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Ausgabe:

1931 Nr. 23

Spalte:

544-545

Autor/Hrsg.:

Wotschke, Theodor

Titel/Untertitel:

Urkunden zur Reformationsgeschichte Böhmens und Mährens 1931

Rezensent:

Voelker, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 23.

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danken in ihr „nicht nur maßvoll darstellt", sondern
auch „systematisiere" und „damit (!) rationalisiere
und abstumpfe"?! Melanchthon gebe den „transzenden-
talistischen Elementen der Theologie Luthers, zumal im
2. Teil, eine pädagogische Wendung". Ich glaube, es ist
zum Teil nur die Art der Formulierung S.'s, der ich ausweichen
müßte. Doch weiß ich wirklich nicht recht,
wie Melanchthon gerade in der Augustana Stimmungen
oder gar Ideen kundgebe, die der „Aufklärung" vorarbeiteten
. Gäbe es noch öffentliche „Disputationen" unter
„Gelehrten", S. hätte wahrlich das Verdienst, kühne
Thesen für solche zu bieten. — Ein 4., der Schlußabschnitt
will noch kurz Antwort geben, wie es denn mit
der „gegenwartsmächtigen Frage", die da laute: „Wahrheit
und Bekenntnis", stehe. S. deutet zweierlei mehr
an, als daß er es ganz klar machte, was ihm im Sinne
liege. Das Bekenntnis vertrete „Luthers Botschaft" in
eigentümlicher Beschwerung durch die „Brechung an
der politischen und theologischen Wirklichkeit". Das
bedeutet ihm, daß in ihm der Protestantismus eben nicht
umhin gekonnt habe, sich als „Kirche" zu „formen".
Ohne diese Formung könne er überhaupt in der Geschichte
nicht wirken. Und müsse doch auch mehr
sein wollen, sei auch mehr, als nur Kirche und Bekenntnis
. Ich begreife die Schwierigkeiten, die S. offenbar
empfunden hat, sich in Kürze völlig klar, konkret
deutlich, auszusprechen. Zum Teil redet er die Theologensprache
und weiß doch (achtet mit Recht darauf
!), daß er nicht nur zu Theologen spreche. So
werden seine knappen, inhaltreichen Sätze einigermaßen
änigmatisch. Er läßt merken, daß er glaube, Hegel
für den größten Philosophen, „den unsere [die Berliner
] Universität [er war 1830 der Rektor und hielt
als solcher die Augustanarede — wir wollen ihm
dieses Zeugnis seines Stehens zur Reformation nicht
vergessen!], ja den Deutschland gehabt hat", halten zu
müssen. Ich stehe ,soweit mir die Philosophie etwas
bedeutet, zu Kant; ob er persönlich evangelischer war
als Hegel, lasse ich dahin gestellt, „philosophisch" war
er es — nach meinem Urteil. Könnten wir „disputieren,
so würde ich versuchen, mit S. darüber zu verhandeln,
wie weit es Hegel'sche Geschichtsphilosophie ist, die
seine Intuition von Reformation und Protestantismus
(zumal „heute") bestimmt.

Seebergs Rede ist neben der von Ficker diejenige
, die zur Augustanafeier am umfassendsten die
Augustana als solche „feiert". Auch sie könnte füglich
die Überschrift haben „Die Eigenart des Augsburgischen
Bekenntnisses". Es sind für meine Empfindung
zwei Generationen, die wir da hören. Ficker
spricht wie ein Quellen„forscher"; die zwanzig Seiten
Anmerkungen, die er im Drucke der Rede angefügt hat,
die viel Neues bieten, seine wahrhaft liebevolle Würdigung
, „Schilderung", Melanchthons, alles gibt seiner
Rede fast den Charakter eines Kommentars, oder einer
„Einleitung in die Augustana" in Ranke'scher Umsicht,
Weitsicht, Anschmiegungsfähigkeit. Seebergs geistvolle
lebendige Zusammenschau der vielerlei Momente
oder Elemente, die die Reformation und unsere deutsche
(ja die europäische) Geschichte bis heute verbinden,
ist auch getragen von deutlich erkennbarer Gelehrsamkeit
, aber sie ist ganz „modern", expressionistisch, oder
— so sagt man ja heute gern — „existentiell". Ich
hoffe, möchte gern dahin wirken, daß beide Reden
die Beachtung finden, die ihnen gebührt.

Halle a. S.___F. Ka 11en b usch.

Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis. N. S. XXIII.
s'Gravenhage: M. Nijhoff 1930. (320 S.) gr. 8°.

Der Band wird eröffnet durch einen Aufsatz von
J. van de Ven: De St. Jakobs-of Luttike-Vicarie
te Eilburg d. h. durch Prüfung der Frage, ob der 1929
vom Erzbischof von Utrecht erhobene Anspruch, Mit-
collator der im 15. Jahrh. gestifteten Pfründe, die in
der Reformationszeit verändert wurde, zu sein, berechtigt
ist, was verneint wird. — L. Knappert: Eene blad-

zijde uit de Kerkgeschiedenis van Essequebo, Berbice en
I Demerary, gibt Nachrichten aus dem kirchlichen Leben
! in den niederländischen Kolonien in Guyana seit dem
: 17. Jahrh. Erwähnt sei der Streit darüber, ob die Kinder
! von christlichen Männern und heidnischen Negerinnen
und Indianerinnen getauft werden sollten, was der Prädi-
i kant verneinte, mit der Begründung, daß diese Kinder
nicht im Gnadenbund seien und eine Taufe gleichsam
eine Prämie auf die Unzucht bedeute. — R. A. B.
Oosterhuis: Comenius' Stellung zu den Neo-Refor-
! matoren weist insbesondere Beziehungen zu Antoinette
Bourignon während ihres Amsterdamer Aufenthaltes
1667ff. nach. — A. Eekhof: De Praeceptor-filosoof-
dichter Johannes Michaelius, zoon van den eersten Ame-
rikaanschen predicant gibt eine Lebensskizze und kennzeichnet
die Schriften, unter denen eine de oculo und ein
Gedicht auf die als nupta deo, nohuit haec homini nubere
gefeierte Anna Maria von Schürmann hervorragt. — H.
! Ph. Visse r't Hooft: Het tijdstip van overgang tot
; het protestantisme van Marnix van St. Aldegonde macht
i glaubwürdig, daß die Bekehrung von Marnix nicht, wie
man bisher annahm, in Genf unter persönlichem Einfluß
Calvins 1559/61 stattfand, sondern schon in Löwen
1553/55. Von den 12 Argumenten ist das wichtigste,
daß Marnix' „Bienenkorb" in Löwen konzipiert ist —
A. Mulder: Prefectuur en Kerk in Zeeland gibt unter
1 Beifügung von Dokumenten eine eingehende Schilderung
[ der kirchlichen Verhältnisse in Seeland unter französischem
Regiment zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Pfarrbesoldung
, Kirchengebäude, Armenpflege, die zentrali-
j siert werden sollte, u. a. werden behandelt. — D. de
j Man: Een onbekend middelnederlandsch exempel ont-
staan in den kring der moderne Devoten teilt ein das
j schweigende gehorsame Leiden veranschaulichendes Tu-
i gendexempel mit, das aus dem Kreise der Devotio mo-
derna stammen wird. — J. S. van Veen: Scheuring in
de classis Nymegen berichtet über Schwierigkeiten, die
dadurch entstanden, daß 1810 ein Teil der Klasse Nymegen
an Frankreich kam. — G. P. van Itterzon:
De „Synopsis purioris theologiae gibt eine sorgfältige
; Inhaltsangabe der eine Zusammenfassung der in Leiden
nach der Dordrechter Synode herrschenden Theologie
darstellenden Dogmatik, die von Polyander, Rivetus,
[ Walaeus und Thyrius u. d. T. „Synopsis purioris theolo-
'< giae" erschien. — J. Pascher: Ein Brief von Rem-
[ bertus Dodonaeus analysiert als Dokument der Laien-
I theologie im Zeitalter der Gegenreformation einen 1580
aus Köln geschriebenen, die Abendmahlskontroverse betreffenden
Brief des Botanikers. — J. S. van Veen:
De Classis Grave 1617—18, berichtet über die Rechtslage
und teilt einen Brief von Moritz von Nassau mit.
j — H. Beets: H. P. Scholte's leven en streven in
' Noord-Amerika, gibt ein sehr interessantes Lebensbild
j eines 1805 in Amsterdam geborenen, von Kohlbrügge
und da Costa beeinflußten Mannes, der sich separiert,
nach Jowa auswandert und dort als Prediger und —
Bankier funktioniert, ein lehrreiches Beispiel für die cal-
: vinistische innerweltliche Askese!

Verschiedene Miszellen beiseite lassend, erwähnen
wir noch die ausgezeichnete Bibliographie zur nieder-
| ländischen Kirchengeschichte und Kirchengeschichtsschreibung
.

Heidelberg. W. Köhler.

Wotschke.D.Dr.Theodor: Urkundenz.Reformationsgeschichte

| Böhmens und Mährens. (S. 117—166) gr. 8°. = Sonderdr. a. d.

! Jahrb. d. Vereins f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen, 2. Jhrg., 1929.
Aus dem in der herzoglichen Bibliothek zu Gotha

, befindlichen Briefwechsel des Wittenberger Superintendenten
Paul Eber veröffentlicht W. elf an denselben ge-

: richtete und zwei von demselben verfaßte Schreiben,
worin hauptsächlich Angelegenheiten des geistlichen
Nachwuchses, die in der Zeit von 1563 bis 1569 den
Grafen Friedrich von Hardegg, den späteren Antitrini-
tarier Jakob Paläologus, den Egerer Stadtarzt Peter Si-
byllerus u. a. beschäftigten, erörtert werden. Dem glei-