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Ausgabe:

1931 Nr. 2

Spalte:

37-38

Autor/Hrsg.:

Dedic, Paul

Titel/Untertitel:

Der Protestantismus in Steiermark im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation 1931

Rezensent:

Voelker, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 2.

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minder im österreichischen Protestantismus das Bemühen
bemerkbar, trotz auseinanderstrebender Kräfte die ge- |
meinsame Linie zu finden; wie schwierig die Dinge in
dieser Hinsicht vielfach lagen, ersieht man z. B. daraus,
daß die tschesischen Protestanten nach dem Umsturz in
der neu errichteten tschechslowakischen Republik die j
bisherige konfessionelle Gemeinschaft mit den Evange- i
lischen Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses
aufgaben und sich in Anlehnung an die alte hussitische
Überlieferung zu der „tschechisch-evangelischen Brüderkirche
" zusammenschlössen. — Aus der Stoffülle des
Werkes, dessen Reichtum hier nur flüchtig angedeutet
werden kann, haben wir einige Momente herausgegriffen
, die doch einen Eindruck von der Wichtigkeit des
Gegenstandes vermitteln. Die L. eigene Darstellung, die
in peinlich beobachteter Sprachreinheit treffsichere Linienführung
bei Schilderung von Personen und Begebenheit
kennzeichnet, erhöht den Wert des Buches,
das der nimmer müde Verfasser der Wissenschaft gewissermaßen
als Gabe anläßlich seines 75. Geburtstages
dargebracht hat. Es ist eines der Werke, das mit
seinem Gegenstand für ferne Zeiten auf das engste verbunden
bleibt, weil es aus großen geistigen Zusammenhängen
herausgewachsen aus der klar erfaßten Vergangenheit
der Zukunft den Weg der Pflichterfüllung
weist.

Wien. Karl Völker.

Dedic, Dr. theol. Paul: Der Protestantismus in Steiermark im
Zeitalter der Reformation und Gegenreformation. Leipzig:
M. Heinsius Nachf. Eger fy. Sievers 1930. (VIII, 174 S.) gr. 8°. =
Schriften d. Vereins f. Reformationsgesch. Jhrg. 48, H. 2. (Nr. 149).

RM 4.40.

Diese Georg Loesche gewidmete Schrift behandelt
eines der spannendsten Kapitel aus der Geschichte
des deutschen Protestantismus. Es wird hier
dargelegt, wie ein gegen den Willen der Regierung ganz
und gar evangelisch gewordenes Land durch die zähe
Rücksichtslosigkeit des Landesherrn für den Katholizismus
wieder zurückgewonnen wurde. Gestützt auf seine
ständischen Freiheiten richtete der lutherische Adel
Steiermarks unter bedeutenden Opfern ein evangelisches
Kirchen- und Schulwesen, an dem auch die Bürgerschaft
teilhatte, im Lande ein. Die Stiftskirche, an der
sechs geistliche Kräfte wirkten, sowie die Stiftsschule,
die mit der Zeit zu einer Hochschule ausgebaut wurde,
in der Hauptstadt Graz bildeten die Brennpunkte. Nach
der von Chyträus ausgearbeiteten Kirchenordnung vollzog
sich das gottesdienstliche Leben, dessen klaglose
Gestaltung im ganzen Lande das „Kirch- und Schulministerium
" zusammen mit den drei bis vier adeligen
Inspektoren zu überwachen hatte. Die Habsburger j
Karl II. und dessen Sohn Ferdinand IL, denen Innerösterreich
auf Grund der durch Ferdinand I. vollzogenen
Erbteilung der österreichischen Alpenländer zugefallen
war, setzten nun, von ihren bayerischen Verwandten beraten
und unterstützt, alles daran, um das steirische
Luthertum zu vernichten, wiewohl sich Karl IL unter
dem Druck der politischen Lage bemüssigt sah, den j
Evangelischen im „Brucker Libell" vom 9. Febr. 1578 |
Glaubens- und Gewissensfreiheit einzuräumen. Den Leidensweg
der steirischen Lutheraner kennzeichnen landesfürstliche
Erlasse vom allmählichen Abbau dieser
>>Pazifikation" bis zur Ausweisung des nichtkatholischen j
Adels durch das Generalmandat Ferdinands II. vom j
1- August 1628, dem scharfe Maßnahmen gegen evan-
gelische Bürger, Geistliche und Lehrer vorangegangen j
waren. Es vollzog sich hier ein erschütterndes Drama,
dessen Teilnehmer durch Glaubensmut auf der einen
und Religionsfanatismus auf der andern Seite sich be- :
stimmen ließen. Das Luthertum lernt man hier als
treibende Volkskraft von erhabener Auswirkung in seiner
ursprünglichen Eigenart kennen, nicht zuletzt in dem j
leidenden Gehorsam gegenüber einer mißgünstigen Re- j
gierung. Entgegen der geläufigen Auffassung, wonach
die Evangelischen ihre zeitweiligen Errungenschaften !

der Türkennot zu danken gehabt hätten, zeigt D., daß
gerade infolge der Türkengefahr der evangelische Adel
der Steiermark sich Zurückhaltung auferlegt habe, wodurch
sein Untergang beschleunigt worden ist. Mit
Recht hebt d. Verf. besonders hervor, daß die Erbhuldigung
des lutherischen Adels gegenüber Ferdinand
IL ohne dessen vorherige bindende Zusagen ein
schwerer politischer Fehler gewesen sei. — Die zahlreichen
Untersuchungen des Grazer Historikers Johann
Loserth haben zu diesem, hier angedeuteten Werdegang
ein umfassendes Tatsachenmaterial zu Tage gefördert;
ja man kann sagen, daß dieser überragende Forscher
den längst verklungenen steirischen Protestantismus des
16. und 17. Jahrh. erst wieder entdeckt hat. D., der
selbst bereits mit einer Reihe von Arbeiten über diesen
Gegenstand hervorgetreten ist, gebührt nun das Verdienst
einer sehr geschickten, überaus anschaulichen und
packend dargestellten Zusammenfassung des vorhandenen
Stoffes, wobei er das Bekannte durch eigene Archiv-
studien ergänzt. Man gewinnt aus seinen Ausführungen
einen lebensvollen, unmittelbaren Eindruck von den
Kämpfen, Erfolgen und Leiden der steirischen Lutheraner
bis ins Exil hin. Der Schwerpunkt der Arbeit
von D. liegt in der klaren Herausarbeitung der äußeren
Beziehungen der evangelischen Stände zur Regierung.
Das innere Leben kommt dabei nicht zu kurz; es wäre
aber zu begrüßen, wenn D., der sich als Historiker des
steirischen Protestantismus so trefflich eingeführt hat,
seine Archivstudien nach dieser von der Forschung noch
nicht völlig erfaßten Richtung weiter ausbauen würde.
Wien. Karl Völker.

Lötz, Adolf: Sklaverei, Staatskirche und Freikirche. Die

englischen Bekenntnisse im Kampf um die Aufhebung von Sklavenhandel
und Sklaverei. Leipzig: Bernhard Tauchnitz 1929. (114 S.
m. 1 Kte.) gr. 8". = Kölner Anglistische Arbeiten hrsg. von Herbert
Schöffler. 9. Band. RM 7—.

Die Arbeit stellt sich die Aufgabe zu untersuchen,
wie stark der Anteil von Staatskirche und Freikirchen
(so müßte es heißen) Englands am Kampf um die Aufhebung
der Sklaverei gewesen ist. Die Einleitung schildert
die geistesgeschichtlichen Grundlagen, die den
Kampf ausgelöst haben: die Mission und vor allem die
veränderte Einstellung gegenüber dem Primitiven, die
durch die Aufklärung hervorgerufen ist. Dann wird in
sehr sorgsamer, mühseliger Untersuchung der Anteil
festgestellt, den die verschiedenen Bekenntnisse in den
einzelnen Phasen des Kampfes gehabt haben. Es ergibt
sich, daß die Hauptlast zu allen Zeiten vom Dissent
getragen ist; von der Staatskirche nehmen fast nur
Evangelikaie am Kampf teil. Außerdem zeigt sich, daß
je nach der Intensität des Kampfes der Anteil der
Staatskirche stärker oder schwächer wird. Am Schluß
geht der Verfasser auf die Gründe ein, die das Verhalten
von Staatskirche und Freikirchen bestimmt haben. Dieser
Abschnitt ist, neben dem ersten, für den Theologen
besonders lehrreich. L. sieht im wesentlichen drei
Gründe, die den Unterschied zwischen den Kirchen bedingt
haben: 1. Zeitumstände. Die Ideen der französischen
Revolution hatten fast nur in Dissentkreisen Eingang
gefunden. Die Antisklaverei-Bewegung galt daher
weithin als revolutionäre Bewegung. Außerdem traf
diese zeitlich mit der Emanzipationsbewegung der Freikirchen
zusammen. Das mußte zu einer Zurückhaltung
der Staatskirche fast zwangsläufig führen. 2. Starke
Beeinflussung der staatskirchlichen Geistlichen seitens
der Patrone, wie überhaupt die enge Verbindung der
Staatskirche mit den konservativen, d. h. in diesem
Fall aber Sklaven besitzenden Kreisen sich ungünstig
auswirkt. 3. Innere Gründe, nämlich eine verschiedene
Einstellung von Staats- und Freikirchen gegenüber
allen sozialethischen Fragen. Hier begnügt sich L.
leider mit einer Anwendung von Prinzipien aus
Troeltsch's Soziallehren, indem er den „Kirchen"-Typus
und „Sekten"-Typus nicht immer glücklich und richtig
kontrastiert. Es wäre besser gewesen, wenn er schlicht