Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1931 Nr. 1

Spalte:

351-355

Autor/Hrsg.:

Poschmann, Bernhard

Titel/Untertitel:

Die abendländische Kirchenbuße im frühen Mittelalter 1931

Rezensent:

Koch, Hugo

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

351

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 15/16.

352

oder einer Wanne an. Aus neuester Zeit finden sich einige
spielerische Abarten mit Engelgestalten oder symbolischen
Figuren, die die Taufschale halten.

Nicht nur hinsichtlich der äußeren Form, sondern
auch in der Ornamentik findet eine fortschreitende
Entwicklung statt. Alte keltische Verzierung wird
abgelöst durch klassische Muster; Bänder und Schnörkel
weichen figürlichen Darstellungen aus dem Leben des
Herrn oder der Heiligen. Auch Tiergestalten, wie die
Schlange, der Fisch, der Salamander oder die Embleme
der vier Evangelisten, sowie Gestalten des Tierkreises
und menschliche Köpfe dienen als Ornamentik. In der
normannischen Zeit überwiegen eingemeißelte Bogengänge
auf Säulen, nach Art von Tauen verschlungene
Ornamente sowie Zickzackornamente, Buckel, Nägelköpfe
, Sterne, auch Gitterwerk und Auszackungen. Der
frühenglische Stil, etwa von 1175—1275, gestaltet das
Bisherige weiter aus, wobei das sogenannte Zahn-Ornament
eine bezeichnende Rolle spielt. Eine weitere Periode
bildet das figürliche Schmuckwerk bis zu großer
Reichhaltigkeit aus und schreckt sogar vor der Darstellung
rein weltlicher Szenen, wie Jagdbildern mit
Jägern und Hunden, nicht zurück. Auch die Formen
gotischer Kirchenfenster finden sich auf den Seitenflächen
von Taufsteinen, die sich damit in den Gesamtstil
der Kirche in leicht erkennbarer Weise einfügen.
Der sogenannte perpendikulare Stil, der mit Ende des
14. Jahrhunderts platzgreift, führt die rechtwinklige
Füllung auf den Seitenflächen der Taufsteine ein, die
natürlich auch wieder zu reichster ornamentaler Ausgestaltung
Gelegenheit bietet. Daneben unterscheidet man
noch eine Reihe besonderer Gruppen, die ihre unterschiedlichen
Merkmale an sich tragen.

Auch hinsichtlich des Materials finden charakteristische
Unterschiede statt. Neben Marmor, Serpentine
und andern edlen Steinarten findet man auch Backsteine
und andere künstliche Steinsorten, ebenfalls Holz, von
denen aber wegen der Vergänglichkeit des Materials nur
ganz vereinzelte Stücke erhalten sind, sowie von Metallen
Blei und Messing, in einer ganz vereinzelten Form
aus neuerer Zeit auch einmal Eisen.

Weitere unterschiedliche Merkmale sind durch die
Inschriften gegeben, die teils auf die Entstehung
des Taufsteins hinweisen, teils Gebete oder lehrhafte
und auf die Taufe bezügliche Ausführungen, auch in
Form von Bibelstellen, enthalten.

Eine Fülle emsiger Forscherarbeit ist in diesem
Buche niedergelegt, das ein wertvoller Beitrag ist zur
Kenntnis der Geschichte auf diesem Sondergebiet. Auch
der kontinentale Gelehrte wird reiche Anregung aus ihm
schöpfen.

Dortmund. H. Ooetz.

Poschmann, Prof. Dr. Bernhard: Die abendländische Kirchen-

bufle im frühen Mittelalter. Breslau: Müller & Seiffert 1930.

(VII, 244 S.) gr. 8°. = Breslauer Studien zur histor. Theologie, hrsg.

v. F. X. Seppelt, F. Maier u. B. Altaner, Bd. XVI. RM 12—.

Vorliegendes Buch Poschmanns ist die in Aussicht
gestellte Fortsetzung zu seinem Werke über die
abendländische Kirchenbuße im Ausgang des christlichen
Altertums, das ich in dieser Ztg. 1928, Sp.
494 ff. besprochen habe. War jenes als Heft 7 der
„Münchner Studien zur historischen Theologie" erschienen
, so bildet dieses den 16. Band der „Breslauer Studien
z. hist. Theol.", da der Verf. inzwischen von
Braunsberg nach Breslau berufen worden ist. Die Anlage
der Untersuchung ist dieselbe wie im früheren
Bande: auch für diese Zeit wird die kirchliche Buße
sowohl nach ihrer dogmatischen Seite wie nach ihrer
äußeren Gestaltung dargestellt. Ebenso sind die Vorzüge
Poschmannscher Forschung und Darstellung dieselben
geblieben, wie ich sie dort gerühmt habe. Als
„frühes Mittelalter" gilt im allgemeinen die Zeit etwa
von Gregor dem Gr. bis zum Beginn der Frühscholastik.
Doch werden da und dort die Linien auch bis in die Zeit

I der Hochscholastik hinein gezogen, während die dialektische
Behandlung der Buße durch die Scholastik als
einem neuen Zeitabschnitt angehörig natürlich außer
Betracht blieb.

So behandelt P. in den fünf ersten Kapiteln das
Bußwesen in der alten keltischen Kirche und in der
j angelsächsischen Kirche, seine Verpflanzung auf das
| Festland durch Columban, seine Aufnahme und Verbreitung
auf dem Festland durch die fränkischen Bußbücher
, die Gestaltung der öffentlichen und der ge-
| heimen Buße nach der karolingischen Reform. Wie das
Paenitentiale Theodori ausdrücklich hervorhebt, kennen
die keltischen Bußbücher keine öffentliche Kirchenbuße,
und darin liegt das ganz Neue gegenüber der altchrist-
| liehen Bußordnung mit ihrer einmaligen und unwieder-
! holbaren, ihre Folgen auch über die Rekonziliation
hinaus ausdehnenden öffentlichen Buße, die am Ende
des Altertums auf einem toten Punkt angelangt war.
Mit der Öffentlichkeit fällt jetzt auch die Unwiederhol-
barkeit weg, ebenso kann die neue sog. Tarifbuße
(Boudinhon: penitence tarifee) nun auch für weniger
schwere Sünden ohne Schwierigkeiten übernommen werden
. Da jedoch die Bußbücher in ihren Bestimmungen
sehr auseinandergingen und die an sich immer noch
schweren und lange dauernden Bußwerke durch die
sog. Redemptionen abgelöst oder abgekürzt werden
konnten, so griffen die karlingischen Reformsynoden
I zur alten Bußordnung zurück und forderten für öffentliche
Vergehen eine öffentliche Buße. Bei Rückfall
sollte diese nicht wiederholt, sondern durch die Privatbuße
(mit Rekonziliation) ersetzt werden. Diese Un-
j gereimtheit, die von manchen mit Unrecht schon ins
[ Altertum zurückgetragen wird, ergab sich aus dem Aus-
gleich zwischen der durch die Bußbücher verbreiteten
] Privatbuße und der alten kanonischen Bußordnung, aus
der sogar die im Abendland nie recht verstandenen
und nur achtlos aus östlichen Bestimmungen herüberge-
I nommenen Bußstufen wieder auftauchen. Ebenso hatten
die karlingischen Reformer keine Ahnung davon, daß
auch die von ihnen nicht beanstandete Privatbuße für
geheime Sünden erst den nun grundsätzlich verpönten
Bußbüchern ihr Dasein verdankte. Und wie mit diesen,
so mußten sie sich auch mit den wegen der Schwere
i der Bußstrafen unentbehrlichen Redemptionen abfinden.
! Überhaupt blieb auch fernerhin bei gewöhnlichen schwe-
| ren Sünden, selbst wenn sie öffentlich bekannt waren,
die Privatbuße die Regel, die öffentliche Buße die
Ausnahme. Auch der Grundsatz der Unwiederholbarkeit
; der öffentlichen Buße, der ja schon durch die Möglichkeit
der kirchlichen Privatbuße bei Rückfall seinen
Sinn verloren hatte, wurde mehr und mehr verlassen
und erst von der Hochscholastik wieder zu Ehren gebracht
im Begriff der paenitentia solemnis. Diese trat
bei ganz schweren, mit großem Ärgernis verbundenen
Verbrechen in Kraft und wurde unter besonderem, nur
vom Bischof zu vollziehenden Ritus am Aschermittwoch
begonnen und am Gründonnerstag mit dem Rekon-
ziliationsritus beendet.

In den Kapiteln 6—10 erörtert P. den Ritus der
j Privatbuße und der öffentlichen Buße, Bußverpflich-
I tungen und Bußformen, Beicht und Rekonziliation. Die
Bußauflagen waren immer noch sehr schwer, zum Teil
I schwerer als im Altertum. Namentlich fand die Geißelung
, die schon im Ausgang des Altertums in Gallien
j und Spanien bezeugt ist, jetzt größere Verbreitung und
I diente vielfach als Redemptionsmittel zur Abkürzung
! der Bußzeit. Von einer allgemeinen Schlaffheit der
Bußdisziplin kann man darum in der Tat nicht reden,
sonst gäbe es für die heutige Bußverwaltung überhaupt
keine Bezeichnung mehr. Sehr bedenklich war freilich
j die aus dem germanischen „Wergeid" herüberge-
| kommene Sühne durch eine Geldsumme und die durch
j Geld gewonnene Stellvertretung in der Bußleistung. Die
Beichte ging jetzt unter dem Einfluß der in der kelti-
I sehen und angelsächsischen Kirche gepflegten Kloster-