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Ausgabe:

1931 Nr. 17

Spalte:

397-398

Autor/Hrsg.:

Hellpach, Willy

Titel/Untertitel:

Zwischen Wittenberg und Rom 1931

Rezensent:

Schian, Martin

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Seite 1

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397

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 17.

398

»Die religiöse Erfahrung in ihrer Mannigfaltigkeit" bedeutet
in keiner Weise eine Übertragung „amerikanischer
Methoden" nach Deutschland. Vgl. die Vorreden zur
D u. 2. Auflage, sowie das oben schon genannte Heft 22
des Abderhaldenschen Sammelwerkes.

__Oöttingen._O. Wobbermin.

Hellpach, Willy: Zwischen Wittenberg und Rom. Eine

Pantheodizee z. Revision der Reformation. Berlin: S. Fischer 1931.

(539 S.) 8°. RM 9-; geb. 12

wenn er gegen die Kirche an sich polemisiert. „Wer
Kirche will, der ist schon katholisch. Es gibt wirklich
nur eine katholische Kirche, ob sie auch heute noch
römisch, morgenländisch oder anglikanisch heißt" (S.
450). Die ungeheure Abneigung gegen Kirche, die auch
dadurch nicht gemildert wird, daß er feststellen muß,
daß die Lutherkirche rüstig daran geht, ihre jahrhundertelangen
Mißgriffe zu begreifen und daß sie sich
in einer neuen Welt auf neue Art einrichtet, ist typisch

9 s > 8"- „ . „ . . .„""".,! u'~T"i1! für €ine bestimmte protestantische Einstellung".Das

Wir begrüßen es, daß ein im öffentlichen Leben , Wort Kirche ^ verechwinden. Wir so„en n £ ^

stehender Gelehrter und Politiker, wie Hellpach aus- ; Evangelienvolk" reden, von der „Landsgemeinde" von

führlich seine Meinung zu den re .g.osen und karch- , ^ ;)Weltgerrieinde". Charakteristisch ist, daß bis auf

liehen Fragen der Zeit sagt H. ghedert in 5. Haupt- | kurze' Bemerkungen H. von der Gemeinde im Prote-

stucke, die er als Logos, Eros, Ethos Pathos und stantismus nichts wissen wi„ Er red€t von ihr milracht.

Mythos unterscheidet: eine etwas ^"sthehe Bezeich- |kh aU yon der „Ortskirche". Er will zwar Xß die

nungsweise. Wichtiger sind^ die sachlicheni Uberschnt- , Kj h dag Evangelium mit dem aIigemeinen Priester.

ten: Gott und Welt; Fleisch und^Sunde^ Du^und+ ichj | ^ ernst nehme?g sol, Aber er brinft zwischen dfeser

Dienst und Feier; Tod und Jenseits. Die Hauptstucke
sind wieder durch herausgehobene Überschriften gegliedert
, die reichlich willkürlich gewählt sind; eine wirklich
scharfe Abgrenzung bedeuten sie nicht. Die .Fülle

Forderung und der Kirchengemeinde keine Verbindung
zustande. Im übrigen ist ihm die kirchliche Praxis
anscheinend sehr interessant. Er widmet der protestantischen
Predigt eine fast vernichtende Kritik. Zum

von Gedanken, die der starke Band bringt läßt sich in Gottesdienst macht er viele Reformvorschläge: der Got-
einer kurzen Besprechung unmöglich wiedergeben, ts , tesdienst soll wieder Opferfeier werden. Er will das

kommt fast jede Frage des christlichen Glaubens und
der kirchlichen Praxis, abgesehen von den geschichtlichen
Gegenständen, irgendwie einmal vor. Fast
"wünschte man, daß ein Register beigegeben wäre. Aber
das würde dem sehr unsystematischen Charakter des
Buches nicht entsprechen. Es handelt sich für H., kurz
gesagt, um eine „Revision der Reformation"; und zwar
will er die Lehre der Kirche wie ihre Praxis revidiert
sehen. In der Lehrfrage will er auf einen „Vergleich"
zwischen Monotheismus und Pantheismus hinaus. Den
Pantheismus, der Gott als Weltseele bezeichnet, lehnt
er freilich nachdrücklich ab. Die Welt ist ein Glied
Gottes, nicht aber ist Gott die Seele der Welt. Von hier
aus würde allerdings eine sehr eingreifende Revision
der christlichen Grundanschauung notwendig werden,
die H. wunderlicherweise als „Revision der Offenbarung
" bezeichnet (S. 119). Von wem soll die Revision
ausgehen? Vielleicht von der römischen Kirche?
Es könnte ja sein, daß ein späteres Kirchenoberhaupt
in Rom eine neue, zeitgemäße Auslegung des Wortes
„Person" („persönlicher" Gott) gibt. Aber von der
Verwirklichung dieser Möglichkeit sind wir fern. So
wird die Revision doch von Wittenberg zu führen sein,
weil in keinem der Bekenntnisse des Christentums die
lebendige Glaubensinnigkeit und Glaubenswärme so
unbedingt im Mittelpunkt des religiösen Lebens steht
wie im lutherischen. Rein menschlich ist das Luthertum
die größte der drei Christentumsformen. Das bedeutet
aber für H. nicht etwa ein endgültiges Bekenntnis zur
lutherischen Konfession. Er strebt vielmehr über die
Konfessionen hinaus, einer „Pantheologie" zu. Dies
Streben zu einer höheren allchristlichen Einheit hin bewährt
H. auch in dem 2. Abschnitt über Fleisch und
Sünde und in dem 3. Hauptstück „Du und ich". Auch
in diesem Hauptstück, das im übrigen interessante und
beachtenswerte Ausführungen über Pelagius und Erasmus
, über Gnade und Sittlichkeit enthält, tritt H. für
die Reinigung des Christentums von der Vergottung des
Menschen ebenso wie von der Vermenschlichung Gottes
ein. Den Katholizismus versteht er aus seinen ethischen
Tendenzen. Er rühmt die pädagogische Überlegenheit

Kirchenjahr umgestalten, den Kartag auf den Sonnabend
legen, die zweite Hälfte des Kirchenjahrs zu
einem „Allchristenhalbjahr" gestalten. Radikale Reformvorschläge
, die stark den Studierstubencharakter an sich
tragen. Das letzte Hauptstück beschäftigt sich mit Tod
und Jenseits. Der Jenseitsglaube, dem er in seiner
überkommenen Form mit kräftiger Kritik zu Leibe geht,
befindet sich doch keineswegs im Absterben. Dasein,
Werden und Vergehen der Menschenseele sei Gliedwandel
an Gott, freilich zu Gott hin; er führt den pantheologischen
Begriff des „Theotropismus" ein. Auch
Gott geht einen Weg, das Dasein Gottes ist ein unermeßlicher
Selbstwandlungsprozeß. — Diese Bemerkungen
vermögen nur ein unvollkommenes Bild von
der Fülle der Gedanken und von der Eigenart der Anschauungen
, die H. vertritt, zu geben. Er steht in der
Tat zwischen Wittenberg und Rom. Vielleicht ist das
„zwischen" noch richtiger, als es ein „über" sein würde.
Freilich, mit Rom lassen sich seine Auffassungen in
gar keiner Weise vereinigen. Möglich sind sie überhaupt
nur innerhalb des Protestantismus. Aber auch
der Protestantismus muß gerade die grundlegenden Gedanken
um seiner Christlichkeit willen ablehnen. Er
kann keine Pantheologie wollen, sondern er muß eine
Theologie aus dem Evangelium vertreten. Soviel wir
daher auch für allerhand Anregungen zu neuem, prüfendem
Nachdenken H. Dank schulden, wir werden uns
von ihm nicht von dem Felde, das Evangelium heißt,
herunterführen lassen dürfen.

Breslau. M. S c h i a n.

IZoellner:] Credo ecclesiam. Festgabe zum 70. Geburtstag
des hochwii'rdigsten Herrn Gencralsuperintendenten d. evangel. Kirche
in Westfalen am 30. Jan. 1930. D. Wilhelm Zoellner. Im Auftr.
d Kampfbundes christl. Arbeiter u. in Verb. m. Joh. Müller-
Schwefe hrsg. v. Hans Ehrenberg. Gütersloh : C. Bertelsmann
1930. (XVI, 415 S.) gr. 8°. RM 16-; geb. 18-.

In einer großen Zahl von Beiträgen namhafter
Kirchenmänner werden aktuelle Probleme erörtert, die
alle irgendwie um den Begriff der Kirche kreisen. Das
Buch ist in drei Teile gegliedert: I. Historische
der'kaFhoi'isdien' Ethik "(S. 305>?> "ab. etwas » j 0,..?.UJ.«! der ■* Au,säte„ über

erhört Großes an der Kirche des Petrus, daß sie in den den Kirchenbegriff der Reformationszeit und der Bibel-
heiligen Gestalten die praktische Liebe, das Höchste an II. Praktische Du r c h f ü hr u n g der Ekklesiologie'
irdischer Gottesnähe, immer wieder vor den schlichten Diakonie, Innere Mission, Kirche und Gesellschaft Prel
Menschen hinstellt. Auf der anderen Seite weiß er j digt und Hirtenamt usw.; III. Theoretische' Be-
auch die religiöse Wucht des Protestantismus und ge- j Währung der Ekklesiologie, die Kirche und die Völ-
rade Luthers zu würdigen. Von besonderem Interesse ' ker, Kirche und Kirchen, das Königtum Christi usw —
ist das 4. Hauptstück „Dienst und Feier". Hier zeigt i Die Absicht dieses Buches ist nach Äußerung des Hersich
H. als entschiedenen Protestanten, wenn er den j ausgebers, angesichts einer säkularisierten Welt (dies der
katholischen Kirchenbegriff und Kirchenanspruch mit j Unterschied gegenüber dem Reformationszeitalter) das
aller Schärfe ablehnt, aber ebenso als Überprotestanten, Wesen und die Aufgabe der Kirche neu herauszustellen