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Ausgabe:

1931 Nr. 22

Spalte:

517-518

Autor/Hrsg.:

Heger, Adolf

Titel/Untertitel:

Julius Kaftans theologische Grundposition im Verhältnis zu Schleiermachers Prinzipienlehre 1931

Rezensent:

Wehrung, Georg

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Seite 1

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517

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 22.

518

kündigung vor Sozialisten" zeigt wie das Evangelium an j religionspsychologische Intention. Wir können darum
den Sozialisten heranzubringen ist, vor allem durch An- allerdings auch nicht mehr J. Kaftans zu äußerlicher
knüpfung an religiöse Äußerungen in sozialistischen l „empirischer" Bestimmung des Religionsbegriffs beiSchriften
(einige werden genannt). „Der Hesse und ; pflichten. Gut, doch fürchte ich, daß die Darstellung
seine Kirche" redet von dem durch Diehl geförderten nicht ganz der im I. Teil der Glaubenslehre vorliegenden
Zusammenschluß der verschiedenen Kirchen und behan- ! und zu ihm hinführenden Konstruktion gerecht geworden
: das Gemeinsame der hessischen Kirchen, gute j den ist. Jedenfalls berührt das Bemühen wohltuend,
kirchliche Sitten und die von Lutheranern und Refor- auch hinter mißverständlichen Formulierungen bei
mierten betonte Bedeutung der Presbyterien. „Über unser Schleiermacher die fruchtbare Absicht wahrzunehmen;
abendländisches Christentum hinaus" hebt das Wertvolle wir werden Schleiermacher erst ganz gerecht, wenn wir
in den heidnischen Religionen, insbesondere der indi- hinter subjektivistisch klingenden Worten die tatsächlich
sehen hervor und spricht von edlen Heiden, an denen I gemeinte, nicht immer voll durchgeführte subjektiv-ob-
sich manche Christen ein Vorbild nehmen können. Zwei i jektive Einstellung erfassen. — Der Vergleich erstreckt
für den Abendmahlsstreit bis jetzt noch unbekannte sich auf die Begriffe Theologie, Religion, Christentum,
Briefe Bucers werden wörtlich mitgeteilt und besprochen. j auf die apologetische und dogmatische Grundhaltung.
Beiträge zur Geschichte des alten Pietismus im Solms- Die Fortschritte Kaftans hängen ja deutlich mit seiner

Laubacher Land" und „aus Briefen Philipp Jakob Spe
ners an den Grafen Johann Friedrich von Solms-
Laubach" führen uns vor, wie wichtig es die Landesherren
mit der Erziehung ihrer Kinder nahmen und

Anknüpfung an Ritsehl zusammen. Gleich Ritsehl und
der ganzen Gruppe hat er dagegen für die bis zu einem
eigenen Gottesgedanken sich erhebenden erkenntnistheoretisch
-metaphysischen Erwägungen Schleiermachers

sich das Wohl ihrer Untertanen angelegen sein ließen. nichts übrig, was mit Recht als Mangel hervorgehoben
Die segensreichen Wirkungen des Pietismus treten her- wird. Hier kann die Theologie allerdings heute noch
vor Auf derselben Linie bewegt sich der Psalter Graf ; Wichtiges von Schleiermacher lernen. Im übrigen
Eberhard XIV. zu Erbach, der die Reformation in I meine ich, gehört die Schleiermachersche Verhältnis-
seinen Landen förderte. Es handelt sich um einen Nach- j Setzung von allgemeinem Wesen der Religion und spezidruck
von Luthers Psalmenübersetzung aus dem Jahr < fischem Wesen des Christentums zu letzten Nachwir-
1529, die der Graf mit Randbemerkungen versehen hat ; kungen eines deduktiven Denkens, mit denen wir ent-
und 'seine tief religiöse auf dem Grund der Bibel j schlossener brechen müssen. Die übliche populartheolo-
ruhende Überzeugung beweisen. Das Original ist abge- | gische Aneinanderreihung, die sich auch bei Kaftan findruckt
. Aus einem in Holland aufgefundenen Akten- j det, geht an der Schwierigkeit des Problems vorbei

stück werden wichtige Mitteilungen gegeben über die
Drangsale der pfälzischen reformierten Kirche am Ende
des 18. Jahrhunderts. Ein Aufsatz behandelt die großzügige
Organisation des Verlages und Buchhandlung des
Halleschen Waisenhauses und führt dies auf Heinrich
Julius Elers zurück. In 2 Abhandlungen werden wir
vertraut gemacht mit dem Darmstädter Hofprediger Johann
August Stark und seinen Beziehungen zu dem
Bund der Sieben. Die gründlichen Untersuchungen
stützen sich auf seither noch unbekanntes Aktenmaterial.
Zur Geschichte des Gottesdienstes werden wertvolle
Beiträge geliefert. Interessant ist ein Aufsatz über die
Taufgesinnten oder Mennoniten, in dem wir etwas hören
von ihrer Ausbreitung, Verfolgung, Verhalten der Sowjetregierung
und den Wirkungen, die von ihnen ausgegangen
sind (Sekten, Freikirchen, Trennung von Kirche
und Staat u. a.). Der letzte Aufsatz beschäftigt sich mit
dem Darmstädter Gesangbuch v. 1670—1770 und verfolgt
neben der äußeren Veränderung (abgebildet) auch
in gründlicher Weise die innere Wandlung.

Wenn der Grundsatz „Ich dien" über dem Leben

Auch Verf. folgt hier zu sehr dem sensus communis.
— Die sorgfältige Arbeit ist ein nützlicher Beitrag zur
Würdigung Kaftans und zur neueren Theologiegeschichte
.

Tübingen.__O. Wehrung.

Naumann, Hans: Die deutsche Dichtung der Gegenwart.

Vom Naturalismus bis zur neuen Sachlichkeit. 5. durchges. u. erw.
Aufl. Stuttgart: Metzlersche Verlagsbuchhdlg. 1931. (415 S.) gr. 8°.
= Epochen der deutschen Literatur, hrsg. v. J. Zeitler, Bd. 6.

RM 7.85 ; geb. 9.75.

Kindermann, Heinz: Das literarische Antlitz der Gegenwart
. Halle: Max Niemeycr 1930. (104 S.) 8°. RM 3.80.
Der Schlußband der Metzlerschen Literaturgeschichte
(auf die wir in diesen Blättern wiederholt hingewiesen
haben) liegt bereits in fünfter Auflage vor, die
der vierten fast auf dem Fuße folgte. In den anderthalb
Jahren, die dazwischen lagen, hat der Verf. immerhin
seine eindrucksvolle und überzeugende Darstellung der
jüngsten Dichtung (unter dem Titel: „Die neue Sachlichkeit
") nachprüfen und mannigfach ergänzen können,
ohne daß sich eine wesentliche Umgestaltung als not-

"*iT" jII7/iiKÄ~-«»iT"^«"Tüm wendig ergeben hätte. Die Art, wie N. Licht und Schat-
des Prälaten steht, dann, gilt, derselbe auch von dem f_ ..,s. - a— ^.-u----

ten verteilt, wie er in dem scheinbar so chaotischen Ge-
ganzen pfl egenden Buch. Es will undl ^n» dweh ^ kichtungen und Strömungen bei Freund und

feTne gediegenen Aufsätze dienen den Theo^ sowohl , P gemeinsame Züge aufdeckt und überall frisches,
auf dim Lehrstuhl als auch ' Praktischen Amt und | ^ fa hohem Maße deutsches Leben nachweist,

nicht zum mindesten auch den Nichtgeisthchen. Jäßt den Schiußabschnitt als Krönung seines Werkes er-

_ rmct.Ht H. Bernbeck. | greinen, das in der Wissenschaft längst anregend und

Heeer, Lic. Adolf: Julius Kaftans theologische O^P0^" C Für die dieser Zeitschrift ist es von besonde-

teVerMMnl«« ! rem Werte, daß Naumann den eigentümlichen religiösen

hoeck & Ruprecht 1930. (ios S.I st- » • rm öW Grundton der gegenwärtigen Bewegung in ihren vep-

hnerk7^' C^«l!^i«^Utn b^'ß^*wCTt, weil, wie schiedenen, oft heftig gegeneinander entbrennenden La-
Diese SpezialStudie ist : dcs Kaftan aus gern nachweist. Durchweg ist dieses Geschlecht erden-

im Eingang richtig h^^f ^g^sten zugleich auf ; nahe und zugleich über das Irdische erhaben, oder will
dem Kreise um A. R.tschl am gfaubenslehre, zurück- ! es doch sein. „Neue Sachlichkeit" bedeutet keine Ge-
Schleiermactier, u z. auisei einerseits i bundenheit an die Erscheinung, am wenigsten an den

fafhfdenr ^Ä^ÄÄ!^ ÜSTS^i*daS W-en der Sache, sie ist

nach dem objektiven Verhältnis der prinzipiellen Stand
punkte. Notgedrungen und mit Recht geht sie ins einzelne
. Man kann dabei sehen, wie das Schleiermacherverständnis
inzwischen vorangekommen ist: der § 4 z. B.

nach Naumann eine „beseelte", wir könnten' sagen-
eine sinn-offenbarende Sachlichkeit. Sie starrt auf die
Dinge hin, um ihr Wesen zu schauen und sie kann sich
dieses Wesens nicht besser bemächtigen als durch das

„liegt weit über eine empirisch-psychologische Erörte- i Wort: dies Wort aber soll nicht mehr schön' sein

rung hinaus". Wo Kaftan (gleich Bender) vorab weit- , und weder durch den Klang noch durch die erregten

anschauliche Tendenzen am Werke sieht, betont Verf., j Bilder einschmeichelnd und verlockend wirken Es soll

aus G. Wobbermins Schule kommend, die ursprünglich I treffen, aber nicht die äußere Erscheinung ais solch