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Ausgabe:

1931 Nr. 21

Spalte:

498-499

Autor/Hrsg.:

Maier, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die Anfänge der Philosophie des deutschen Idealismus 1931

Rezensent:

Wehrung, Georg

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 21.

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Welt. Auf dieser sympathetischen Wesensverwandtschaft Auswertung des Befundes. Behauptung und 7eirhn..„
baut sich ja überhaupt Herders Erkenntnisbegriff auf. des so „realistisch" philosophierenden Herder sindI rirh

Und in der von ihr bedingten Anamnesis ist das Apriori j tig. Aber ist mit diesem „Realismus" wirklich eine Hol

gegeben. Freilich ist dies realistische Apriori magisch ; tung unbedingt religiöser Ehrfurcht ein ausdrücklicher
und nicht vernünftig wie das Kants. Gegensatz etwa zu kritisch-intellektueller Überheblichkeit

Es ist nur folgerichtig, wenn Herders Anschauung (Kant) gekennzeichnet? Ist damit letztlich überhöim*

vom Erkenntnisaufbau nur gelegentlich eine äußere und 1 der Gegensatz von Religion und Philosophie betroffen?
nicht eine innere oder gar wertende Scheidung von „un- In der Foh?e der realistischen n~._,ii. u ,. .

teren" und „oberen" Irkenntniskräften aufweist, Ver- ebensowohl deX£.Ä

stand und Sinnlichkeit sind ja für ihn nur verschiedene , wohl der Erkenntnisverzicht wie die nhilosonhi'schJ r

Äußerungen einer lebendigen Kraft Erkenntnis von ' mühung. Ihr Verhältnis zum Pantheismus und Miterir
den Sinnen zu trennen, ist ganz und gar unmöglich. hsmus ist ganz und gar offen Der wirklieh «"
Alles unsinnlich Begriffliche ist vielmehr nur Behelf. sehe Realift - und* als solcher ge£t Herder aurder"

Umgekehrt ist es wieder so, daß das volle Innewerden ' Erörterung hervor — kann nur Pantheist sein ak
eines Sinnes erst mit dem gedanklich fassenden Begriff sollte uns in der Tat die Geschichte lehren hIr a i

geschieht. | eine Abkehr vom Spekulativen gegeben sei? M

Ein Exkurs zeigt das realistische Erkenntnisethos I der realistische Optimismus ein besonderes Maß

auch als Voraussetzung der uns so gegenwärtig an- | Religiosität gewährleiste? Ist in der vollständigen W»"

mutenden Herderschen Pädagogik. Sinne und Sachen i gung vor dem ganzen Wert des Gegebenen" ni?hJulT
sind ihr Ausgang. sosehr der Keim einer widergöttlich-mater S

Im letzten Teil des Buches stehen besondere Pro- Haltung gelegen wie der einer JSniS^G^
bleme dieser Erkenntnislehre zur Erörterung. anerkennung? s vjuues-

Der Glaube wird in ihr einmal ethisch begründet: y/ie eigentümlich ynmil hol a»m n _. ^

aus dem Gegensatz des Nichtsehenkönnens und Doch- m„Jie*^,ÄXttS

sem Sinn ift Glaube geradezu „die konstitutive Grund- , St^i^n^t^^^T^

bewegu^ des Realismus«. _ ^ i ste„ die von de B.gezeichmete SelbsffiänLng ^

Endlich wird der ja überreiche Befund an Aussagen
über Gefühl und Ahnung von de B. auf seinen
erkenntnistheoretischen Gehalt geprüft. De B. kommt
zu dem Schluß, daß dieser unbeträchtlich sei, daß Herder
vielmehr, dem bloßen Fühlen erkenntnistheoretisch sehr
kritisch begegnend, in aller Erkenntnis die scheidende
Besinnung unbedingt mitgemeint habe. Selbst Herders
Bild vom Erkennen Gottes wird davon betroffen. Auch
hier reicht das schwärmerische, wenn auch noch so konzentrierte
Gefühl nicht aus. Erst mit dem Gedanken
sieht und begreift man vollständig.

De B. sucht nun den Widerspruch zwischen Theorie
und Praxis psychologisch zu lösen: aus der Breite
der unreflektierten Gefühlsmeinungen in Herders Leben
und Werk, die sich selbst nicht erkenntniskritisch zu
relativieren vermochten. Aber daneben besteht die Wer

zieht. Der Grund dieser Fragen dürfte klar sein. Der
Begriff, unter dem Herders Einstellung erscheint, muß
ernsthafter und heller nach außen und innen hin abgegrenzt
werden, ehe er terminologisch verwertbar wird.

De B.'s Feststellungen sind damit nicht entwertet.
Sie zeigen immerhin in dem einen geschichtlichen Fall
den ganz bestimmt religiös sich besinnenden Realisten,
der die Wirklichkeit als eine so beglückende Fülle von
Kräften erfährt, daß ihm nur der Name Gottes sie erklärt
, also einen Typ aus der Fülle möglicher realistischer
Entwicklungen. Es muß aber gesagt werden, daß
der Realismus an sich, wie de B. ihn faßt, in seinem
Verhältnis zur Religion und zur Philosophie durchaus
unbestimmt ist, daß in dem Gegensatz Kant — Herder,
wenn man sie als Typen nimmt (und Herders Anschauung
ist hier einfach ein pan e n theistisch umgebogener
tüno von Ahnung und Traum als realistischer Erkennt- j Spinozismus) nicht der Gegensatz eines vermessen spe-
•orstufe nach seiner Meinung zu Recht. Denn diese j kulierenden Idealismus und einer gläubig frommen Hin-
"'d ur dunkler Ausdruck der eingeschaffenen Analogie, j gäbe an die Gotteswirklichkeit sich spiegelt, sondern
Sft enug überhaupt unsere Erkenntnisgrenze und un- weit eher der einer autonom philosophischen und einer

veräußerlicher Teil unseres Erkenntnisorgans.

Dem allen entspricht, daß Herders Gotteserkennt
nis kosmologisch ist und letztlich immer von Offen-

überwiegend künstlerisch gerichteten Haltung.

Bederkesa b. Bremerhaven. V. Kohlschmidt.

barung abhängt, die uns die Sinne vermitteln. Ja ! Maler, Heinrich: Die Anfänge der Philosophie des Deutschen
darüber hinaus, ist umgekehr jede Erkenntnis zugleich ; ,deallsmus. Berlin: Verl. d. Akad. TwTV l n**£'Z

Gotteserkenntnis. In der Vielheit der von uns erfahrenen
Kräfte ist Gott, die Urkraft, immer mit enthalten.

Bei der Beurteilung der Arbeit muß man scheiden
zwischen ihrer Herder-interpretatorischen und ihrer
svstematischen Absicht.

Das Ziel einer Herder-Interpretation auf ihrem Sachgebiet
hat sie im wesentlichen, wenn man von einigen
Schiefheiten absieht, erreicht. Herders Erkenntnislehre
ist auf einleuchtende Weise als Ausdruck einer ganz

Verl. d. Akad. d. Wis's. (W. de Qruyter &
Co. in Komm.) 1030. (16 S.) 4°. sfc Sonderause. a. d. Sitzungsber.
d. Preuß. Akad. d. Wiss. Öffentl. Sitzung v. 23. Januar 1Q30. RM 1—.

Hier wird der in der Philosophiegeschichte vernachlässigten
Frage nachgegangen, aus welchen Impulsen
der Fortgang des deutschen Idealismus von Kant zu
Fichte und darüber hinaus zu Schelling-Hegel zu begreifen
sind. Die verbreitete Annahme einer geradlinigen
Entwicklung ist mit Recht in Zweifel gezogen. Kant
selbst mag noch etwas zu rationalistisch-scholastisch auf-

bestimmten Lebensanschauung herausgearbeitet. Seine , gefaßt, sein Abstand von Fichte damit leicht übersteigert
enthusiastisch gerichtete Bejahung der Welt und insbe- ; sein: der Abstand, ja Gegensatz bleibt und ist groß; (das
sondere des Menschen, die in seiner Stellung zu Dich- ' Fichtesche System k ann in der Tat nicht einfach ver-
tung und Kunst am handgreiflichsten zutage tritt, ist möge eines konstruktiven Denkens aus dem Kritizismus
nun auch als Bedingung seiner Erkenntnislehre anzu- { herausgewachsen sein. Bei allem Bemühen, das Eigensehen
. Als Arbeit dieser Richtung wird das vorliegende ste an Fichte selbst, auch seine bleibende aufklärerische
Buch sein beständiges Verdienst haben. Denn es trägt j (Kantische) Schranke herauszuarbeiten, ist zugleich
wesentlich dazu bei, die heute in der Forschung stärker überzeugend die Bedeutung der ihm aus dem Spontanei-
empfundene und aufgesuchte Herdersche Geschlossen- | tätsgefühl und der Immanenzstimmung des Sturmes und
heit an einem entscheidenden Punkte zu bestätigen. Da- Dranges durch Vermittlung des Lavaterschen Kreises
mit ist dem Selbstverständnis unserer Geistesgeschichte Pestalozzis und besonders Jacobis zugekommenen An-
ein nicht unbedeutender Hinweis zugefallen. i regungen gezeigt. „Derjenige aber, der die Verbindung
Ein anderes aber ist die Frage der systematischen ! der Kantischen Philosophie mit dem Sturm und Drana