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1931 Nr. 19

Spalte:

444

Titel/Untertitel:

Der geistliche Grundbesitz in der Mark Brandenburg und angrenzenden Gebieten im Bereich der Diözesen Brandenburg und Havelberg um das Jahr 1535 1931

Rezensent:

Peper, Hans

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443

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 19.

444

einem Blick auf den demokratischen Zug der Zisterzienserbewegung
gegenüber dem europäischen Feudalismus
und auf ihr Verhältnis zum Pariser Wissenschaftsbetrieb
, nur über die Entstehung und die Reihenfolge
der Schriften des calabrischen „Sehers". Das
„breve admonitorium seu praeceptorium", durch das
Clemens III. den Abt von Corazzo auffordert, seine auf
Anregung der Päpste Lucius III. und Urban III. begonnenen
zwei Werke zu vollenden, und das „Testament
" Joachims, worin er seine Brüder beauftragt, im
Falle seines Todes seine Werke dem Papste zur Begutachtung
zu unterbreiten, betrachtet B. mit Recht als
Fälschungen, und ebenso verweist er die Erzählungen
von Besuchen Joachims bei Lucius III. und Urban III.
in das Gebiet apologetischer Legendenbildung (S. 173 ff.).

Der dritte Teil erörtert dann die Botschaft Joachims
: seine Methode (Bibelkenntnis; allegorische Interpretation
; Übereinstimmungen und Anologien), die Es-
chatologie und „ökonomische" Trinitätslehre (Die Tri-
nität in der Geschichte; Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
; die Ankunft des dritten Standes), Fleischeskirche
und geistliche Gemeinschaft (Verschwinden der sichtbaren
Kirche; die höchste Offenbarung des Geistes;
Kirche von heute und Kirche von morgen). S. 190 ff.
wird eine Linie von der jüdischen, hellenistischen und
altchristlichen allegorischen Erklärung bis zu Joachim
gezogen, und darnach erscheint dessen Schöpferkraft
in dieser Hinsicht lediglich als „quantitativ". Das Persönliche
und eigentlich Ursprüngliche in seiner Schrifterklärung
liegt aber darin, daß er die biblischen Begebenheiten
aller Wirklichkeit entkleidet und nur als
Bilder der der Christenheit bevorstehenden Dinge betrachtet
. Während seine Vorgänger im Altertum und
Mittelalter die Allegorie zu theologischen, disziplinären
und sittlichen Zwecken handhabten, wird sie in seinen
Händen zum Werkzeug der prophetischen Verkündigung,
zur Entdeckung eschatologischer Bilder. S. 204 ff. gibt
B. einen kurzen Überblick über die Geschichte des Begriffes
„ökonomisch" in der christlichen Theologie: wie
etwa bei Tertullian, so steht auch bei Joachim die „ökonomische
" Trinitätslehre ganz im Dienste seiner escha-
tologischen Geschichtsbetrachtung, und es wäre verfehlt,
ihn als „Theologen von Profession und formalen Ketzer
in der Trinitätslehre" anzusehen und ihn an die Seite
Gilberts de la Porree zu bringen (Fournier 1909).
S. 217 ff. wird auch der Unterschied der joachimischen
Grundhaltung von Abälard, den Viktorinern und Petrus
Lombardus einerseits und den späteren deutschen Mystikern
aus dem Dominikanerorden anderseits hervorgehoben
, wiewohl auch seiner religiösen Erfahrung die
echt mystische Ader nicht abgesprochen werden kann.
Was schließlich seine Stellung zur Kirche und ihren Einrichtungen
betrifft, so ist auch sie eschatologisch bestimmt
: im Unterschied von andern mittelalterlichen
„Ketzern", die den einen oder anderen Punkt der Kirchenlehre
bestritten, geht Joachim aufs Ganze und läßt
alles Bisherige bei der kommenden Geistesausgießung
dahinschwinden. Doch will er keineswegs Geringschätzung
der Kirche und ihrer Sakramente predigen, da
diesen hohe erzieherische Bedeutung zukommt und es
Gott vorbehalten ist, sie durch vollkommene Geistlichkeit
abzulösen. „So kann man sagen: je kühner und
neuer die von ihm verkündete Botschaft theologisch ist,
um so mehr ist seine Haltung praktisch angeregt zu
einem tiefen Gefühl der Verehrung und der Ergebenheit
gegen die Kirche" (S. 242). B.s Ausführungen sind
überzeugend, und er weiß sie durch eine treffliche Auswahl
längerer Stellen aus den Schriften Joachims zu
belegen. Ein weiterer Band soll das Schicksal des
„Joachimismus" von den Ursprüngen des Franziskanerordens
bis zu Cola di Rienzo erzählen (S. XII). „Die
franziskanische ,spiritualitä' war es ja, die die Weissagung
des calabrischen Sehers in sich verkörpern
und zur Erfüllung bringen wollte. Aber die geschichtlichen
Umstände verurteilten den Versuch zum Scheitern
. Und von da begann der Verfall der großen christlichen
Kräfte in der Welt" (S. 249).
München. Hugo Koch.

I Historischer Atlas der Provinz Brandenburg. Hrsg. v. d. Hist.
Kommission f. d. Prov. Brandenburg u. die Reichshauptstadt Berlin.
Reihe 1. (Kirchenkarten) Nr. 2. Blatt 1. Der geistliche Grundbesitz
in der Mark Brandenburg und angrenzenden Gebieten im Bereich
der Diözesen Brandenburg und Havelberg um das Jahr 1535 v. Gottfried
Wentz. Maßstab 1:350 000. Berlin: D. Reimer in Komm,
o. J. RM 3.50; mit Mappe RM 7 —•

Dem 1929 erschienenen ersten Blatt des heimatge-
| schichtlichen Kartenwerks ist jetzt das zweite Blatt gefolgt
, dem ersten an klarer Übersicht und Brauchbarkeit
gleichwertig. Auch diese Karte ist zweifellos nicht nur
ein unentbehrliches Hilfsmittel für die Heimatgeschichte,
sie kann allgemeinere Bedeutung beanspruchen und wird
insonderheit für den Kirchenhistoriker von unschätzbarer
Bedeutung sein. Gerade solche ins Einzelne gehende
kartographische Darstellung des geistlichen Grundbesitzes
fehlte bisher. Es ist hier der geistliche Besitz
j innerhalb eines mittelalterlichen Territoriums nach Um-
j fang und Verteilung auf die einzelnen Institute und Orden
dargestellt. Das Blatt bringt das alles für die Kur-
I mark Brandenburg nebst den angrenzenden Gebieten,
i wie Magdeburg, Mecklenburg, Kursachsen, soweit diese
im Bereich der Diözesen Brandenburg und Havelberg
lagen, zur Darstellung. Die kirchlichen Verhältnisse der
Neumark und Altmark werden auf den nächsten Abtei-
I lungen der Karte dargestellt werden. Da auch die unter-
1 gegangenen mittelalterlichen Siedlungen vielfach ver-
[ merkt sind, so kann die Karte zugleich als Beitrag zur
| märkischen Wüstungskunde gelten. Von den beiden Nebenkarten
stellt die eine dar den Besitz der Zister-
i zienserklöster Altenkamp und Amelunxborn auf der
I Lietze im Jahre 1430, die andere den Besitz der Jo-
hanniter-Komturei Tempelhof auf dem Teltow bis
j zum Jahre 1435. Die angewandten Zeichen und die
I Farbengebung sind wieder äußerst geschickt und erleich-
! tern die Benutzung der Karte in jeder Weise.

Bernburg. H. Peper.

Alt, Karl: Die Lateinschule der freien Reichsstadt Kaufbeuren
und ihr berühmtester Rektor Mag. Dr. Jakob Brucker.

Ansbach: Selbstverlag des Verfassers; zu bezieh, durch d. Buchhand-
; lung Schön, Kaufbeuren 1926. (S. 136) 8°. RM 6.50.

Ob die Geschichte der Lateinschule dieser kleinen
J schwäbischen Reichsstadt eine eigene Arbeit verdient?
, Auf diese Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, daß
; im Unterschied zu andern Orten, und sie sind oft be-
j deutender, hier sich ein selten reiches Aktenmaterial
! findet. Der städtische Kanzleiverwalter Wolfgang Ludwig
Hörmann von und zu Gutenberg (1713—93) hat
alle die Evangelischen betreffenden Akten sorgsam gesammelt
und damit vor dem Lose der Vernichtung, das
i die städtischen Akten bei der Mediatisierung 1803 fan-
I den, bewahrt. Aber bedeutsamer ist, daß 1724—1735
| der auch heute noch wohlbekannte Mag. Jakob Brucker,
der Vater der Geschichte der Philosophie, an ihr als
Rektor wirkte, und dann noch weitere 10 Jahre bis
1744 ihr Inspektor „Scholarcha" war. So bildet den
I Hauptinhalt dieser Schrift die Biographie dieses Mannes.
Ausführlich wird uns von seiner umfangreichen literarischen
Tätigkeit, seinem Wirken als Adjunkt und Diakonus
, als Rektor scholae latinae, als Scholaren berichtet.
| Nicht sowohl ein originaler schöpferischer Geist, aber
ein Mann vielseitigen Wissens, unerschöpflicher Arbeits-
! kraft der aufgeschlossen für die geistigen Bewegungen
| seiner Zeit auf religiösem und pädagogischem Gebiet mit
I großem Geschick zu wirken wußte. Die Zeit des Pietismus
war für Kaufbeuren schon angebrochen, erreichte
aber mit ihm ihren Höhepunkt; um dann sehr rasch
! einem recht dürftigen Nationalismus Platz zu machen.
| Die sehr fleißige Arbeit wird durch mancherlei
Beanstandungen in ihrer Bedeutsamkeit geschmälert. Zu-
! nächst ist schon der Druck sehr mangelhaft. Die