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Ausgabe:

1931 Nr. 1

Spalte:

382

Titel/Untertitel:

Philosophie der Gemeinschaft 1931

Rezensent:

Heinzelmann, Gerhard

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Seite 1

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381

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 15/16.

382

deutung des Staates anerkennen, aber zugleich betonen, j Krueger, Prof. Dr. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. H. Felix.- Philosophie der
daß die Snannune- zwischen den inner weltlichen Zwecken , Gemeinschaft. 7 Vortr., geh. auf d. Tagung d. Deutschen Philos.

der unaufhebbare Notstand der Christen bleibt, aus dem
sich auch die von G. beklagte politische Indifferenz des
Luthertums erklärt (S. 20). Bei G. sind Kirche und

haupt 1920. (168 S.) gr. 8°. = Sonderhefte d. Dtschen. Philosophischen
Gesellsch., 2. RM 7.50.
Es war ein glücklicher Griff, daß die Philos. Gesellschaft
für ihre 10. Tagung (Leipz. 1928) als Sam-

Glauben Mittel für die Zwecke des Staates; nach ur- I senscnan rur mre 10. lagung (Leipz. iyz»i
sprünglich evangelischer Auffassung dagegen sind Kir- ' melthema das Problem der Gemeinschaft gewählt
che und Staat nur insofern wertvoll, als sie unmittelbar | natte- Das vorliegende Buch gibt „den Hauptinhalt
oder mittelbar den Zwecken des Glaubens dienen. Weil dessen, was (dort) gesprochen worden ist" wieder
der Staat nicht zum ursprünglichen Wesen des Menschen samt einem Rückblick auf die Tagung von F.' Krue-
.gehört, ist er notwendigerweise mit Zwang verbunden. ; ffer" Leipzig, der zeigt, daß es nicht ohne Widersoruch
Dieser Zwang ist heilsam; aber er ist in keiner Weise seitens einer bestimmten Gruppe von Jüngern" ab
in Autonomie umzudeuten. G. verkennt das, weil er in | £eg?n£eVst„Fr wurde durch den Beitrag von F r i e d r"
unevangelischer Weise die Persönlichkeit zu einer Funktion
der Gesellschaft herabwürdigt. Er hätte gerade von
Hirsch lernen sollen, daß es Glauben immer nur als
Tat des Einzelnen gibt. Deshalb kann auch von dem

Glauben einer Nation — wenn anders man damit den er Jecles fheor. Verständnis des Gemeinschaftsnroblems
rechtfertigenden Glauben meint — nicht die Rede ils ungenügend abwies, scharf gegen die autonome
sein. Der Gehorsam einer Nation gegen ihre Bestimmung
ist Selbsterhalrungs- oder Expansionstrieb, selbst
wenn er von gläubigen Führern gelenkt wird. Daß es
Staat und Recht in der Menschheit gibt, dürfen wir als
einen Beweis dafür ansehen, daß auch der gefallene
Mensch nicht satanisch ist. Aber vom Evangelium aus
erfüllt sich das Menschsein im Nationalstaat ebenso-

Delekat „Was ist und wie entsteht Gemeinschaft?"
genährt. Delekat hatte als Theologe die Aufgabe, den
Begriff der Gemeinschaft nach seiner ethischen und
religiösen Sinnhaftigkeit zu entwickeln. Er tat es, indem

wenig wie im dynastischen oder imperialistischen Staat.
Die von G. vertretene Lehre vom Nationalstaat würde

Persönlichkeit als das entscheidende Hemmnis für Gemeinschaftsbildung
polemisierte und endlich die Gemeinschaft
aus (irrationalen) Akten der Verantwortlichkeit
für den anderen (in konkreter Situation) herleitete.
D. fand damit offenbar nicht die Zustimmung der eigentlichen
Fachvertreter der Philosophie (cf. S. 153 f.). Zu
bedauern ist, daß er, statt das Problem über die onto-
logischen Fragen in die eigentliche theol. Tiefe zu
treiben, vorschnell ins Irrationale flüchtete. Das theo-

Jesu Christi überflüssig gemacht.

Münster i. V. Otto Piper.

uie von Li. verLreiciic lxu,s vym "a""l,a^T""j"Z logische Wort blieb deshalb ungesagt. Am ehesten
ja bedeuten, daß die Menscher.bereits von^ ^ch aus das €s ^ victor vQn y^eiTsäcker in sei-

Gute tun könnten. Damit aber wäre das I Uswerk gedank€nreichen Vortrag „Kranker und Arzt" an

(S. 118). Was über Hegel von Theodor Häring
Und über Leibniz von Hans Pichler vorgetragen
wurde, verrät die feinste Sachkunde berufenster Interpreten
, kann aber doch nicht verdecken, daß bei Hegel
und bei Leibniz das Entscheidende über „Gemeinschaft"
nicht zu lernen ist. Über „Gemeinschaft und Volk"
sprach lichtvoll Hans Freyer, über „Gott und
Staat" leider stark konstruierend W i 1 h. Stapel, und
über „Frühformen d. Gemeinschaft im Tierreich" an
Hand von wertvollem Tatsachenmaterial Friedr.
H e m pe 1 m a n n.

Halle. Gerh. Heinzelmann.

Anderson, Louis, F.: Die Seele und das Gewissen. Leipzig:
F. Meiner 1929. (92 S.) gr8°. RM 3—.

Der Inhalt dieser Schrift läßt sich weder in knapper
Form referieren noch kritisieren. Sie enthält nämlich
ein ganzes System der Ontologie (Axiologie), Logik,
Psychologie, Ethik in Gestalt von Definitionen und
Thesen. Bleibt also nur der Versuch einer andeutenden
Charakterisierung übrig.

In intuitivistischer Ganzheitsschau sucht der Verf.
die seelische Struktur im Zusammenhang mit den übergeistigen
Gesetzen, durch deren Befolgung sie existiert,
zu erfassen. Die Seele ist ihm eine unvergängliche und
unauflösliche „Krafteinheit", die zwischen der göttlichen
(übergeistigen) Substanz und der naturhaften zwischen-
inne steht. Ihr eignet relative Freiheit der Selbstdetermination
, zu deren Vollzug sie aber durch die übergeistigen
Gesetze befähigt wird. (In der Freiheitslehre
bleibt hier ein entscheidendes Manko, sofern die Freiheit
der Abwendung von der höheren Gesetzmäßigkeit,
die vorausgesetzt ist, ontologisch nicht eingebaut wird).

Das Gewissen muß als die Offenbarung der übergeistigen
Gesetzlichkeit in der Seele verstanden werden.
Durch Anwendung der übergeistigen Gesetze: Würde,
Wahrheit, Liebe auf die Grundkräfte der Seele (Wille,
Bewußtsein, Gefühl) unter Berücksichtigung ihrer verschiedenen
Äußerungsformen (prinzipiell, prozessiv,
effektiv) erhält der Verf. ein reiches Netz von sittlichen
Verhaltungsweisen (Demut, Freiheit, Glückseligkeit, Abhängigkeit
von der Wahrheit, Weisheit, Schlichtheit,
Opfersinn, Rechtschaffenheit, Güte usw.) „Das Gute"
ist dann „die übergeistige Frucht des Willens", der
diese Gesetze verwirklicht. Dies Gute ist nach dem
Schluß S. 91 im Wachsen. „Die Erziehung des Gewissens
in der Menschheit macht also, wenn auch nur
zögernd, Fortschritte".

Die Schrift verrät einen stark synthetisch veranlagten
idealistischen Denker, der freilich auch nicht
vor künstlichen Begriffskombinationen zurückschreckt.
Am anfechtbarsten scheint mir die vorausgesetzte Onto-

Sommerlath, Prof. D. Ernst: Sakrament und Gegenwart.

Gedanken zu Luthers Katechisnmssatzen über Taufe und Abendmahl.
Leipzig: Dörft'ling & Franke 1930. (46 S.) 8°. RM 1.50.

Wer für die neue Schätzung des Sakraments werben
will, muß die Hemmnisse in der geistigen Haltung der
Gegenwart klar ins Auge fassen. Sie liegen in dem
Subjektivismus als „Psychologismus des seelischen
Überschwangs, der das Erlebnis verabsolutiert", und
als „ungehemmtem Lebenstrieb", der das Kreuz im
Sakrament ablehnt, in dem „Denkabsolutismus" und
dem „ethischen Idealismus", der das „Geheimnis" und
das „Magische" fürchtet, in der „falsch verstandenen
Innerlichkeit", die das „äußerliche" „Gnadenmittel"
nicht achtet und sich sträubt gegen das „Sterben", in
dem „das Inwendigste heilig und neugeboren" wird,
endlich in dem Individualismus, der im Sakrament die'
Einfügung in die Gemeinschaft spürt und flieht. Wie
schwer die Würdigung des Sakraments in der Gegenwart
ist, beobachtet man an der Theologie der Krisis
die das Gericht der gegen das Sakrament sich snerr*»nl

. sperren

den „in sich selbst gegründeten Humanitas des Men
sehen" verkündet, aber „hinter das ,Ja' Luthers zur
sakramentlichen Gegenwart" doch das ,Aber' ihres
Vorbehalts setzt (31), beobachtet man auch an dem
modernen Symbolismus, der das Besondere, das Selbstsein
des Sakraments, das „keiner Naturbetrachtung Einzuordnende
" verkennt und die Heilswirklichkeit in
Gleichnis auflöst. Aber man kann daran doch auch
sehen, wie die Krise auf neue Aneignung des Sakraments
lo£ie- fierh Heinzelmann. hindrängt; und ihr will der Verf. mit seinen werbe-
Halle.---—'■--