Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1931 Nr. 1

Spalte:

340-341

Titel/Untertitel:

Palästinajahrbuch; 25. und 26. Jahrg. 1931

Rezensent:

Horst, Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

339

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 15/16.

340

eigenen Erlebens das Schicksal des Menschen bzw.
seines Dämons geschildert haben: den Sturz aus dem
Himmel, die verschiedenen Stufen der Einkörperung,
das Ziel der Erlösung. Der Dichter, der die Reinheit
und damit die höchste Stufe irdischer Existenz erlangt
hat, weiß sich zwar noch als (pv/dg d-ei&ev xal
oAf/rr/e (Fr. 115, 12), aber zugleich als &ebg Sftßgorog
ovyJti xhrprog (Fr. 112, 4); sein Einzelschicksal hat
paradigmatische Bedeutung. Der zweite Teil muß die ,
Lehre von der Reinigung des Lebens bringen, und zwar
eingeleitet durch eine Theogonie, der eine Lehre über
Opfer und Reinheitsvorschriften folgte. Da die Frag- j
mente des zweiten Teiles spärlich sind, können wir uns
kein deutliches Bild machen. Das Verbot der blutigen
Opfer, des Fleisch- und Bohnengenusses u. dgl. gehören J
natürlich hierher. „Aber es wird kein Zufall sein, daß |
von einer Moral, die für das reine Leben doch nötig
sein sollte, keine Spur sich findet" (S. 26). Die Huldigung
des Pythagoras (Fr. 129) einzuordnen, hält der
Verf. nicht für möglich.

Wichtig ist dem Verf., daß Emp.* nie von der ipw';
des Menschen redet (Fr. 138 hat Ipw/i nur den homerischen
Sinn von Leben), und er bestreitet deshalb das
Recht, von einer Seelenwanderung bei Emp. zu
reden, wie es z. B. E. Rohde getan hatte. Aber den
Sachverhalt legt der Verf. in dieser Hinsicht doch kaum
anders als Rohde dar: Emp. redet zwar nicht von einer
präexistenten und unsterblichen tfwxv im Menschen und
von ihrer Wanderung und Reinigung. Aber an Stelle der
ipfXV tritt der dai^iwv, und dieser „ist offenbar nichts
Anderes als was der Volksmund und auch die Theologen
die ,Psyche' nennen, der Seelengeist" (Rohde, I
Psyche II S. 180), sodaß die Diskussion auf einen
Wortstreit hinausläuft, wie denn auch die späteren Autoren
, die die betr. Verse des Emp. zitieren, den daiuwv
ohne Weiteres als pv%i fassen.

Wichtiger aber und das Bedeutsamste der Abhand- j
lung ist das Folgende. Indem sich der Verf. von der
spätantiken Auslegung freimacht, meint er die Ka&.
von den <Pvaiv.a scharf trennen zu müssen.
Die beiden Gedichte enthalten nach seiner Auffassung
eine grundverschiedene Lehre; die «Puff, nämlich tragen
die wissenschaftliche Lehre des Arztes und Physikers
vor im Dienste der Praxis des Lebens, und zwar auf
dem Grunde einer materialistischen Weltanschauung. I
„In den Katharinen ist alles Offenbarung oder Gebot",
und wenn der Dichter auch nicht preisgegeben hat, was
er früher lehrte, — vereinbar ist es mit dem, was er
jetzt sagt, nicht. Denn der Materialismus ist überwunden
durch den Glauben an eine körperlose, rein geistige
Gottheit, und eine Religion wird verkündigt, durch die
der Mensch vom Fluch der Körperlichkeit erlöst und
wieder zum Gott werden soll. Vom ersten Werk zum
zweiten führt keine innere Fortentwicklung, sondern es
liegt ein Bruch dazwischen, eine Bekehrung, durch die
Emp. innerlich ein neuer Mensch ward.

Diese Konstruktion steht im Gegensatz zu dem
Bilde, das E. Rohde von der Anschauung des Emp.
entworfen hatte, der den Gegensatz des „Physiologen"
und Theologen, des „Materialismus" und „Dualismus"
gerade als eine für Emp. charakteristische Einheit begreifen
zu müssen glaubte, und ich meine, daß Rohde
Recht hatte.

Schon die alte Überlieferung über das Verhältnis
der <Pvo. und Ka&. ist nicht eindeutig und erlaubt
m. E. auch die Ansicht, daß die Kad-. einen Teil !
des ganzen Werkes negl cpvoetng gebildet habe. Wie j
dem auch sei; jedenfalls ist die Verteilung der vorhandenen
Fragmente auf die beiden Werke (bzw. Teile)
in vielen Fällen ganz problematisch. Das Kriterium, daß
für die $vo. die Anrede im Sing, (an Pausanias, dem
nach Fr. 1 das Werk gewidmet ist), für die Kat>. die
Anrede im Plur. (an die Gemeinde) bezeichnend sei, ;

ist schon deshalb nicht verläßlich, weil die singular. Anrede
manchmal (z. B. Fr. 2. 110) die der Gottheit
(Muse) an den Dichter sein kann. Das von Diels und
dem Verf. den <Pva. zugewiesene Fr. 110 dürfte doch
nach Hippolyt in den Kafr. gestanden haben; und ist
Tzetzes wirklich ein Schwindler, wenn er sagt, daß das
den Kair. zugewiesene Fr. 134 in den <Pvo. stand? In
den meisten Fällen haben wir keine antike Überlieferung,
sondern sind auf eigene Vermutung angewiesen, die
sehr unsicher ist, da der Inhalt der beiden Bücher
sich offenbar oft berührt. So differieren denn auch Diels
und der Verf., wenn dieser Fr. 77/78 den KaiP. zuweist.
Fr. 153 a mit seiner „physiologischen" Lehre ist ausdrücklich
für die Kair. bezeugt. Fr. 29 und 134 zeigen,
daß Gleiches hier und dort gesagt werden konnte. Die
Reinheitsvorschriften der Ka&. sind doch „physiologisch
" motiviert. Und daß man den Arzt und den Propheten
nicht streng scheiden kann, zeigt doch F. 112.

Vor allem aber: selbst wenn wir die Fragmente
mit „physiologischem" Inhalt den <Pva. zuweisen, so
ist doch der Gesamtcharäkter der <Pva. von dem der
Ka&. m. E. nicht verschieden. Auch die Lehre der
&vo. gibt sich als Offenbarung (Fr. 5,^2f.; 23, 11),
als Mysterienweisheit (Fr. 4, vgl. V. 4: d.v iripug laxh
hprj/ttegioioiv d-Mvauv u. a.). Auch in Fr. 110, das
Diels und der Verf. zu den &oa, rechnen, ist in Mysterienterminologie
von der hiöictua des y-ad-agög die
Rede und ist (V. 4 ff.) der Mysteriengedanke leitend,
daß der Schauende durch die Schau verwandelt wird.
Daß es sich um mysteriöse Lehre handelt, zeigt die Charakteristik
der <PU(kt]g Fr. 17 (vgl. V. 25 f.: rrpv ov rig
[.istet Tolatv ikiaaoixivrpy dedärjxe irvrjzhg ävpg; vgl.
Fr. 2). Und diese Charakteristik der Lehre hat bei
Emp. ihr sachliches Recht. Denn wie ist es überhaupt
zu verstehen, daß der Dichter ein Wissen vom atpalgog
und vom Werdegang alles Seienden und den ihn bewegenden
Kräften hat, wenn doch der Mensch als physisches
Wesen nur ein Produkt der und diälla^ig
ist, dessen Denken nur eine Funktion seines Blutes ist?
wenn er, aus den Elementen (den Stoffen) bestehend,
mit seiner natürlichen Wahrnehmung nur eben diese
wahrzunehmen vermag? Wie kann er sich über diesen
Kreis hinausschwingen und das Ganze sub specie
aeterni sehen? Wie kann er sich „erinnern" (Fr. 64)
und von den früheren Kombinationen der Elemente
wissen? Es scheint mir klar zu sein (vgl. E. Rohde,
Psyche II S. 185f.), daß auch der Lehre der <Pva.
die Anschauung vom daiuwv zu Grunde liegt, der das
eigentliche Subjekt im Menschen ist. Nur von da aus
verstehen sich Aussagen wie in Fr. 2 und 15 (tue ixpga
[iiv re ßiwoi, tö dt) ßlorov yaleouai): sie sind gesprochen
von einem Wissen um ein echteres Leben.
Ich glaube also nicht an die Konstruktion des Verf.,
kann also auch nicht zustimmen, wenn er meint, daß
die Anschauungen über die Gottheit und die einzelnen
Gottesgestalten in den beiden Werken verschieden sind.
Aber das zu zeigen, würde einer ausführlicheren Interpretation
bedürfen, als sie hier gegeben werden kann.
Jm Ganzen glaube ich, daß Rohde richtig gesehen
hatte; im Einzelnen bekenne ich, vom Verf. viel gelernt
zu haben.

Marburg. R. Bultmann.

Palästinajahrbuch des Deutschen evangel. Instituts f. Altertumswissensch
, d. Heiligen Landes zu Jerusalem. Im Auftr. d. Stiftungsvorst
, hrsg. v. Prof. D. A. AI t. Berlin: E. S. Mittler & Sohn. gr. 8°.

25. Jahrg. 1929 (126 S. m. 1 Kte. u. 7 Abb. a. Taf.) RM 4.75; geb. 6— ;

26. „ 1930 (104S.m. 1 Ktensk.u.3Abb.a.Taf.) „4—; „ 5.25.
Jg. 25 (1929) gibt S. 1—59 einen Bericht von Alt über das Institut
und seinen Lehrkurs i. J. 1928 mit reichhaltigem Material an Beobachtungen
und Vermutungen. Daraus sei hier besonders hervorgehoben
: S. 12 ff. die Verteidigung der von Jirku (JPOS 1928) bestrittenen
Gleichsetzung Alts von teil en-na?be mit Gibeon; S. 18 ff. ein neues
Bruchstück eines Meilensteins auf der Stralle Jerus.-Eleutheropolis („12