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Ausgabe:

1931 Nr. 1

Spalte:

363-365

Autor/Hrsg.:

Brilioth, Yngve

Titel/Untertitel:

Eucharistic faith & practice 1931

Rezensent:

Goetz, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 15/16.

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es an warmer Zuneigung für seinen Helden fehlen
ließe oder jede Äußerung derselben peinlich unterdrückte.
Etwas bedenklich scheint sie sich mir nur da auszuwirken
, wo er dem ziemlich verunglückten — ich kann
es nun einmal nicht anders sehen — „Johannesevangelium
" beispringt mit Urteilen über die Genialität seines
Ergebnisses (S. 95. 101). Vielmehr ist gerade dieses
Buch ein deutlicher Beweis dafür, daß Ov., sobald er
selbst einen großen Wurf versucht, statt Arbeitspläne
für andere Leute aufzustellen und deren Leistungen
geistreich und absprechend am Ideal zu messen, eben
auch dort landet, wo alle Arbeiter auf dem schwierigen
Gebiet der urchristlichen Geschichte — nicht nur die
„Theologen" — notgedrungen ankommen, nämlich bei
Vermutungen und Vorschlägen, die für die Mitforscher
sehr viel weniger beweisend sind, als für die Erzeuger.
Es bleibt eine Selbsttäuschung, zu meinen, daß sie dadurch
richtiger werden, daß sie sich in die Form sicherer
Behauptungen und zweifelsfreier Ergebnisse kleiden.
Auch etwas ganz Neues sagen, bedeutet noch lange
nicht, das Zutreffende vorbringen.

Ich scheide von N.s Lebensbild mit dem schmerzlichen
Bedauern, daß Ov., der berufen war, im ersten
Gliede der Wissenschaft zu marschieren, sich selbst in
so hohem Maße ausgeschaltet hat. Wir würden ihn
gern von der ihm so unangenehmen Bezeichnung „Theologe
" befreien, wenn er sich nur in umfassenderer
Weise als Forscher hätte bewähren wollen.
Göttingen. W. Bauer.

Brilioth, Yngve: Eucharistie faith and practice Evangeiicai
and Catholic. Authorised translation by A. G. Hebert. London:
S. P. C. K. [1930]. (XVI, 295 S.) 8°. geb. 12 sh. 6 d.

Der in der deutschen Gelehrtenwelt besonders durch
sein ebenfalls ins Englische übersetzte Buch über die
anglikanische Erweckungsbewegung gut bekannte Verfasser
, Professor der Theologie an der Universität Lund.
hat in seiner schwedischen Muttersprache schon 1926
ein umfängliches Werk über evangelischen und katholischen
Abendmahlsglauben und die entsprechende
Abendmahlspraxis erscheinen lassen, das in A. G. Hebert
, Magister of Arts, einen verständnisvollen Übersetzer
ins Englische gefunden hat. Dadurch ist das
Buch auch uns in Deutschland zugänglicher geworden.
Das schwedische Original umfaßt im Text noch 200
Seiten mehr als die englische Übersetzung. Die hier
eingetretene Verkürzung betrifft vor allem das im
Original sehr umfängliche Kapitel über die schwedische
Kirche. Aber es wäre doch wünschenswert, wenn bei
unserm heute wieder im Wachsen begriffenen Interesse
für das nordische Luthertum jene Studie über Schweden
uns im Deutschen zugänglich gemacht werden
könnte. Vielleicht findet sich ein congenialer Übersetzer.

In sieben Kapiteln, denen noch eine Zusammenfassung folgt, wird
der umfängliche Stoff behandelt, wobei die gründliche Beherrschung
aller einschlägigen Literatur aus Deutschland, England und Schweden
von dem immensen Fleiß des Verfassers zeugt. Den Ausgangspunkt
bildet eine kurze Besprechung der neutest am entlichen Grundlage
, wobei die beiden Fragen erörtert werden, ob das Abendmahl von
Jesus neu begründet wurde oder als eine Fortsetzung des jüdischen
Kiddüsch zu betrachten ist, und ob man eine bestimmte Lehre vom
Abendmahl als normativ für alle Zeiten aus der Schrift ableiten kann.
Die letztere Frage wird verneint, die erstere dahin beantwortet: „es
muß unserm Glauben genügen zu wissen, daß dieses Mahl von Anfang j
an im Mittelpunkt des geistigen Lebens stand, das seinen Ausgangspunkt
in Jesus selbst hatte."

Wenn liturgische Formen sich frei entfalten dürfen, so offenbaren
sie das ihnen zugrunde liegende religiöse Leben deutlicher, als feste
Sätze der Glaubenslehre das tun. Unter diesem Gesichtspunkt wird im
zweiten Kapitel das Abendmahl in der Kirche der Frühzeit
behandelt. Die Danksagung über den Elementen (Eucharistie) wird vom
2. Jahrhundert an der reguläre Name für die ganze Feier, vielleicht in
Anlehnung an den Gebrauch des hellenischen Judaismus, während schon
vom 3. Jahrhundert an dieser Name sich auf die Dankgebete bei der
Feier beschränkt, die selber unter andere Gesichtspunkte gestellt wird, j
namentlich unter den des Opfers. Der Unterschied von heidnischen j
Mysterien wird vor allem durch Betonung des historischen Momentes !
gewahrt, indem es sich im Christentum um die Erinnerung an geschieht- j

liehe Tatsachen eines menschlichen Lebens handelt, zumal um sein Leiden
und Sterben. Zwar begünstigen die Einsetzungsworte die Opferidee,
doch da die erste Kirche kein anderes Opfer kennt als das des Lobes
und des Gebets, bleibt die Abendmahlsfeier ein dramatischer Akt der
Erinnerung und des Dankes für seine Hingabe am Kreuz und zugleich
der Vereinigung mit ihm. Insofern ist die Feier ein Mysterium, allerdings
anders als die heidnischen Mysterien: Geschichte und Mythe
machen auch hier den Unterschied. Gleichwohl wurde in der nach-
constantinischen Zeit der Einfluß der heidnischen Mysterien immer stärker
in der Kirche und führte zu einer Materialisierung und Verheidnischung
des christlichen Glaubens.

In der Kirche des Mittelalters, der das dritte Kapitel gilt,
kämpfen die fortgesetzten Versuche der Theologen, eine geistige Auffassung
zu finden und durchzusetzen, mit dem öden Materialismus der
Popularreligion, der gerade bei den jungen germanischen Völkern mit
| ihrem ungeschulten Denken eine breite Stätte gefunden hat. Am meisten
wurde die sakramentale Frömmigkeit des Mittelalters bestimmt durch die
römische Messe mit ihren Gedanken des Mysteriums und des Opfers,
letzteres auch jenseits des Grabes noch wirksam, jenes gipfelnd in dem
Gedanken der göttlichen Gegenwart am Altar. Die strenge Forderung
moralischer Geeignetheit für den Empfang der Kommunion war vielleicht
der wichtigste Beitrag dieser Periode zur Gestaltung der eucharistischen
Lehre und Praxis.

Wenn der englische Übersetzer in seiner Vorrede bemerkt: „Wir
in der Kirche von England hätten es nötig, Luther gründlicher und
unbefangener zu studieren als bisher", so ist der Verfasser in dem vierten
Kapitel seines Buches, das darin den größten Raum einnimmt (abgesehen
von der erwähnten Behandlung der schwedischen Kirche im Original
), diesem Wunsche bereits entgegengekommen. In der Idee der
Gemeinschaft, mit Gott und mit dem Nächsten, sieht er den größten
positiven Beitrag der Reformation zur Lehre vom Abendmahl, jedoch
urteilt er, daß Luther sich dem Gewicht der herkömmlichen Feier nicht
zu entziehen vermocht habe. In liturgischer Hinsicht jedenfalls zeigt
die lutherische Reformation wenig schöpferische Kraft, was wohl mit
daran liegt, daß die reichen Liturgien des Ostens und die gallikanischen
Vorbilder unbekannt geblieben sind. Hier harre ein Hauptproblem des
lutherischen Ritus noch der Lösung. Die Bindung der Gegenwart Christi
an die Elemente des Abendmahls wird als die größte Fehlentwicklung
der lutherischen Auslegung beurteilt. Erst durch die Erfahrung anderer
christlicher Gemeinschaften werde die lutherische Theologie es erreichen,
einen sachgemäßen Ausdruck zu finden für die geistigen Wirklichkeiten,
die Luther erhalten wollte. Wenn der Verfasser urteilt, Deutschland
dürfe nicht den Anspruch erheben, für alle Zeiten maßgebend zu sein
für das, was Luthertum heiße, und im Vergleich dazu auf Schweden und
Dänemark verweist, so macht solch unzutreffende Behauptung uns stutzig.
Wenn er aber dann die Abendmahlsfeier in die zentrale Stelle des
Gottesdienstes rücken und zu einer liturgischen Erneuerung die hochkirchliche
Bewegung empfehlen will, so melden wir unsern bestimmten
Widerspruch an, da solcher Sakramentalismus ein Rückschritt hinter die
religiösen Errungenschaften der Reformation wäre.

Daß der lutherische Verfasser gleichwohl keineswegs einseitig urteilt,
beweist seine Mahnung in dem der reformierten Überlieferung
gewidmeten fünften Kapitel, an Zwingli nicht nur das Negative zu sehen.
Es liegt an dessen mehr rationalem Gottesbegriff, daß kein Raum bleibt
für das Element des Mysteriums, daß vielmehr der Gedanke des Gedächtnisses
in den Mittelpunkt der Abendmahlsfeier tritt, während Calvin
einen Mittelweg sucht zwischen intellektueller Klarheit und religiösem
Interesse. Seine magere Liturgie sei nur ein ungenügender Ausdruck
der geistigen Tiefe seiner Lehre.

Aber nirgends klafft der Dualismus zwischen Lehre und Praxis so,
wie in der sowohl vom Humanismus wie von der Reformation her bestimmten
anglikanischen Kirche. Mit ihr beschäftigt sich das
sechste Kapitel. Aufgrund mittelalterlicher Tradition einerseits und eines
gemäßigten Calvinismus andererseits bildete sich ein spezifisch anglikanischer
eucharistischer Typus, der über reiche liturgische Schätze verfügt.
Der ganze Ritus ist erfüllt von Anbetung und Gottesfurcht. Eine von
römischen Einflüssen durchsetzte Erweckung sakramentaler Frömmigkeit
stellt sich in jener großen Bewegung dar, die Brilioth in seinem eingangs
erwähnten Buche schildert, ihr Erbe hat die heutige anglokatho-
lische Bewegung angetreten. Ob deren Auffassung sich durchsetzen
wird, darum geht zur Zeit in der Kirche von England der Kampf.

Das letzte Kapitel ist der schwedischen Kirche gewidmet,
der der Verfasser ja selber angehört. In großen Strichen wird ein
Überblick geboten über die Sakramentsauffassung und das dortige sakramentale
Leben von den Zeiten des Mittelalters an. Der konservative
Charakter zumal der Landbevölkerung gestattete nur eine langsame Aufnahme
neuer liturgischer Formen, wie sie durch die Reformation bedingt
waren. Olaus Petri führte 1531 die erste Abendmahlsfeier in
schwedischer Sprache ein, die sich in ihrem liturgischen Aufbau an ein
Nürnberger Vorbild anschloß, das wegen des durchgängigen Gebrauchs
! der Landessprache ihm das allein zusagende erschien. Die heute dort
| übliche Liturgie unterscheidet sich nicht viel von der des 16. Jahr-
: hunderts. Auch Schweden hatte unter Johann HL seine liturgische Be-
I Regung, die zu vielen Streitigkeiten führte, weil die Formulare eine