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Ausgabe:

1931 Nr. 14

Spalte:

316-318

Autor/Hrsg.:

Michaelis, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Pastoralbriefe und Gefangenschaftsbriefe 1931

Rezensent:

Schlier, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 14.

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ihrer schlichten Moral-Frömmigkeit (trotz mancher Extravaganzen
) die Vorläufer der galiläischen Jünger
Christi. Nicht so sehr einzelne verwandte Stellen in
den Evangelien (oder die im Hebräerbriefe wiederkehrende
Zeichnung eines priesterlichen Messias) wie die
ganze moralische Atmosphäre in den Testamenten zeigen
diese Verwandtschaft. —

So wird das Buch R. Eppels eine Reihe von Lesern
lebhaft interessieren. Es stützt sich auf gute Kenntnis
der deutschen, englischen und französischen Literatur
, natürlich leider noch nicht von Arnold Meyers
Rätsel des Jakobusbriefs (1930) S. 179—194, und
macht begierig, die versprochene genaue Übersetzung
der Testamente seitens des Verfassers mit neutesta-
mentlichen Parallelstellen kennen zu lernen. Möge
sie bald erscheinen! Daß sie eine stärkere Benutzung
meiner schweren Arbeit an den Apokalypsen des Esra
und des Baruch zeige als das vorliegende Buch, ist
ein Wunsch, den ich zum Schlüsse nicht ganz unterdrücken
kann.
Berlin.___B. Violet.

Fiebig, Prof. D. Paul: Rabbinische Formgeschichte und Geschichtlichkeit
Jesu. Leipzig: Gustav Engel 1931. (64 S.) gr. 8°.

RM 2.75.

Kraft seiner rabbinischen Kenntnisse, seiner sauberen
Systematik und seiner scharfen Erfassung der vorliegenden
Probleme ist F. von allen mit und neben ihm
auf dem Gebiete der rabbinisch-synoptischeu „Formgeschichte
" Arbeitenden m. E. der Berufenste. Das zeigt
seine Antrittsvorlesung mit vorstehendem Titel, die umsichtig
Grenzen und Ausbau des neuerdings selbständig
gewordenen Spezialgebiets mit sicherer Methodik und in
klarer Sprache skizziert. (Schon früher arbeitete, wie
F. mit Recht betont, Schlatter hier vielfach vor.) Die
Ausführungen des eigentlichen Vorlesungstextes (S. 23—
43) und der fast ebensolangen „Einführung" (S. 5—22)
spannen die Erwartung auf F.'s (S. 5) angekündigtes
zweibändiges Werk, in dem er „die Formen und den Inhalt
der rabbinischen und [der] neutestamentlicheu
Kleingeschichten" darstellen wird. — Der Titel ist ungünstig
gewählt. Länger, aber klarer wäre gewesen:
„Der Erzählungsstil der [synoptischen] Evangelien (vgl.
F.s gleichnamige Schrift, Leipzig, Hinrichs 1925) und
der rabbinischen Parallelen nebst Schlußfolgerungen
daraus auf Jesu Geschichtlichkeit" oder kürzer „Formalkritik
des rabbinischen und des synoptischen Erzählungsstils
". — Die Schlüsse hieraus auf Jesu Geschichtlichkeit
sind nämlich m. E. u n schlüssig, weil
sich bestenfalls ergeben kann, daß die Form der synoptischen
Berichte über Jesus zeitecht ist. Überdies
sind fast alle Worte Jesu und zumal (was schon
Renan, „Leben Jesu", Kap. 10 sah), seine Gleichnisse
weit älter als die z.T. minderwertigen rabbinischen
Parallelen. (Vgl. m. „Jesus und die Rabbinen" [ Leipzig,
Hinrichs 1905]; den Titel haben G. Kittel und F.
später usurpiert.) — Lobenswert ist F.'s Ausdruck „Zusammenhang
mit dem [ völkischen ] Leben" für Gunkels
und anderer mißverständlichen „Sitz im Leben". —
Das Satzbild des Druckes ist (wofür F. selbst nichts
kann) seltsam: „Einführung" in Borgis-Typen, der Vor-
lesungstext (die Hauptsache) kursiv, die Anmerkungen
am Schlüsse höchst störend wieder in Borgis!
Leipzig. Erich B i s c h o f f.

Bornhäuser, D. Karl: Die Geburts- und Kindheitsgeschichte
Jesu. Versuch einer zeitgenöss. Auslegung von Matthäus 1 u. 2
und Lukas 1—3. Gütersloh: C. Bertelsmann 1930. (XI, 144 S.)
gr. 8°. = Beitr. z. Förderung Christi. Theologie, hrsg. v. A. Schlatter
u. W. Lütgert, 2. Reihe, Sammig. wiss. Monographien, 23. Bd.

RM 5 — ; geb. 6.50.

Diese Schrift B. setzt die Arbeit seiner Schriften
über das Mt.-Evgl., die Bergpredigt und das Joh.-Evgl.
fort. Auch sie will zeitgenössisch, d. h. vom Standpunkt
nicht des heutigen, sondern des ursprünglichen Lesers,
der palästinensischen Christenheit der sechziger Jahre
erklären. Für B. Untersuchung ist bezeichnend: nach-

i drückliche Ausnutzung der Kenntnis des zeitgenössischen
Judentums, entschlossenes Abrücken von herkömmlichen
Deutungen, liebevollste Beschäftigung mit den Einzel-

! heiten und Ablehnung der Kritik als auf Mißdeutung
der Evgl. beruhend. Ich muß davon absehen, die einzelnen
Ergebnisse der exegetischen Untersuchung hier
zu besprechen. Als Beispiel hebe ich heraus: Joseph hat
nach B. tatsächlich zwei Stammbäume gehabt, einen, der

| auf Blutsverwandtschaft der Aufgeführten beruht, den
luk., und einen, der nach dem Gesichtspunkt der Nachfolgerschaft
in der Davidskrone gebildet ist, den mt. Das
Fehlen der drei Könige Ahasja, Joas, Amasja und das
Abbiegen von der Blutsnachkommenschaft des Je-
chonja bei Mt. beruht auf dem Urteil der Schrift d. h.

| Gottes über die Betreffenden als Verworfene. Beiden
Stammbäumen liegt ein apokalyptisches Schema, ähnlich

i dem in der Zehnwochenapokalypse, zu Grunde.

Rostock._F. Büchsei.

Michaelis, Prof. Lic. Wilhelm: Pastoralbriefe und Gefangenschaftsbriefe
. Zur Echtheitsfrage der Pastoralbriefe. Gütersloh:
C. Bertelsmann 1930. (IV, 163 S.) 8°. = Neutestamentl. Forschgn.,
hrsg. v. O. Schmitz, 1. Reihe: Paulusstudien, 6. H. RM 6.30.

Das vorliegende Buch von Michaelis ist eine Fortsetzung
seiner 1925 erschienenen Schrift über die Gefangenschaft
des Paulus in Ephesus. Denn in ihm
versucht M. die Hypothese der ephes. Gefangenschaft

i und der damit zusammenhängenden Datierung der pau-

i linischen Gefangenschaftsbriefe auf die 3. Missionsreise
fruchtbar zu machen für die Frage nach der Echtheit

i der Pastoralbriefe. Wenn die Gefangenschaftsbriefe mit
den anderen Briefen des Paulus eng zusammengehören,
dann entsteht zwischen ihnen und den Past. ein Zwischenraum
von 5—6 Jahren, der mancherlei Veränderungen
erklären kann. Freilich sagt M. selbst, daß die
Bedeutung der neuen Datierung nicht überschätzt werden
darf (S. 3; vgl. S. 98), und hofft, daß die vorliegende
Arbeit auch für den, der die Datierung der Gefangenschaftsbriefe
aus Ephesus nicht mitmacht, von Wert

j sein möchte (S. 159). Dem entspricht, daß in der Untersuchung
selbst das entscheidende Gewicht darauf gelegt

| ist, die Echtheit der Past. gegenüber der vor allem durch
Jülicher und Dibelius vertretenen Kritik zu erweisen.

Diese Kritik richtet sich zunächst darauf, daß in den
Past. eine entwickeltere Gemeindeverfassung vorausgesetzt
zu sein scheint als in den Paulusbriefen. Demgegenüber
hat M. mit Recht betont, daß hier der verschiedene
Anlaß und Zweck der Briefe zu berücksichtigen
ist, die bei den Past. die Ämter mehr hervortreten
lassen, während der in dieser Beziehung fragmentarische
Charakter der paul. Briefe uns das Recht verleiht,
Ämter in der Gemeinde auch dort zu vermuten, wo sie
nicht ausdrücklich genannt sind. Ferner wird man M.
darin zustimmen können, daß er es — wie auch schon
vor ihm andere, z. B. K. L. Schmidt, Festgabe für A.
Deißmann, S. 318 — für abwegig hält, eine Entwicklung
von der charismatischen Leitung der Gemeinde

j zu einer solchen durch nicht-charismatische Funktionäre
zu konstruieren. „Vielmehr von Anfang an waren
beide Typen vorhanden" (S. 33), sodaß man unter Berücksichtigung
des besonderen Charakters der Past. zugeben
muß, daß die Gemeindeverfassung der Past. pau-

; linisch sein kann.

Nicht richtig scheint mir, neben anderen Einzelheiten, 1. das Verhältnis
von Charisma und Amt gesehen. Sie liegen bei P. nicht nur
nebeneinander, sondern auch ineinander, vgl. 1. K. 12,28 dvTiü']|rü>eu;
und xußepvf]oeic, als zapiopaTa. Das ist möglich, weil — und das
ist das 2. was M. übersieht — das kirchliche Amt nie nur den Charakter

i einer Geschäftsführung, einer technischen Funktion, hatte, sondern mit

j dem Charisma in dem eschatologischen Charakter der Kirche begründet
ist. 3. sieht m. E. M. zuviel, wenn er die Betonung des Amtes, etwa

! in 1. Tim. 3,1 auf dem Hintergrund der Unterschätzung des Amtes

| durch Charismatiker versteht.

Ebenso wie die Gemeindeverfassung ist m. E. auch
die „Irrlehre" ein unsicheres Argument gegen die Echtheit
der Past. Freilich wird man das Argument nicht
dadurch entwerten dürfen, daß man, wie M. es tut,