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1931 Nr. 1

Spalte:

16

Titel/Untertitel:

Karl Budde's Schrifttum bis zu seinem 80. Geburtstage am 13. April 1930 1931

Rezensent:

Steurnagel, Christian

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 1.

16

Ordensbruder, Pfarrer und Hauskaplan. Die Ziele, die
sich der Verf. gesteckt hat, werden im Wesentlichen erreicht
: im Spiegel des Dramas erkennen wir die aufeinander
folgenden, mit einander ringenden Strömungen
im religiösen und kirchlichen Leben der in Frage
stehenden Jahrhunderte mit leidlicher Klarheit wieder,
sehen insbesondere, wie zu Beginn des 17. Jahrhunderts
die leidenschaftlichen Angriffe auf die römische Hierarchie
— Shakespeare hat in diese Tonart nicht mit eingestimmt
! — wohlwollenderer Beurteilung Raum geben:
selbstverständlich auch ein Reflex der am Hofe der
beiden ersten Stuartkönige obwaltenden Neigungen.
Aber damals hatte die Bühne schon aufgehört, im
höchsten Sinne der Volksgesamtheit anzugehören, sie
fing an, Echo und Sprachrohr der herrschenden Oberschicht
zu werden. Daß in den „post-reformation plays",
wie Verf. sie nennt, der anglikanische Geistliche nicht
besser abschneidet, als früher sein römisch-katholischer
Amtsbruder, daß er in dessen viel bespottete Rolle einfach
eintritt, wird keinen überraschen, der sich vergegenwärtigt
, daß der Übergang zum Anglikanismus die Reformation
im kontinentalen Sinne dieses Begriffs eher
gehemmt als gefördert hat. Der kirchliche Reformwille
lag bei den Puritanern, oder, wie wir zutreffender sagen,
bei den Sektierern, den Dissentern, die außerhalb der
Staatskirche standen, von vorn herein theaterfeindlich
waren und das bestehende Theater zerschlugen, sobald
sie die Macht an sich gerissen hatten. Auf dieses Problem
wie auf andere unter der Oberfläche wirkenden I
Vorgänge, Traditionen und Neubildungen ist Verf. nicht j
mit erwünschter Schärfe eingegangen, wie überhaupt
sein Blickfeld, auch was die verwertete Literatur anbelangt
, auf Grenzen stößt, die sich vielleicht aus Schwierigkeiten
der Materialbeschaffung erklären. Es fällt
z. B. auf, daß er zwar die Farmer sehen Neudrucke
regelmäßig herangezogen hat, aber die Veröffentlichun- i
gen der Malone Society unberücksichtigt läßt, ]
durch deren Benutzung ihm manche Ungenauigkeit er- |
spart geblieben wäre. Zur Bibliographie ist ergänzend j
hinzuweisen auf E. Koeppels Vortrag über Konfessionelle
Strömungen in der dramatischen Dichtung i
des Zeitalters der beiden ersten Stuart-Könige (Jahrbuch
der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd. 40, ss.
XVI—XXIX), der in knappster Form gerade den Lesern j
dieser Zs. den gewünschten Überblick erleichtern mag, i
und auf die großangelegte leider nur im Teildruck ver- I
öffentlichte Dissertation von R. R ö h m e r, Priestergestalten
im englischen Drama bis zu Shakespeare (Berlin
1909). — Ausstattung und Druck des Sp.'sehen
Buches sind vorzüglich.
Göttingen. Hans Hecht.

Klatt, Fritz: Die geistige Wendung des Maschinenzeitalters.

Potsdam: Alfred Protte Verlag 1930. (124 S.) 8°. = Brennende
Zeitfragen. Schriften z. geist. Erfassung d. Gegenwart. Hrsg. v.
Fritz Klatt. Band II. RM 3—; geb. 4.50.

13 Aufsätze mit Beobachtungen zur geistigen Gesamtlage
unserer Zeit, erwachsen aus der praktisch-pädagogischen
Arbeit in einem Volksschulheim. Sie gehen
vom „Massenerlebnis" aus; darunter versteht Kl. das Erlebnis
der „Unentrinnbarkeit der Lebensmasse". Tief
stecken wir alle im Massenbetrieb und haben kaum Möglichkeit
, uns darüber zu erheben, und doch die Sehn- I
sucht Sinn und den Zusammenhang davon neu zu erfassen
. Weitere Aufsätze behandeln Gestaltung und
Gliederung der Masse, die Sprache als geistiges Mittel
der Gruppierung, die Kraft des lebendigen Wortes, die
Träger des neuen geistigen Ausdrucks; diese Ausführungen
stehen unter dem gemeinsamen Gesichtspunkt:
Ansätze zu einer neuartigen geistigen Verständigung und I
Verantwortlichkeit. Ein „stufenweises Zur-Sprache-Kom- |
men der Sachverständigkeit aller Volksgenossen" muß
sich ergeben. An dem Stande der Literatur, an der
Frage der Sinnesbildung und Kunstübung, endlich an
der Wendung zum Religiösen werden diese Gedanken

weitergeführt. Das religiöse Thema wird von mehreren
Seiten beleuchtet; die Grundlinie ist diese: Stückweise
in jeder vorstoßenden Tat, in jeder freien Liebes-
bezogenheit können wir alltäglich und anspruchslos
das Göttliche erleben, das einer früheren Menschheit im
Tempel und Dom, in Bildsäule und feierlichem Gebet
durch priesterliche Vermittlung verdeutlicht wurde (S.
90). Bemerkenswert sind immer wiederkehrende Darlegungen
über die Sprache, das Wort. Alles dunkle
Verlangen unserer Zeit bewegt sich „traumsicher auf
die Wahrheit des für alle gültigen Wortes hin" (S. 115).
Diese Sätze mögen genügen, um einigermaßen deutlich
zu machen, wie Kl. seine Aufgabe anfaßt. Es finden
sich zahlreiche feine Beobachtungen und anregende Gedanken
; aber — von den ins religiöse Gebiet schlagenden
Erörterungen ganz abgesehen — auch viel Einseitigkeit
und Übertreibung. Daß der Bildung der
Sprache Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist gut; aber
zuweilen hat man den Eindruck, daß „das Wort" nahezu
verabsolutiert wird. Dazu begegnet der auch sonst
heutzutage wunderliche Optimismus hinsichtlich der
geistigen Entwicklung der Menschheit. Als ob das Volk,
die Menschheit eine Volkshochschule wäre, die bei
sicherer Führung in guter Frist bestimmt ihr Kursusziel
erreichen wird!
Breslau. M. Schi an.

[Budde:] Karl Budde's Schrifttum bis zu seinem 80. Geburtstag am
13. April 1930. Eine Festgabe dargebr. v. d. Stadt Essen u. d. Zeitschrift
f. d. alttestamentl. Wissenschaft. Gießen: A. Töpelmann 1930.
(28 S. m. e. Titelbild) gr. 8°. = Beihefte z. Zeitschrift f. d. alttestamentl
. Wissensch. 54. RM 2—.

Eine bibliographische Übersicht über die Veröffentlichungen
eines noch lebenden Gelehrten zu geben hat
nicht nur die Bedeutung, daß man sich den Umfang
seiner Leistung dankbar vergegenwärtigt, sondern hat
zugleich den praktischen Nutzen, daß die Verwertung
seiner Arbeit durch andere wesentlich erleichtert wird.
Das gilt ganz besonders bei einem Gelehrten wie Budde,
der fast sechs Jahrzehnte hindurch ein gewichtiges Wort
zu einer beträchtlichen Zahl von Problemen des Alten
Testamentes zu sagen gehabt hat und zu manchem
Problem mehrfach mit immer erneuter Gründlichkeit
Stellung genommen hat, dessen Arbeiten zu einem
großen Teil in Zeitschriften des In- und Auslandes verstreut
und daher nicht leicht zusammenzusuchen sind,
und dessen Studien besonders auf den Gebieten der
Exegese und der Einleitung der Gegenwart, die in manchen
Beziehungen durch einen Verfall der Methoden
charakterisiert ist, als Muster dienen können. Viele werden
auch überrascht sein durch den Umfang von Buddes
schriftstellerischer Tätigkeit auf anderen Gebieten, z. B.
über die Kunst Ludwig Richters und Wilhelm Steinhausens
oder über altniederländische Volkslieder oder
über die Geschichte des Kirchenliedes und Kirchengesanges
oder über Familiengeschichtliches, und das Bild
der Persönlichkeit Buddes wird für sie eine Menge
neuer Züge gewinnen, an denen sie ihre Freude haben
werden. So darf der Verfasser dieser Bibliographie, der
bescheiden seinen Namen verschweigt, des herzlichsten
Dankes für die große Mühe und Sorgfalt versichert sein,
mit der er den weit verstreuten Stoff gesammelt und
geordnet hat. Die Bibliographie enthält 438 Nummern,
darunter rund je ein Drittel Arbeiten über alttestament-
liche Themata, Bücher und Aufsätze über andere Gegenstände
und Rezensionen. Beigegeben ist ein vorzüglich
gelungenes Porträt Buddes.

Für ähnliche Zusammenstellungen sei mir noch eine
Anregung erlaubt: Verweise in der Form „vgl. Nr. . ."
oder ein kurzes Stichwortregister sollten das Auffinden
früherer oder späterer Auflagen und der das gleiche
Thema behandelnden Arbeiten erleichtern. Dadurch
würde die praktische Ausnutzung einer solchen Bibliographie
wesentlich gefördert werden.
Breslau. C. <SteuernageI.