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Ausgabe:

1931 Nr. 1

Spalte:

348-349

Autor/Hrsg.:

Oppermann, Hans

Titel/Untertitel:

Plotins Leben 1931

Rezensent:

Knittermeyer, Hinrich

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 15/16.

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Himmelsstimme, die Lichterscheinung), und endlich wird
die Entstehung der Taufgeschichte untersucht. Ein Anhang
beantwortet die Frage, ob Tauf- und Versuchungsgeschichte
ursprünglich zusammenhängen, mit guten
Gründen verneinend. — In der Analyse der synoptischen
Berichte bewegt sich der Verf. wieder in der
Linie der kritischen Forschung, jedoch so, daß er es
ablehnt, in der Taufgeschichte den psychologisch auszubeutenden
Bericht eines Erlebnisses Jesu zu finden; sie
gilt ihm vielmehr als Kultlegende, entstanden auf Grund
der Vorstellung, daß die (christliche) Taufe den Geist
verleiht, und aus dem Motiv, Jesus als den Prototyp
des getauften Christen darzustellen. Besonders wertvoll
ist die Behandlung der konstitutiven Elemente. Der
ursprüngliche Sinn der Erwähnung der Taube sei
nur der, daß das Herabkommen des Geistes mit dem
Taubenflug verglichen werde. Daß gerade eine Taube
für den Vergleich gewählt ist, mag letztlich auf die
sakrale Bedeutung der Taube in orientalischen Kulten
zurückgehen, doch hat die orientalische Tauben-Mythologie
keine Bedeutung für die Taufgeschichte Jesu (so
m. E. mit Recht gegen Greßmann). Die Vorstellung,
daß Jesus in der Taufe den Geist empfangen habe,
hält der Verf. (auch m. E. mit Recht) für eine sekundäre
. Er zeigt, daß die ältere synoptische Tradition
nichts oder kaum etwas davon weiß, daß Jesus als Geistträger
gewirkt habe. (Hierzu vgl. jetzt H. Windisch in
Stud. in early christianity 1928 S. 209—236). Vom Motiv
der Geistbegabung in der Taufe unterscheidet der
Verf. mit Recht das Motiv der Himmelsstimme.
Ihr Sinn ist die Einsetzung Jesu zum Messias; deshalb
konkurriert die Taufgeschichte mit der Verklärungsgeschichte
; die Taufgeschichte stellt eine weitere Rück-
datierung dar.

Im vierten und fünften Teil werden die
Konsequenzen aus den analytischen Untersuchungen gezogen
und wird eine zusammenfassende Darstellung des
Verhältnisses Jesu zum Täufer und der Geschichte des
Täufers gegeben. Obgleich die christliche Redaktion
die Bedeutung des Täufers für Jesus stark reduziert, läßt
sich doch erkennen, daß Jesus im Anfang ein Jünger
und Mitarbeiter des Täufers gewesen ist, bis es zu jenem
Bruche kam (s. o.). Dafür freilich aus der Bezeichnung
Jesu als NuCwgalog zu argumentieren, lehnt der
Verf. ab. Jesus behält aus der Täuferpredigt den Bußruf
bei; auch in den Antithesen der Bergpredigt wirkt
noch der täuferische Einfluß nach. Aber Jesus sieht
(der Verf. meint eine Entwicklung seiner Predigt feststellen
zu können), daß die Buße nicht ausreicht, um
den Eingang ins Gottesreich zu gewinnen, ja daß dieses
überhaupt nur als Gottes Geschenk empfangen werden
kann; und so führt er die Täuferpredigt weiter zur
Botschaft von der vergebenden und schenkenden Gnade
Gottes. Auch äußerlich muß sich nunmehr Jesu Wirken
von dem des Täufers unterscheiden; es fehlen Taufe,
Askese, Einsamkeit, und es erwächst das Messiasbewußtsein
. Der Täufer seinerseits kann Jesus nicht anerkannt
haben, denn er setzt ja sein eigenes Werk fort,
und seine Gemeinde besteht als Konkurrentin der christlichen
Gemeinde weiter. Was die Geschichte des Täufers
selbst betrifft, so datiert der Verf. sein Auftreten auf
kurz vor 28. Ob Johannes aus priesterlichem Geschlecht
stammte, muß zweifelhaft bleiben; jedenfalls war er
kein Essäer, sondern gehörte zu den Kreisen der Anawim
. Seine Predigt, der Bußruf erneuert die alte prophetische
Predigt eines Arnos und ist gänzlich unpolitisch
. (In einem Anhang gibt der Verf. eine instruktive
Auseinandersetzung mit R. Eisler.) Der Charakter seiner
Taufe ist nicht mehr deutlich zu erkennen; in wieweit
war sie ein Initiationsakt? in wieweit eine Reinigung
? Der zunächst große Erfolg des Täufers brach
bald zusammen; seine historische Bedeutung ist, wenn
auch in anderm Sinne, als die Evangelisten es darstellen
, die eines Vorläufers.

Man darf m. E. das Werk des Verf. in gewissem

Sinne als abschließend bezeichnen, insoweit nämlich als
es eine Darstellung der Probleme gibt und alle Möglichkeiten
prüft, soweit sich das auf Grund einer lite-
rarkritischen Untersuchung und Exegese der evangelischen
Texte tun läßt. Als abschließend in einem end-
; gültigen Sinn kann ich aber das Buch nicht ansehen.
1 Ich stimme M. Dibelius (RGG2 III 318) völlig darin
! zu, daß das Problem des Täufers, seiner Verkündigung
und seiner Taufe, erst dann wirklich gefaßt werden
kann, wenn man es im Zusammenhang mit der Ge-
i schichte des jüdisch-synkretistischen Taufwesens, wozu
( auch die Geschichte der judenchristlichen Sekten gehört
, behandelt. Auch die verwickelte Mandäerfrage
würde dann wieder an Bedeutung gewinnen; denn sie
ist nicht damit erledigt, daß die Johannestradition der
i Mandäer als sekundär erwiesen ist. Die Ansätze, die in
| dem Buche W. Brandts über die jüdischen Baptismen
! in dieser Richtung gemacht sind, sind vom Verf. leider
nicht weitergeführt worden. Und der Mangel an religionsgeschichtlicher
Orientierung scheint mir den Verf.
zu verleiten, von der Täuferpredigt ein viel zu bestimmtes
und eindeutiges Bild zu entwerfen, als es die weni-
I gen von der christlichen Tradition erhaltenen und redigierten
Fragmente gestalten. Das Hauptverdienst des
I Buches sehe ich in der lehrreichen Untersuchung der
synoptischen Texte, — nicht allein derer, die sich direkt
| auf den Täufer beziehen.

Marburg. R. Bultman n.

Oppermann, Hans: Plotins Leben. Untersuchungen zur Biographie
Plotins. Heidelberg: Carl Winters Universitätsbuchh. 1929.
(60 S.) gr. 8°. = Orient und Antike, hrsg. v. O. Bergsträsser u. O.
Regenbogen, 7. RM 4—.

Kristeller, Paul Oskar: Der Begriff der Seele in der Ethik
des Plotin. Tübingen: J. C. B. Mohr 1929. (VI, 110 S.) gr. 8°.
= Heidelberger Abhandlgn. z. Philos. u. ihrer Gesch., 19.

RM 6-; in Subskr. 5.40.

Oppermann vergleicht die Berichte des Porphyrius
und des Firmicus Maternus über Plotins Tod, und führt
die genauen Angaben bei Firmicus Maternus auf
Eustochius, den Schüler und behandelnden Arzt Plotins
in seinem Todeskampf (268—70), zurück. Danach ist
Plotin an Lepra gestorben, die ihn (gegen M. Wundt)
| aus dem Kreise seiner Schüler vertrieb, und ihn teils zu
therapeutischen, teils zu Isolierungszwecken nach Kam-
panien überzusiedeln zwang. Daß Plotin im Tode Gelegenheit
fand, seine Lehre durch die Tat zu bewähren,
stellt ihn nach Oppermann auf eine Stufe mit Sokrates
und Seneca.

In einem zweiten Aufsatz untersucht Oppermann
| die Chronologie und bietet auf Grund der Voraussetzung
, daß Porphyrius nach ägyptischen Kaiserjahren
! rechnet, genauere Angaben als Heinemann (Plotin, 1921.
| S. 240). Wenn Plotin 66 Jahre alt wurde, was immer
nur auf Grund der Zuverlässigkeit der Angaben des
Eustochius vorausgesetzt werden kann, so ist Plotin
204 geboren und 270 gestorben.

Die überaus sorgfältige und die Schulung durch
Ernst Hoffmann verratende Arbeit Kristellers will lediglich
ein Beitrag zur Auslegung der Lehre Plotins
sein. Sie stellt das metaphysische Bewußtsein als den
j „tragenden Gehalt" seiner Ethik heraus. Das meta-
j physische Bewußtsein aktualisiert die Seele durch
I Trennung von den niederen Bindungen des em-
j pirischen Bewußtseins. Seine obere Grenze stellt
das in der Ekstase sich bezeugende transzendente
Bewußtsein dar. Mithin ist es selbst ausgezeichnet
: 1. durch die Aufhebung der äußeren Momente
sowohl in ihrer Faktizität (Heimarmene, Tychai, Sorna,
Pathe) als auch in ihrer die Seele selbst einschränkenden
Bedrohung (Anankaion); 2. durch seine eigene positive
Wertigkeit (Agathon, Arete, Sophon); 3. durch seine
Ausgerichtetheit auf das transzendente Bewußtsein
(Eros). Wird dieser aufwärts gerichteten Betrachtung
die rückläufige entgegengestellt, lassen sich noch weiter
unterscheiden: 4. die Autarkie als die rückwärtige Ge-