zum Teil
erborgtem Geld die Kaufsumme für das Haus, in dem
er zur Miete wohnte, ohne daß er bei den Verhandlungen
auf die Erbansprüche eines dritten aufmerksam gemacht
worden wäre; als diesem nachher das Haus tatsächlich
zugesprochen wurde, büßte der Pfarrer die Kaufsumme,
von der inzwischen die rückständigen Steuern des frühe-
I ren Besitzers beglichen wurden, ein. Das im Anhang
abgedruckte Testament des Latomus sowie die mitgeteil-
| ten Berufungsbriefe der Prediger ergänzen das Ge-
i samtbild nach der wirtschaftlichen Seite hin. — Eine
i sorgsame Studie, in der der Verf. über das lokalhisto-
| rische hinaus die Richtlinien der allgemeinen Entwicklung
stets im Auge behält.
Wien._ Karl Völker.

Archiv für elsässische Kirchengeschichte. Im Auftrage d. Gesellschaft
f. elsässische Kirchengesch. hrsg. v. Joseph Brauner.
6. Jahrg. 1931. Freiburg i. Br.: Herder & Co. in Komm. 1931.
(XII, 423 S. m. 9 Abb.) Lex. 8°. RM 10—-

Der 6. Jahrgang des Archivs für katholische elsässische
Kirchengeschichte bringt an erster Stelle die
Geschichte der Benediktinerabtei St. Walburg im Heiligen
Forst von L. Pfleger und E. C. Scherer. Die beiden
Verfasser haben sich in der Weise in die Arbeit geteilt,
daß der erste die Geschichte der Abtei bis 1545 darbietet
und der zweite ihre ferneren Schicksale bis 1796
beschreibt. Bisher war nur ein Aufsatz von L. Spach