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Ausgabe:

1931 Nr. 17

Spalte:

399-400

Autor/Hrsg.:

Gennrich, Paul

Titel/Untertitel:

Um Theologie und Kirche 1931

Rezensent:

Schian, Martin

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Seite 1

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399

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 17.

400

Dabei liegt nach seiner Meinung der Hauptunterschied
zwischen katholischer und evangelischer Christenheit
nicht in dem Gegensatz theologischer Lehrmeinungen,
sondern in der verschiedenen Auffassung, mit der das
Verhältnis von Kirche und Welt gelebt wird. Diese
Zurücksetzung des Lehrhaften hat nun allerdings zur
Folge, daß die geistige Grundhaltung der Beiträge,
ganz abgesehen von der Differenz der Höhenlage, recht
verschieden ist. Ja, man wird sagen dürfen, daß einzelne
Aufsätze, so z. B. der von P. Erfurth über Innere
Mission und von Müller-Schwefe über ecclesia militans
eine strenge Besinnung auf das Eigentümliche des reformatorischen
Christentums vermissen lassen. Ein
neues Credo ecclesiam ist eben doch nicht möglich,
ohne gleichzeitige energische Abstoßung innerkirchlicher
Irrlehre. Eine solche Absage dürfte auch jeweils für
die Praxis die weitreichendsten Folgen haben. Immerhin
wird aus den Beiträgen deutlich (die Aufsätze von
Ehrenberg über den biblisch-apostolischen Kirchenglauben
und von Sasse über Kirche und Kirchen sind hier
besonders lehrreich), in welchem Maße man sich heute
unter Zurücksetzung einer soziologischen und religions-
gescbichtlichen Fragestellung der mit Reformation und
Schrift gegebenen theologischen Aufgabe wieder zuwendet
. Daß diese Bemühungen nicht im abstrakt Lehrhaften
stecken bleiben dürfen, sondern die Wirklichkeit
der Welt erfassen und umfassen müssen, soll es zu einem
neuen sinnerfüllten Bekenntnis zur Kirche kommen,
das eben wird heute wieder weithin gesehen. — Ganz
besonders bedeutsam sind grade unter diesem Gesichtspunkt
die geistvollen und überaus anregenden Aufsätze
des Rechtslehrers Eugen Rosenstock über „Die Kirche
am Ende der Welt" und „Die Kirche und die Völker",
die mit unerbittlichem Ernst und rücksichtsloser Kritik
an der empirischen Kirche das Wesen der „Gesellschaft
" und der „Völker" in einer säkularisierten Welt
enthüllen und damit an die Kirche Fragen von großer
Eindringlichkeit richten. — D. Zöllner hat recht, wenn
er in einem Sehlußaufsatz sagt: Wir sind auf dem Wege,
aus Landeskirche wieder Kirche zu werden. Als Zeugnis
dafür ist dies Buch dankbar zu begrüßen.

Osnabrück. R. Karwehl.

Gennrich, D. Paul: Um Theologie und Kirche. Gesammelte
Aufsätze. Königsberg i. Pr.: Buchhdlg. d. Ostpr. Provinzialverb. f.
Inn. Mission G. m. b. H. 1931. (IV, 415 S.) gr. 8°. RM 9 — : geb. 10.50.
Der Band umfaßt 26 Aufsätze, die sämtlich irgendwie
mit Theologie und Kirche zusammenhängen. EL
nige gehören zur systematischen Theologie: Religiöse
Weltansicht und Naturwissenschaft; Christentum und
Theosophie; Das evangelische Schriftprinzip und die
Religionsgeschichte; Inspiration und Autorität der Heiligen
Schrift in der neueren Theologie. Ein Auf satz gilt
Tolstois sozialer Botschaft. Weitaus die meisten haben
es mit der kirchlichen Praxis zu tun. In dieser größten
Gruppe wieder stehen im Vordergrund Beiträge zur
Liturgik. Die Grundsätze der evangelischen Liturgik;
Die liturgische Bewegung der Gegenwart in ihrer Beziehung
zur Aufgabe der Predigerseminare und in ihrer
Bedeutung für die Reform des Gottesdienstes erfahren
Besprechung. Geschichtliches findet sich nur vereinzelt
(Luther als Schöpfer des evangelischen Gottesdienstes
und Kirchenliedes). Kirchenmusikalischen Fragen sind
mehrere Beiträge gewidmet. Der Gemeindegesang, der
Choralgesang, die Kirchenchöre, die Vorbildung der
Kirchenmusiker finden Behandlung. Der Kirchenfrage
gilt ein Aufsatz „Vereinskirche oder Volkskirche", der
sich für die Volkskirche entscheidet. Mit der Predigt
beschäftigen sich zwei Stücke: Die Predigt als Zeugnis
und in ihrem Verhältnis zur religiösen Volkskunde. Auch
Innere Mission und Diasporapflege sind berücksichtigt.
Es handelt sich teils um Vorträge, teils um Aufsätze
aus Zeitschriften. Die einzelnen Stücke stammen aus
sehr verschiedenen Zeiten; die ältesten aus der Zeit um
1900; die weit überwiegende Anzahl ist später entstanden
, nicht wenige in den letzten Jahren. Der Aufsatz
über die Predigt als Zeugnis erschien zuerst in der
Reinhold-Seeberg-Festschrift 1929, ein Stück über
Diasporapflege und Innere Mission in der Rendtorff-
Festschrift 1930. Alle Stücke sind im wesentlichen so
wiedergegeben, wie sie damals gedruckt sind. Es sind
aber durchaus nur solche ausgesucht, die nach ihrem
Gegenstand wie nach ihrer ganzen Haltung nicht an
eine bestimmte geschichtliche Situation gebunden sind,
sodaß sämtliche Aufsätze auch in der theologischen und
kirchlichen Lage der Gegenwart eine Aufgabe haben.
Gennrichs theologische Art ist bekannt. Sie bewährt
sich auch in diesem Sammelband. Ihm sind eigen gründliches
Eindringen, sorgfältige Beachtung aller Umstände,
große Gerechtigkeit nach allen Seiten hin, feinsinniges
Verständnis für die Fragen der Praxis. Nicht Kritik
steht im Vordergrund, obwohl es an selbständigem Urteil
auch im Verhältnis zu den Fragen der Gegenwart
nicht im mindesten fehlt. Überall waltet die Absicht
vor, die Strömungen der Gegenwart zu verstehen und
in die rechten Bahnen zu lenken. Auf dem geschichtlich
Gegebenen baut G. immer auf, auch wo er nicht eigentlich
Geschichte bietet. Aber das Gegebene hat nicht
das letzte Wort. So wird dieser Sammelband als Zeugnis
einer „Tätigkeit, die stets mit gleicher Liebe die
theologische Wissenschaft wie das praktisch-kirchliche
Handeln umfaßte", vielen nicht bloß um des Verfassers
willen, für den diese Aufsätze ein großes Stück Lebensarbeit
bedeuten, sondern auch um der Sache willen
wertvolle Dienste leisten. Der Fachmann aber ist dankbar
dafür, daß er weit Verstreutes so schön gesammelt
findet.

Breslau. M. Sch i an.

Biundo, Pfr. Georg: Pfälzisches Pfarrer- und Schulmeisterbuch
. Im Auftr. d. Prot. Landeskirchenrates d. Pfalz hrsg. Kaiserslautern
: Evang. Verein f. d. Pfalz 1930. (XII, 767 S.) gr. 8°. =
Geschichte d. protestantischen Kirche d. Pfalz, hrsg. im Auftr. d.
Prot. Landeskirchenrates d. Pfalz. I. Bd. Palatina sacra I.

RM 20- ; geb. 25-.
Vor 45 Jahren hatte Pfarrer Theodor G ü m b e 1
eine Geschichte der Kirche der Pfalz herausgegeben.
Mit Bienenfleiß war alles zusammengetragen, was hier
einschlug, besonders der Inhalt der Pfälzischen Pfarrbeschreibungen
— für jene Zeit eine dankenswerte
Leistung. IDoch fehlte diesem Werke die kritische Sichtung
des Stoffes und die systematische Ausschöpfung
aller nicht-pfälzischen Quellen. Sind doch erst in den
letzten Jahrzehnten auch neue Quellen aufgeschlossen
worden. So hat sich denn im Auftrage seiner Kirchenbehörde
Pfarrer Biundo, der verdiente Schriftleiter
der Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte, daran gemacht
, das Ziel, das sich Gümbel einst gesteckt hatte,
in einem ganz neuen Werk zu verwirklichen, das den
Forderungen der historischen Forschung in der Gegenwart
entspricht. Dieser seiner ersten großen Veröffentlichung
kamen seine eingehenden Forschungen auf dem
Gebiete der Lokalgeschichte zu gute. Außer den wichtigen
Archiven auf Pfälzer Boden (besonders 'in Zweibrücken
und Speyer) wurde von ihm auch das Hauptstaatsarchiv
in München und das Generallandesarchiv
in Karlsruhe durchgesehen. Genaueren Aufschluß über
die benutzten Quellen gibt S. VIII—XL

Die Palatina sacra ist auf 3 Bände berechnet. Auf
den 1. vorliegenden Band, der ein Verzeichnis aller
Pfälzer protestantischen Pfarrer der Vergangenheit und

I Gegenwart enthält, soll ein 2. Band folgen, der „die Geschichte
der protestantischen Pfarreien der Pfalz unter

, Zugrundelegung des Territorialbestandes von 1789" behandelt
. Erst nachdem in diesen beiden Bänden alles
ortsgeschichtliche Tatsachenmaterial bequem dargeboten

! ist, soll sich auf diesem festen Fundament als krönen-

i des Schlußstück „eine eigentliche zusammenfassende Kirchengeschichte
der Pfalz" erheben.

Der 1. Band, der bis jetzt vorliegt, trägt den Titel
„Pfarrer- und Schulmeisterbuch". Unter „Schulmeister"