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Ausgabe:

1931 Nr. 22

Spalte:

521-525

Autor/Hrsg.:

Stange, Carl

Titel/Untertitel:

Das Ende aller Dinge 1931

Rezensent:

Steinmann, Theodor

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 22.

522

lieh ist die ablehnende Haltung, die Dessoir der Yoga-
Praxis und der exercitia spiritualia gegenüber einnimmt,
völlig verkennend, daß der asketische Weltverzicht und
<üe methodische Zucht des Geistes eine einsichtfördernde
Wirkung in hohem Maße auszulösen vermögen. Daß
der intuitiven Denkkraft eine erkenntnisfördernde Bedeutung
innewohnt, läßt Dessoir ebensowenig gelten
wie die Spontan-Phänomene (klassischer Fall Forthuny.),
die unerwartet und unvorbereitet sich einstellen und die

son Christi gegründet werden" (73); und der Begriff
des Ewigen wird „nur dann christlich gebraucht, wenn
wir damit die Anschauung wiedergeben, die wir von der
Eigentümlichkeit der Person und des Lebens Jesu haben
" (76). Hier haben wir die Anschauung eines
„ganz andern Lebens" (77), das sich durch seine Tiefe
und Innerlichkeit von allem, was wir sonst Leben
nennen, unterscheidet (96). — Was St. hiermit vertritt,
ist sicher ein berechtigtes Anliegen des Theologen. Daß

stärkste Stütze der spiritistischen These bilden. Diese sich der diesen Dingen nachdenkende Theologe darum

darf man nicht als „vorläufig überflüssig mit dem Hirn
weis auf die vage Konstruktion abtun, daß es „der
Kern mediumistischer Botschaft sei, ein Einzelleben, das
in langer Zeit und vielen Ereignissen gelebt wird, unter
einheitlichen Gesichtspunkt genial zusammenzufassen".
Für das Unmittelbare des Dynamischen und Damoni

auf diese Linie beschränken müsse, vermag ich aber
nicht einzusehen. Beim Gottesglauben war es doch gewiß
ein falscher Christozentrismus, wenn man in der
Schule Ritschis dazu neigte, alle und jede Aussage über
Gott aus der Christusoffenbarung abzuleiten. So könnte
es auch hier sein. Freilich, wenn auch im sonstigen

nischen hat D. kein Sensorium ebensowenig für die , Geistturn Hinweise auf „letzte Dinge" vorliegen, dann

Eigenart der aus der Sache selbst resultierenden Anord
Hungen, unter denen okkulte Phänomene überhaupt zustande
kommen können. Viel zu eng ist die Grenze
gegen „abnorme Vorgänge" gezogen — wo ist denn die
ein für allemal feststehende Norm, die in allen Fällen
einen Maßstab für das Mögliche abgeben könnte? Ist
nicht die Naturwissenschaft heute dabei, ihr materialistisch
-mechanisch „monistisches" Weltbild Schritt für
Schritt aufgeben zu müssen zugunsten einer organischen,
vitalistischen und spiritualistischen Weltanschauung?
Was ist denn mit „der geradezu phantastischen

sieht sich eine Lehre von den letzten Dingen genötigt,
über den Rahmen der neutestamentlichen Eschatologie
irgendwie hinauszugreifen, in welcher jene Hinweise
im weiteren Gebiet des menschlichen Geisttums nicht berücksichtigt
werden. Es mag dann wohl auch nicht gelingen
, dieses und jenes wirklich in ein Bild zusammen
zu schauen. Das gibt uns aber noch kein Recht, jene
andern Hinweise einfach beiseite liegen zu lassen; es
müßte denn sein, daß uns im neutestamentlichen Schrifttum
außer dem Zugang zu Gott zugleich auch eine
uns aller weiteren Mühe übergebende, alle Fragen ganz

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Dehnbarkeit des Stoffes" d. h. der seelischen Fähigkeiten j unmittelbar beantwortende, fertige Gesamtweltdeutung

und Vorgänge gewonnen, wenn diese „Dehnbarkeit" nur
zu einem solchen Jenseits der Seele" führt, das im
Grunde doch nur auf derselben Ebene mit dem Indivi-
dual-Seelischen zu liegen kommt? Gewiß, es mag der
zünftigen Psychologie unendlich schwer fallen, in Gebiete
sich zu dehnen, die verständlich werden nur vom
Standpunkt eines wirklichen Transzendent-Seelischen, eines
von der traditionellen Auffassung sich diametral abhebenden
Seelischen und den Sprung zu wagen in einen
Dualismus der Phänomene, die sich (zunächst) konträr
gegenüber stehen. Das mag schließlich auf ein „erweitertes
" Weltbild hinauslaufen, aber man muß dann doch
auch damit rechnen, daß diese „Erweiterung" eine Überschreitung
der bisherigen empirischen Grenzen bedeutet
und daß mit Rücksicht darauf der philosophierende Geist
die Aufgabe hat, überragende termini zu finden, die mit
Grenzfällen rechnen, welche über sich selbst hinausweisen
und eine neue Einheit finden, die einer anders
als bisher ausgestatteten und gestalteten Mannigfaltigkeit
gerecht werden.

Berlin. F. K o e h I e r.

Stange, Prof. Dr. Carl: Das Ende aller Dinge. (Die christl.

Hoffnung, ihr Grand und ihr Ziel.) Gütersloh: C. Bertelsmann 1930.

(VI, 242 S.) gr. 8°. RM 8 - ; geb. 10—.

Alt haus, D. Paul: Unsterblichkeit und ewiges Sterben bei

Luther. Gütersloh: C.Bertelsmann 1930. (68 S.) gr. 8°. = Studien
d. apologet. Seminars, hrsg. i. Auftr. d. Vorstandes v. C. Stange,

gegeben ist.

St. entzieht sich in der Flucht vor idealistischen
Verfälschungen jener Nötigung, indem er in der Auseinandersetzung
mit Windelband eine möglichst restlose
Säkularisierung der geistigen Normen vollzieht. Für
Windelband sind die Normen unmittelbar selbst das
übergeschichtlich gegenwärtige zeitlos Ewige. Sein
Grundfehler besteht nach St. darin, „daß er das Allgemeingültige
" resp. Unbedingte „und das Ewige für
identisch erklärt" (12). In Wirklichkeit ist die Notwendigkeit
, die in den Normen zum Ausdruck kommt, lediglich
„die Notwendigkeit des zeitlichen Geschehens";
und ihre Unbedingtheit bedeutet lediglich, daß sie „in
jedem einzelnen Fall, der im Zusammenhang des zeitlichen
Lebens die Anwendung der Normen herbeiführt",
gelten d. h. aber doch eben „immer nur für den Zusammenhang
des zeitlichen Lebens" (13). Überdem sind
sie „etwas rein Formales; auf ein rein Formales können
wir aber nie den Begriff der Ewigkeit anwenden" (16).
Und: wenn der Hinweis auf das Ewige schon in den
logischen, ästhetischen und ethischen Normen enthalten
ist, dann haben die religiösen Normen daneben keine
besondere Bedeutung. — Nun läßt sich ja gewiß nicht
leugnen, daß alle geistigen Normen auf das zeitlich irdische
Sein und Geschehen bezogen sind. Und sicher
auch ist nicht das schon selbst unser Sein im Ewigen,
daß wir logisch denken und den Normen des Sittlichen

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gemäß handeln. Damit ist aber nicht auch schon gesagt

30. H. RM 2A0- daß hier nicht doch etwas sein könnte, was auf letzte

Stange stellt sein Buch in den Zusammenhang Dinge" hinweist. Ist über die ethischen Normen"wirk-

der Gegenbewegung gegen die Säkularisierung des Chri- lieh schon alles gesagt mit dem Hinweis darauf, daß sie

stentums unter dem Einfluß idealistischer Ideen. Zur j als „Naturgesetze auf dem Gebiet des persönlichen Le-

deutlichen Abgrenzung gegen den Idealismus verhilft j bens" es lediglich „mit dem Verhältnis zweier mensch-

uns grade auch eine klare Besinnung auf den spezifisch 1 licher Willen zu tun haben" (14)? Es ist doch etwas

christlichen Begriff der letzten Dinge. Dazu bedarf es Besonderes um die eigentümliche innere Haltung die

allerdings einer Ausscheidung aller Einmengungen von der Mensch — wenn auch noch so gebrochen — gewinnt

dort her. Dem dient eine Auseinandersetzung mit Alt- sobald als er sich der sittlichen Forderung und ihrem

haus' axiologischer Eschatologie bezw. mit der Idee des . kategorischen „Du sollst" wirklich unterstellt. Und in

Ewigen bei Windelband, mit Troeltschs eschatologischen seinen Untersuchungen zur Phänomenologie und Onto-

Gedanken, mit Nygrens erkenntnistheoretischer Bedeu- logie des menschlichen Geistes weist G. Class sehr fein

tung des Ewigen, sowie endlich mit Heims „Rückfall darauf hin, wie auf dem Gebiete der Erkenntnis das

in den Idealismus", sofern er „die Idee des Ewigen an ; rückhaltlose Sichunterstellen wohl nicht unter die logi-

den Tatbestand des Sittlichen anschließt" und ihm damit sehen Normen, so doch unter die geistige Norm der

eine allgemeinmenschliche Begründung gibt (72). Der unbedingten Wahrheitsforderung den natürlichen Men-

christliche Jenseitsglaube soll aber eben „nicht auf ir- , sehen in eine durchaus fremdartige Lage bringt als

gend ein Allgemeinmenschliches, sondern auf die Per- ! müsse er mit dieser Einstellung auf ein Unsichtbares in