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Ausgabe:

1931 Nr. 14

Spalte:

330-335

Titel/Untertitel:

Corpus Confessionum, 1. Bd. 1931

Rezensent:

Schmidt, Kurt Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 14.

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3er C. A. bedeutet. Zum Teil streift Melanchthon da
das „Richtige", ohne es voll auskaufen zu können. —
Begreiflicherweise wären bei jedem der bisher besprochenen
Autoren beachtliche Äußerungen über die
»Kirche" zu vermerken. Ich wende mich jedoch nun
noch zu dem Sonderheft der von Heiler herausgegebenen
Zeitschrift „Hochkirche", (Nr. 5), für welches
3er Kirchengedanke im spezifischen Sinne konstitutiv
ist. Das Heft enthält nicht nur von Heiler einen Aufsatz
, „Die Katholizität der C. A.", S. 1—40, sondern
auch von andern mehr oder weniger bekannten
Vertretern der sog. hochkirchlichen Richtung: O.
Diettrich, „Mel.'s Einheits- und Friedenswille in der
CA.", S. 40—50. P. Schorlemmer, „Die liturg.
Frage im Augsburger Bekenntnis", S. 50—60; K. Ram-
-ge, „Die C. A. nach der Lehre A. F. C. Vilmars", S.
61—69; Leonhard „Was die Kirche sei. Bemerkungen
zu Art. 8 der C. A.", S. 69—73. Für die Männer
der „Hochkirche" handelt es sich um eine Art
Wiederaufnahme der Reformationsstrebungen des 16.
Jahrhunderts im „unverkürzten" Sinne. Das bedeutet
ihnen die Wiederbelebung und möglichste praktische
Fruchtbarmachung des echtkatholischen
Sinns, der „Ökumenizität" der wahren Kirche, und dann
des Verständnisses für Wesen und richtig „evangelischen
" Charakter der „Liturgie", ganz in Sonderheit
der Eucharistie (die Stabilisierung dieses Ausdrucks
statt „Abendmahl" ist dabei nicht belanglos!).
Alle diese Männer, ohne Frage auch der von der römischen
zur lutherischen Kirche übergetretene Heiler, dem
man bei jedem Satze abfühlt, daß seine Vergangenheit
seine Gegenwart noch stimmungsmäßig beeinflußt,
wollen mit Luther dem Evangelium von Christo und
Gottes freier, nicht „bedingter" Gnade rückhaltlos treu
sein. Im letzten Grunde ist es eine Form eschatolo-
gischen Hoffens (jedoch wie in Ungeduld und nicht
immer ganz reinem Eifer), die in ihnen zu Tage
tritt: auch ein Symptom der Erregtheit, Verworrenheit,
L e i derfülltheit unserer Tage. Ich schelte da niemand:
daß es die dringlichste „kirchliche" Aufgabe sei, die
die Hochkirchler ergriffen haben, vermag ich nicht
zuzugeben, es sind auch sehr ernste Gefahren, denen
sie zum Teil „ahnungslos" gegenüber stehen. Ich begreife
sehr gut, daß vor allem Heiler die C. A. und
Melanchthon als „Eideshelfer" meint geltend machen
Und unter diesem Gesichtspunkt im „Jubiläumsjahre"
feiern, wie Mitrufer im Streite preisen zu können,
ja zu „sollen". Die C. A. wollte wirklich „Friede"
stiften. Melanchthon wollte kein Wort wider „Rom"
sagen, das dem im Wege stünde. Fast bis zur Un-
wahrhaftigkeit und Unwürdigkeit betätigte er sich wie
ein Diplomat, ein Politiker (ich denke an den kaum |
begreiflich „unterwürfigen" Brief an Kardinal Cam-
Pegi vom 6. Juli 1530, den Heiler begreiflicherweise
sich nicht entgehen läßt). Aber gerade als „Politiker"
hat Melanchthon den „nächsten" Zweck im Auge. Er
handelte — und das versöhnt einen letztlich immer
wieder mit dem nie für seine Person bangen Manne! |

wie ein „Gesandter" mit festem, wenn irgend möglich
durchzudrückenden „Auftrage" für das „Recht"
der Evangelischen, endlich sie selbst, mindestens
im „Reiche" sein zu dürfen. Und zwei Jahre später,
im Religionsfrieden von Nürnberg (1532) kam er ja
auch zum Ziele. Daß die C. A. den Evangelischen, die
bis dahin nur wie „Protestanten" sich hatten behaupten
können, Recht und Frieden schuf und als formuliertes Bekenntnis
„vor Kaiser und Reich" hatte öffentlich
der Welt kund gegeben werden „können", das gab
Melanchthon eine Art von Glorie und machte sie selbst
je länger je mehr (selbst wie von historischer Glorie
Umwoben) zum „Augapfel" der Lutheraner. Auch wir
wollen uns der C. A. vor Gott und Menschen dank-
bar freuen. Aber auch das „Momentane" an ihr
nicht vergessen! Die Hochkirchler sind nicht die Einzigen
, die es vergessen. Der Aufsatz von Ramge über |

V i 1 m a r kann einen noch heute erschrecken: dieser
wundersame Mann hat sich wirklich vom Glänze der
C. A. verblenden lassen! Vilmar muß uns „tot"
bleiben. Und die Hochkirchler müssen, nicht an der
C. A., aber an Luther, lernen, was „Kirche" i n Weltform
ist.

Ich schließe, indem ich mich an die mir aufgetragene
knappe Summe von Schriften halte, mit der
eigentümlichsten akademischen Rede, die dazu gehört,
der von Hirsch (Nr. 6). Sie ist unfraglich auch von
eigentümlicher Bedeutsamkeit. Freilich für die C. A. hat
sie kaum Interesse. Der ihr geltende Jubiläumstag wird
nur berührt. Er ist für H„ so darf ich vielleicht sagen,
der Exponent der großen Geschichtsbewegung der Reformation
. Aber nun setzt er in gewissem Maße
voraus, daß „man", seine akademischen Zuhörer, wisse,
was deren Grund und Erträgnis „geistig" war. So
nimmt er sich als Thema, was die drei größten (über
Schelling wäre ja zu streiten; ich finde es letztlich
richtig, daß H. ihn nicht mit herangezogen hat, es wäre
zu umständlich geworden) Repräsentanten des Idealismus
von der „Reformation" gedacht, sich mit zu
eigen gemacht. Das ist ein Thema, welches so noch
von niemandem gestellt. Und Hirsch ist zweifellos da
in seinem Elemente. Kaum einer — von den Philosophen
sowohl, als uns Theologen —, der so wie er
da aus dem Vollen der „Quellen" schöpfen kann. Sehr
reichliche Anmerkungen begleiten den Text. Dieser ist
nicht eigentlich die Festrede selbst, sondern die „vorliegende
Niederschrift", auf Grund deren, sich nur an
den „Inhalt und Gedankengang" haltend, er frei gesprochen
. H. kontrastiert Fichtes, Schleiermachers, Hegels
Würdigung der „Reformation" (man erkennt, daß
er kaum an Melanchthon bzw. die C. A., sondern eigentlich
nur an Luther denkt — er tut recht daran!)
mit der, welche die „großen" Aufklärer, ein G. J.
Planck, gehegt haben. Er entwickelt dann zunächst,
wie die drei Idealisten bzw. Romantiker positiv einen
Luther zu verstehen vermocht haben, seine dankbaren
Nachfahren sein „wollten", sodann, worin sie sich doch
(ohne selbst davon ein wirkliches Bewußtsein zu haben
) von ihm stark abhoben. Es ist ein reiches, viel
verästeltes, nach dem Berufe und der persönlichen Entwicklung
dieser Männer vollends schwer kurz in einheitlichen
„Formeln" erfaßbares Material, das H. vorführt
, in ausgezeichneter Schärfe skizziert. Ich habe
mich gern auch belehren lassen, (ich bin weder ein
Fichte- noch gar Hegel„kenner" in dem gleichen
Maße, wie er). Wenn ich doch auf etwas verweisen
darf, wo mir H. nicht „genügt", so ist es dies, daß er
nicht eigens den Gottes be gr i ff der „drei" mit demjenigen
Luthers auseinandersetzt. Da liegt m. E. die
letzte, tiefste Differenz. Für Luther ist Gott durch und
durch Person. Für keinen der drei ist er das. Mindestens
auch für Schleiermacher nicht irgendwie „deutlich
". Sie haben alle, auch der letztere, Luther nur
wenig „studiert". Es hat fast was rührendes, daß
Hegel 1830 in Berlin die akademische Festrede über
die C. A. gehalten, Schleiermacher ihr einen ganzen
Predigtzyklus gewidmet hat. Die C. A. ist ja ein kleines
Dokument und jeder hat, könnte man sagen, „sich"
hinein- oder herausgehört. Es ist wahrlich nichts Gleichgültiges
, was ihnen als das erschien, woraufhin sie die
Augustanaerinnerung sich so zur Feier werden ließen,
daß sie, aus eigenem Antriebe, sie zu „gestalten"'
sich entschlossen (Hegel bewarb sich geradezu darum
bestand darauf). Es war kein unebener Gedanke von
Hirsch, von da aus die C. A.feier von 1930 mit der von
1830 zu verknüpfen.

Halle. _F. Kattenbusch.

Corpus Confesslonum. Die Bekenntnisse der Christenheit. Sammlung
grundlegender Urkunden aus allen Kirchen der Gegenwart. In
Verbindung mit D. Alfred Ernest Garvie, D. Dr. Germanos
D. Arthur C. Headlam, D. Adolf Keller, D. Charles S. Mac-
farland und D. Dr. Nathan Söderblom hrsg. von D. Cajus