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Ausgabe:

1931 Nr. 20

Spalte:

476

Autor/Hrsg.:

Jannasch, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Kampf um das Wort 1931

Rezensent:

Strasser, Ernst

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Seite 1

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475

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 20.

476

viuere ac se regere possit, und zwar mit dem Datum
1521. Bei der gut begründeten früheren Datierung des
Briefes S. 82 f. wäre zu bedenken, daß Luther die geistvolle
griechische Umlautung seines fränkischen Familiennamens
in Eleutherius sonst in so früher Zeit nicht verwendet
. Erfreut las ich in der Inhaltsangabe S. 269 vom
Ameisenfleiße der Wittenberger Studenten und hätte
gern damit der Zeitgenossen und mein eigenes Urteil
berichtigt. Aber leider besagt „Studium nostrum more
formicarum fervet", wie Parallelen S. 404. 407 und
besonders S. 408 bezeugen, nur, daß es damals an der
Universität Wittenberg von Studenten wimmelte. Zu
S. 104 f. halte ich an der großen Wahrscheinlichkeit
fest, daß die späteren Briefe Himmels zwar einen andern
Duktus zeigen als die Niederschrift der Galater-
briefVorlesung (1516/17), aber daß es ein Duktus derselben
Hand ist, und für die Schreibung „Butzer" wiederhole
ich (s. Monatschrift für Gottesdienst und kirchliche
Kunst 7, S. 367 f.), daß mir eigenhändige Unterschriften
nur in der Form „Bucer" bekannt geworden
sind.

Auch diese Bemerkungen sollen nur die für den
Gelehrten übliche Form des Dankes für die reiche
Gabe sein, die uns der Herausgeber schenkt. Zugleich
aber mögen sie ihm die Freude ausdrücken, daß es ihm
vergönnt ist, sein gelehrtes Charisma dem persönlichsten
Teile von Luthers Lebenswerk nutzbar zu machen und
in der Zusammenfassung der rastlosen Einzelarbeit seines
ganzen Lebens sein eigenes Lebenswerk damit zu
krönen.

Halle a. S. Johannes F i c k e r.

Zwingli, Huldrych: Das Buch der Reformation Huldrych
Zwingiis von ihm selbst und gleichzeitigen Quellen erzählt durch
Walther Köhler. Einmalige Sonderausgabe z. 400. Todestag.
München: E. Reinhardt 1931. (373 S. m. 39 Abb. i. Text u. 57 Taf.)
gr. 8°. Lw. RM 6— ; Originalausg. RM 15—.

Da dieses Werk, das in der Originalausgabe auf
Weihnachten 1925 erschien, in der ThLZ. nicht angezeigt
wurde, rechtfertigt sich eine Besprechung der vorliegenden
Sonderausgabe, die nichts anderes ist als das ursprüngliche
Buch unter einem neuen Titelblatt und zu
einem billigeren Preise verkäuflich. Wir können dem Verleger
dafür nur dankbar sein; denn dieses Quellenbuch
verdient möglichste Verbreitung, besonders auch an Mittelschulen
und Universitäten. Im Gegensatz zu dem „Buch
der Reformation", herausgegeben von K. Kaulfuß-Diesch,
dem es zunächst als Ergänzung als Buch der Reformation
in der Schweiz zur Seite treten will, gibt diese Köhler'sche
Sammlung nicht ganze Quellenstücke in ihrem vollen
Umfange wieder. Vielmehr besteht seine Eigenart gerade
darin, daß aus der großen Masse des vorliegenden
Quellenstoffes immer nur ganz bestimmte Ausschnitte
unter einem bestimmten Gesichtspunkt zusammengestellt
werden. Das Ganze ist in 37 kürzere Abschnitte gegliedert
, z. B.: A. Elternhaus, Kindheit, Erste Jugendeindrücke
, Universität. B. Glarus 1506—1516. C. Einsiedeln
1516—1518. H. Luther und seine Wirkung V.
Die Umgestaltung des Kultus. Aufhebung der Klöster.
Einrichtung evangelischer Tauf- und Abendmahlsfeier
1523/25. AA. Die Bauernbewegung 1525. KK. Philipp
von Hessen und das Religionsgespräch zu Marburg
1529. MM. Die Katastrophe. Zwingiis Tod in der
Schlacht bei Kappel. Unter jedem Abschnitt bietet nun
Köhler eine Auswahl aus den dafür in Betracht kommenden
Quellen. Gewöhnlich stellt er den betreffenden
Abschnitt aus Bullingers Reformationschronik an den
Anfang, dann folgen Aktenstücke und Briefe, aber immer
nur soviel, als zur Sache gehört, aus Briefen oft nur
ein oder wenige Sätze. Durch diese Anordnung wird ein
Doppeltes gewonnen: Dem Leser werden die Quellen
zur Verfügung gestellt, er erhält also unmittelbaren
Einblick in die Dinge selbst, zugleich sind diese Quellen
schon so gruppiert, daß es dem Leser leicht fällt, sich
ein geschlossenes Bild der Dinge zu machen. Das
Quellenbuch ist gleichsam der ausführliche kritische

| Apparat zu einer Zwinglibiographie, die ja Köhler selbst
schon gegeben hat (in Religionsgeschichtl. Volksbücher
IV, Heft 30/31 Tübingen 1919 und in der Sammlung
„Die Schweiz im deutschen Geistesleben" 9. Bändchen,
Leipzig 1923). Der gestaltende Geist des Forschers
spricht also zu uns. Dabei kann natürlich die Frage
gestellt werden, ob sich nicht demjenigen, der die
Quellen im vollen Umfange nachprüft, andere Stellen als
wichtigere aufdrängen, die dann eine Verschiebung des
Bildes ergeben würden. Darüber mit Köhler zu rechten,
wäre ganz unbillig; denn er will ja nur eine Auswahl
geben und muß auf vieles verzichten. Doch darf man
gerade von diesem Gesichtspunkt aus sagen, daß die
Auswahl eine sehr glückliche ist und durchaus die für
das Leben Zwingiis und die Reformation in der Schweiz
wesentlichen Quellenstücke darbietet. Wie sonst nirgends
wird gerade durch die sachgemäße Zusammenstellung
einzelner Zeugnisse die Einwirkung Luthers auf
Zwingli deutlich. Wenn auch auf die „Theologie Zwing-
lis im engern Sinne" verzichtet wird, so liegen doch
genug Zeugnisse vor, die den gedanklichen Hintergrund
seiner Kirchenreformation und seiner Politik erkennen
lassen; so ist der Abendmahlsstreit durch wenige prägnante
Stücke zu klarer Darstellung gelangt. Die deutschen
Quellen sind im ursprünglichen Wortlaute mit Erklärung
schwer verständlicher Ausdrücke, die lateinischen
in neudeutscher Übersetzung gegeben. Möge das
Buch recht manchem Freund der Reformation eine reiche
Fundgrube sein, die ihn in unmittelbare Berührung mit
Zwingli und seiner Zeit zu bringen vermag.
Zürich. L. von M u r a 11.

Jannasch, Wilhelm: Der Kampf um das Wort. Aus der

Glaubenseeschichte einer deutschen Stadt. Lübeck: F. Westphal 1931-
(136 S.) 8°. Lw. RM 3.70.

Am 4. Juni 1531, dem Trinitatisfest, wurde in
Lübeck das Dankfest für die neue Ordnung der kirchlichen
Dinge auf reformatorischer Grundlage in allen
Kirchen der Stadt gefeiert. Dicht vor der 400. Wiederkehr
dieses denkwürdigen Jahrestages erscheint ein
Büchlein in schmuckem Kleid, geeignet die Erinnerung
an die Tage der Reformation in Lübeck wachzurufen.
Der Lübeckische Landeskirchenrat hatte den Verfasser
beauftragt, eine Festschrift zum Reformationsjubiläum
der Lübeckischen Kirche auszuarbeiten. Diese Festschrift
liegt nun vor. Sie will nicht eine wissenschaftlich
belegte eingehende Untersuchung über den Gang der
Reformation in Lübeck bieten. Der Verfasser behält
sich vor, eine derartige Arbeit später vorzulegen. Hier
wird in zwölf Bildern auf Grund vorhandener Nachrichten
in der Art, wie sie Gustav Freytag in seinen
Bildern aus der deutschen Vergangenheit geübt hat,
das erste Jahrzehnt der werdenden lutherischen Kirche
in Lübeck bis zu jenem denkwürdigen Abschluß dem
Leser vor Augen gestellt. Man spürt bei der Lesung
nicht nur die reiche historische Kenntnis des Verfassers,
sondern man dankt ihm auch eine am modernen Leben
; gewonnene Schau der Ereignisse mit vielen kleinen
j Einzelzügen, die gerade der weiteren Öffentlichkeit —
und als solche sind wohl auch die Schulen zu denken —
i eine erwünschte anschauliche Kenntnis der Begeben-
i heiten übermitteln wird. Das theologische Rückgrat
i kommt in der Wahl des Titels und in klaren Formulierungen
am Eingang und Schluß zur Erscheinung. Nicht
! der Besitz des Wortes, sondern der Kampf darum
j erscheint das für die Kirche zu Erstrebende. Die hier zutagetretende
Spannung zu der Haltung der Reformatoren
zum Worte Gottes wird nicht bezweifelt werden können.
! Aber diese Divergenz entspricht einer Überzeugung, die
sich in den evangelischen Kirchen als Ausdruck einer
Gegenwartstheologie heute findet. Insofern wird dieses
Festbuch nicht nur von vergangenen Dingen reden. —
S. 36 Z. 13 muß wohl statt Paulus Petrus gelesen
werden.

i Hildesheim. Ernst Strasser.