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Ausgabe:

1931 Nr. 23

Spalte:

549-551

Autor/Hrsg.:

Schaeder, Erich

Titel/Untertitel:

Das Wort Gottes 1931

Rezensent:

Winkler, Robert

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549

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 23.

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Nicht nur Logiker, sondern anschauungsfroher Ästhetiker
steigt Hegel auf, nicht nur von der Aufklärung zur Metaphysik
, sondern auch von der Subjektivität durch die
Liebe zum Glauben. Der Geist des neuen Jahrhunderts,
der ein Geschichtsgeist und ein Massengeist ist, hat in
ihm seinen Vater. — Nach einem Blick auf Schleiermacher
, Fries und Herbart, an denen J. überall seine
These bestätigt findet, verfolgt er den Abstieg von Hegel
zu Feuerbach und Strauß. Ausführlich arbeitet er den
Obergang heraus von der Romantik zum Positivis-
mus. Das Denken erfordert die Ergänzung im Umschlag
zu dem Gegenteil. Nun siegt die „Frau Welt".
Feuerbach wird hart zensiert als ein starker „gastronomisch
" bestimmter Geist, der in übler Weltgier von
Gott über die Vernunft zum Menschen und zum Kult
der Sinne hinabsinkt. Strauß kommt etwas besser weg.
Der Vater der „Bildungsphilister" löst das Allgemeine
in Besonderes auf und stellt im Gegensatz zum Mittelalter
die Religion in den Dienst der Philosophie. — Die
Leitthese wird nur gerettet, indem der ganze Zerfall
des Allgemeinen in Besonderes als notwendiger Pendelschlag
zum Gegenteil dem Gesetz des bindenden Jahrhunderts
eingegliedert wird. Die Jahrhundertwende
scheint in ihrer Bedeutung stark bedroht, wenn mit
Treitschke um 1840 nach dem Absterben des großen
Säkulargeistes ein Umschlag anerkannt wird. Aber davon
wird mehr in einer Schlußbetrachtung zu sagen sein.
Marburg. Friedrich Nicbergall.

Schaeder, Geh. Konsistor.-Rat, Prof. D. Erich: Das Wort Gottes.
Eine systemat. Untersuch»;. Gütersloh: C. Bertelsmann 1930. (VIII,
171 S.) «rr. 8°. = Beiträge z. Förderg. christl. Theolog. hrsg. v. A.
Schlatter u. W. Lütgert. 2. Reihe Sammig. wiss. Monographien, 22. Bd.

RM 6 - ; geb. 7.50.

In der Vorkriegszeit war, auf das Ganze der Theologie
gesehen, die Frage nach dem „Wort" keines von
ihren Zentralthemen. In der ersten Auflage der R. G. G.
gibt es keinen Sonderartikel darüber. Unter dem Einfluß
idealistischer Philosophie versteht man es als einen
Ausdruck religiöser Produktivität. Das „Wort" steht
dem Ich nicht als ein Anderes, Fremdgesetzliclies gegenüber
. Es tritt aus ihm hervor (S. 38)T Dagegen wendet
sich in der Nachkriegszeit mit besonderer Emphase die
dialektische Theologie und will die Unabhängigkeit des
„Wortes" und seine Souveränität über das Ich zur Geltung
bringen. Sie hat nach der Meinung Sch.'s, der jeder
Nicht-Dialektiker zustimmen wird, dabei freilich einen
an sich richtigen Gedanken ins Groteske übersteigert, indem
sie in überspanntem Objektivitätsstreben über den
Schatten des eigenen Ich zu springen versucht (S. 45).
Der Leitgedanke des vorliegenden Buches ist es, die
Objektivität des Wortes Gottes in der theologischen
Darstellung zur Geltung zu bringen, ohne sie dabei aus
ihrem Umgriffensein vom gläubigen Subjekt zu lösen.

Überblick über den Inhalt: Sch. entwirft in § 1 seiner
Schrift einen vorläufigen Begriff des Wortes Gottes,
beschäftigt sich in § 2 mit der Frage nach seiner Erkennbarkeit
d. h. er fragt, woher man denn weiß, daß
es unter all den Worten, die in der Geschichte laut werden
, wahrhaftiges Gottes Wort gibt (S. 37), entfaltet in
§ 3 in Form eines kurzen Abrisses der Dogrnatik den
Inhalt dieses Wortes, wendet sich in § 4 gegen die direkte
Vereinerleiung von Wort Gottes und Heiliger
Schrift (Der Glaube allein weiß um das Wort Gottes,
und keine äußere Instanz, auch nicht die Schrift, sagt es
ihm rein von sich aus, so daß er es von daher wüßte.
S. 112), bestreitet in § 5 daß das Sakrament eine Potenzierung
des „Wortes" sei und läßt endlich in § 6 auch
die Kirche nicht Herr über das Wort sein, sofern seiner
sogleich zu entwickelnden Grundanschauung zufolge der
einzelne an der Autorität der Kirche teil hat (S
148, 154). v '

Der Grundgedanke: Das „Wort" ist die Synthese
von göttlicher Selbstdarbietung oder Offenbarung und
menschlichem, durch diese Offenbarung bewirkten Glaubensverhalten
(S. 105). Wort, Gott und Glaube gehören

zu Haufe (S. 56). Seine Funktion ist es, Gott (in
Christus) den Menschen nahe zu bringen (z. B. S. 16).
In Auseinandersetzung mit Gogarten und Barth wird
immer wieder darauf hingewiesen, daß man von dem
objektiven Gotteswort nicht reden könne, ohne daß man
im Glauben ein Bewußtsein darum habe (S. 43). Der
Glaube bleibt nicht leer und hat nicht das Wort in
starrer Objektivität sich gegenüber (S. 103). Wir haben
es immer nur in organischer Verbindung mit dem Glauben
, der durch es gewirkt ist (S. 107). Zwischen ihm
und dem endlichen Geist muß sich eine Konjunktion
vollziehen (S. 41). Kurz: Es liegt im Worte Gottes eine
unlösliche Ineinsbildung von Objektiv-Göttlichem und

: Subjektiv-Menschlichem vor (S. 108). Glauben heißt
also nicht, zum Wort als rein objektiver, dem Ich gegenüber
distanzierter Größe Ja sagen (S. 48). Man glaubt
z. B an das Schöpfertum Gottes nicht auf die bloß
äußere Mitteilung durch das Wort hin (S. 61), sondern
auf Grund von Erfahrung, weil es uns die Sache, von

j der es redet, gleichzeitig vermittelt. Daher ist vom
Glauben das Moment der Glaubensm>stik nicht abzutrennen
(S. 17, 50, 54).

Der Inhalt und das Grundthema des Wortes Gottes
ist das Herrentum Gottes. So wie es in der von uns
erfahrenen Schöpfermacht Gottes anhebt, sich auch in
der Versöhnung verwirklicht, kommt es schließlich in
der Bewirkung des Glaubens zu seinem irdischen Abschluß
. Alle dogmatischen Einzelaussagen sind Aussagen
darüber, wie sich das Herrentum unseres Gottes durch-
; setzt und werden durch diesen gemeinsamen Beziehungspunkt
zur Einheit zusammengeschlossen. Anschaulich
tritt bei diesem von Sch. skizzierten Abriß der Glaubenslehre
zu Tage, wie sich die Grundgedanken seiner
„Theozentrischen Theologie" widerspruchslos in den seit
dem „Geistproblem" von ihm entwickelten pneumatozen-
trischen Gedankenkreis einfügen.

Wer mit dem christlichen Grundgedanken von der
Inkarnation ernst macht, wird nicht umhin können,
dieser theologischen Theorie vom Worte Gottes grundsätzlich
zuzustimmen. Sie ist sicherlich eine Art Plattform
, auf der sich alles Nicht-Dialektische zusammenfinden
kann. In den Grundzügen parallel mit ihr geht
z. B. auch das von Wobbermin auf dem dritten deutschen
Theologentag vorgetragene Wortverständnis. Offen
bleibt freilich die Frage, ob die gewählten Formulierungen
immer die glücklichsten sind und jedes unliebsame
Mißverständnis ausschließen. Auf einiges von der
Art soll noch hingewiesen werden.

Vielleicht wäre die Auseinandersetzung mit Barth
fruchtbarer verlaufen, wenn Sch. darauf geachtet hätte,
daß er eine ganze Reihe von Barths Gedanken, nämlich
diejenigen, in denen sich sein Existentialismus bemerkbar
macht, zu seinen Bundesgenossen hat. Ich zum mindesten
vermag den Satz aus der Dogrnatik Barths (S. 111):
Der hörende Mensch ist im Begriff des Wortes Gottes
ebenso eingeschlossen wie der redende Gott, nicht anders
zu deuten wie im Sinne der von Sch. vorgelegten
Worttheorie. Bei stärkerer Berücksichtigung der Wahrheitsmomente
bei Barth hätte sich Sch. auch mehr vor dem
Vorwurf des Subjektivismus geschützt, den so manche
seine Äußerungen herausfordern. Zwar heißt es bei ihm
deutlich genug, daß bei der Synthese von göttlichem
und menschlichem Geist im Worte Gottes der Geist
Gottes wahrlich uns gegenüber der andere, der zutiefst
unterschiedene bleib: (S. 153), und daß der Glaube von
sich und seinen Qualitäten weg und auf die Gnade Gottes
in Christus sieht (S. 92). Aber wenn man Barth
sagt, daß man das Wort natürlich vorher habe, bevor
man seine Gottesqualität, seine pneumatische, feststellt
(S. 45), so genügt das zur Abwehr eines evt. Vorwurfes
von Subjektivismus noch nicht. Es darf nicht, wie es
nach dem Satz von Sch. der Fall ist, scheinen, als ob
der Glaube erst die pneumatische Qualität an das Wort
herantrage. Darum wäre es besser, gegen Barth darauf
hinzuweisen, daß nur gemäß der Erkenntnis Ordnung