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Ausgabe: | 1931 Nr. 1 |
Spalte: | 367-368 |
Titel/Untertitel: | Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung; 11. Bd. 1931 |
Rezensent: | Winkler, Robert |
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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 15/16.
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heit", 1930, kennt, ist dankbar für das, was er über
Rußland selbst, speziell den sog. „Rückzug Stalins"
erfährt, dann an weiteren „Dokumenten" (den „Ukas j
des provisorischen patriarchalen Synods vom 28. April i
1929" [betreffend Versöhnung der Patriarchatskirche
mit den Altgläubigen!], dann Zeitungsberichte
über die „Selbstauflösung und Neukonstituierung
der ukrainischen orthodoxen autokephalen Kirche" [es
bleibt daneben vorerst noch eine zweite „ukrainische
orthodoxe Kirche" bestehen, der Rest der von der patriarchalen
1920 abgelösten, die allzusehr bloß national
d. h. „gegenrevolutionär" in ihrer Haltung ist]) mitgeteilt
erhält.
Es gibt auch eine Rubrik „Literatur", S. 84—96,
die manches Zufällige bespricht, doch aber auch einiges
von Belang (so über Puschkin von Bernt v. Heise-
ler) enthält.
An Aufsätzen hat das Heft einen, von G. G. K u 11 -
mann, „Wo steht Gott in Rußland?", S. 1—6. Er ist
eine Entgegnung auf den Artikel von Otto Fr icke in
Heft II d.h. auf Vorhalte von Seiten unserer Barthianer;
mit einem „Vortrag" desselben beschäftigt sich unter
der Überschrift „Zur Frage der Kirche in Deutschland",
hernach S. 84—89 O. Rein hol d, der in Heft III sich |
mit einem analogen von Heinrich Frick ausein- j
andergesetzt hatte. Diese relativ kleinen Stücke sind z u
„aktuell" eingestellt, als daß hier darauf weiter einzugehen
wäre. Kuli mann redet sehr ruhig, fast zu
„überlegen". Er scheint evangelischer Deutschrusse
(Theolog?) zu sein. (Warum fügen die Herausgeber der
Hefte nie dem Namen eines der „Verfasser" eine
Andeutung über seinen Ort und seinen Beruf oder
„Titel" bei? es sind doch [noch nicht] lauter Berühmt- j
heiten!). Unter der Überschrift „Des Westens Anklage" ]
berichten N. Berdjajew (Paris) und Fritz Lieb i
über eine Schrift von Henri M a s s i s, „Defense de I
POrient" bzw. deren deutsche Übersetzung von Georg
Moenius. Die Schrift von Massis ist toll, die „Ein- j
führung" mit der Moenius sie empfiehlt, vollends.
Massis kennt nur das „lateinische" Europa (Frankreich
der leuchtende, unbedingt wertvolle Typus, als i
Katholik zieht er die römische Kirche mit heran — der
„deutsche" (ultramontane] Moenius ist einfach sein |
Adept: Deutschland muß sich — wider den Osten —
„latinisieren", romanisieren, kulturell [!] und dafür
auch kirchlich: Massis sieht „Asien" am Rhein beginnen
; Deutschland gehöre kulturell mit dahin!). Einen
sinnigen kleinen Aufsatz von Erwin Reisner, I
„Bibelkritik und Glaube" S. 37—45 erwähne ich gern,
umsomehr als der Verfasser, wie mir scheint, nicht Theologe
ist, d. h. „laienhaft" redet. Sehr i n te r e s s a n t ist
der Aufsatz von G. Florowskij „Die Sackgassen der
Romantik", nämlich bei dem russischen Revolutionär i
Alexander Herzen (1812— 1870) und Konstantin Le- j
ontjew; neben und über ihnen als Retter aus den
„Sackgassen", (d. h. dem bloßen Ästhetizismus und Indi- i
vidualismus [in sehnender Art]), stehe Dostojews-
k i j, den Fl. mit charakterisiert. Das ist eine feine
Studie, ein Schmuck für das „Heft". Folgt noch, S.
45—63, die „Hälfte der großen Dichtung" des Wences-
las Iwanow: „Tantalos" (natürlich deutsch, von Hen-
ry von H e i s e 1 e r — zu unterscheiden von Bernt
von Heiseler, dem „außerordentlichen Deutsch-Russen", I
wie P. Schütz ihn in kurzer Charakteristik, S. 89/90
einführt, und der hernach mit einigen „Literatur"-
anzeigen selbst zu Worte kommt).
Halle. F. Kattenbusch.
Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung.
In Gemeinschaft m. O. Becker, M. Geiger, M. Heidegger u. A. |
Pfänder hrsg. v. Edmund Husserl. 11. Bd. Haile a. S.: M. Nie- j
meyer 1930. (IX, 570 S.) gr. 8°. RM 28-; geb. 36—.
Der vorliegende Band bringt wieder einige instruk- j
tive Proben phänomenologischer Einzelanalyse, von ■
denen sich die ersten drei um das Problem der Unwirk- [
lkhkeit bemühen.
1. H. Spiegelberg (München): Über das Wesen
der Idee. Der Verf. kommt in dieser ontologischen
Untersuchung auf Grund umfangreicher Analysen, in
denen er seine phänomenologische Schulung vor allem
durch Aufdeckung zahlreicher Äquivokationen erweist, zu
dem Resultat, daß es die für die Idee wesentlichste
Eigentümlichkeit ist, daß jede in ihrer Art einzig ist.
Sie läßt sich daher nicht durch Akte unanschaulichen
Meinens oder durch bloßes Denken erfassen.
2. E. Fink (Freiburg i. Br.): Vergegenwärtigung
und Bild. Dieser erste Teil von „Beiträgen zur Phänomenologie
der Unwirklichkeit" behandelt die „aktin-
tentionale Auslegung" von Vergegenwärtigungs- (Wiedererinnerung
usw.) und Bildbewußtsein, denen die
eigentlich-phänomenologische Analyse der Konstituen-
tien dieser Einstellungen in einem zweiten Teil folgen
soll. Die im engsten Anschluß an Husserl erfolgende
Scheidung von Vergegenwärtigungs- und Bildbewußtsein
gibt dem V. Gelegenheit zu einer Fülle feinster
Beobachtungen, für die vor allem durch Aufdeckung
von Äquivokationen der Blick frei wird. So wird z. B.
das „Bild" unterschieden von der durch es dargestellten
„Bildwelt". Diese Scheidung ermöglicht die
tieferliegende Einsicht, daß sich die Bildwelt in die
wirkliche Welt hinein öffnet: Das Bild ist das „Fenster
" in die Bildwelt hinein.
3. H. Mörchen (Großbadegast): Die Einbildungskraft
bei Kant. Der Hauptteil der Arbeit stellt dar, was
Kant in seiner „Anthropologie", in der „Kritik der
reinen Vernunft" (verschieden nach 1. u. 2. Aufl.) und
in der Kritik der Urteilskraft unter Einbildungskraft
verstanden und worin er ihre Funktion gesehen hat.
Die sich dabei ergebende Uneinheitlichkeit ihres Verständnisses
durch Kant führt der V. darauf zurück, daß
Kant mit diesem Begriff neue philosophische Horizonte
zu erschließen im Begriffe war, dabei aber durch das
traditionelle Verständnis dieses Begriffes behindert
wurde. Der tiefste Gedanke Kants sei, daß das Bilden
der Einbildungskraft nicht ontisches Setzen von
Seiendem ist, sondern dasjenige, was überhaupt erst die
Entdecktheit von Seiendem a 1 s Seiendem, d. h. die Er-
schlossenheit von Sein ermöglicht (S. 491). Von hier
aus erhält das Kantische Phänomen der Einbildungskraft
seine Einheitlichkeit dadurch, daß es den Horizont
für das Problem der „ontologischen Wahrheit"
des Daseins eröffnet. Die kantische These von der Einbildungskraft
als „einem Ingredienz der Wahrnehmung"
ist ein Ausdruck dafür, wie das Ontische sich auf ein
„Unwirkliches" gründet.
4. O. Becker (Freiburg i. Br.) bringt unter dem
Titel: Zur Logik der Modalitäten einen Beitrag zur
Logik der Mathematik.
5. E. Husserl (Freiburg i. Br.): Nachwort zu meinen
„Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen
Philosophie". Vergl. die besondere Besprechung
.
Heidelberg. Robert Winkler.
Husserl, Edmund: Nachwort zu meinen „Ideen zu einer
reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie
". Halle a. S.: M. Niemeyer 1930. (II, S. 549-570) gr. 8°.
= Sonderdr. a. Jahrbuch f. Philos. u. phänomenolog. Forschg.
Bd. 11. RM 1.50.
Dieser Sonderdruck aus dem „Jahrbuch für Philosophie
und phänomenologische Forschung" Bd. XI
(1930) gibt im wesentlichen den Text der Ausführungen
wieder, die H. der englischen Ausgabe seiner
„Ideen" als Vorwort beigegeben hat. Der Verf. tritt
darin den vielfachen Mißverständnissen entgegen, denen
seine Art zu philosophieren infolge der von ihr geforderten
transzendental-phänomenologischen Umschaltung des
Bewußtseins in besonderem Maß ausgesetzt ist. Hervorzuheben
ist die Klarheit, mit der er dabei das Eigenwesen
der Philosophie gegen die positiven Einzelwissenschaften
, die „nicht letzte, absolute, sich aus letzten Erkenntnisgründen
rechtfertigende Wissenschaften" sind,