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1931 Nr. 13

Spalte:

299

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte; 25. Jahrg. 1931

Rezensent:

Clemen, Otto

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299

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 13.

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doch so magische Gottesvorstellung; der selbstverständliche
, durch Gottes Wunder und Kriegslisten unterstützte
, nach etwaigem Rückschlag in Rachgier durchgeführte
Sieg; die pünktliche Erfüllung kultischer Pflichten
auch im Kriegszustand; die Paradiesesgewißheit für
den Schlachtenmärtyrer: das sind die Kennzeichen der
idealisierten Urgemeinde; die demütig gezahlte Almosen-
steuer ist jenes der übertretenden Unterworfenen. Das
Überzeugungsmittel ist allein das Imponieren mit dem
militärischen Erfolg; von sittlicher Umwandlung der
Neubekehrten oder inneren Seelenkämpfen ist keine
Rede; nicht nur Verständnis, überhaupt Kenntnis des
Heidentums oder der anderen Religionen fehlt. Neben
dem Propheten ist besonders sein Schwiegersohn Ali
ins Wunderbare, vorab ins militärisch-Wunderbare gesteigert
; die Gestalten bleiben aber unpersönlich leblos.

Den ungeheuer breiten Stoff hat P. durch geschickte
Referate übersehbar gemacht, die literarische Form, die
zu Vergleichen locken konnte, nur soweit als notwendig
behandelt und sich in der wissenschaftlichen Auswei tung
auf das Religionsgeschichtliche beschränkt. Gerade
dessen mageres Ergebnis ist wichtig. Denn aller hohen
Dogmatik oder tiefen Mystik zutrotz ist auch dieser
Islam des Schwertes, des fanatischen Dünkels und des
primitiven Jenseits-Eudämonismus echt. Und je mehr
theologische Forschung am Islam fortschreiten sollte,
desto wichtiger wird auch die Paret'sche Sammlung als
notwendiges Korrektiv.

Hamburg._R. Strothmann.

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte. Hrsg. i.

Auftr. d. Vereins f. Brandenburgische Kirchengeschichte v. Lic. Walter

Wendland. 25. Jahrg. Berlin: M. Warneck in Komm. 1930.

(240 S.) gr. 8°. RM 4—.

Dieser Band, dem ein alphabetisch nach den Verfassern und systematisch
geordnetes Inhaltsverzeichnis für die Jahrgänge 1-25 vorangeht
, schließt die Reihe des ersten Viertelhunderts würdig ab. Alfred
Peter gibt unter der Überschrift: „Die Schutzheiligen im Barnim und
Teltow" einen sehr beachtenswerten Beitrag zur Patrozinienforschung.
Im 1. Teile werden die Heiligen, denen die einzelnen Kirchen, Altäre,
Kommenden und Lehen geweiht sind, zusammengestellt, im 2. erhalten
wir „den Versuch einer vorläufigen siedlungsgeschichtlichen Auswertung".
Kurt Klinkott setzt seine Monographie über das Karthäuserkloster
„Barmherzigkeit Gottes" bei Frankfurt a. O. fort. Burkhard v. Bonin
bietet unter dem Titel: „Erich von Lindau", anknüpfend an die beiden
vielbesprochenen die Kirche in Zachow bei Katzin an der Havel betreffenden
Urkunden vom 28. Dez. 1170, einen Beitrag zur Geschichte
des märkischen Kirchenrechtes. Derselbe erklärt das in den Entscheidungen
des Cöllnischen Konsistoriums begegnende Wort „Sekel-
mehde" (Sichelbier). Es handelt sich um einen aus uralter germanischer
Zeit, aus der Zeit vor der Slawenherrschaft, stammenden Brauch, wonach
der Priester den zehntpflichtigen Bauern bei der Ablieferung des Zehnten
ein Faß Bier reichen mußte; das Konsistorium bekämpft ihn. Rudolf
Lehmann gibt eine sehr dankenswerte Übersicht über „Die Reformation
in der Niederlausitz". Otto Fischer ergänzt seine „märkischen
Pfarrergeschlechter". Otto Cl einen vermutet als Verfasser
einer 1532 erschienenen Flugschrift: „Aus was Ursach Gott dem Türken
verhängt (zuläßt), daß er die Christenheit so stark überzieht (bekriegt)"
den „altevangelischen" kurbrandenburgischen Kanzler Wolfgang von
Ketwig. Hermann Priebe veröffentlicht „eine bisher unbekannte
Handschrift von Paul Gerhardt" : 1. drei Lektionen für Weihnachten,
allegorische Auslegungen alttestamentlicher Weissagungen; 2. ein Neujahrsgebet
, 3. je ein Gebet zur Matutin und zur Vesper, 1 u. 2 in
dem ersten Lübbener Amtsjahr Gerhardts 1669 , 3 erst kurz vor
seinem Tode entstanden. Elisabeth Fischer-Krückeberg leitet
ihren Aufsatz: „Zur Geschichte der reformierten Gesangbücher des
Berliner (lutherischen) Kantors Joh. Crüger" durch eine kurze Darstellung
der Musikpflege am Hofe der brandenburgischen Kurfürsten,
besonders der Musik im Berliner Dom ein (der Hof verzichtete nach
seinem Übertritt zum reformierten Bekenntnis nicht auf Kirchenmusik).
Richard Rudioff veröffentlicht einen Brief des Andreas Fromm,
datiert: Prag 11. April 1668, vordem Propsts, Superintendenten und
Konsistorialrats in Cölln, über seinen Übertritt zur katholischen Kirche;
die Streitereien zwischen den Reformierten und Lutheranern veranlaßten
ihn dazu. Theodor Wotschke gibt sorgfältig kommentierte „Beilagen
" zu seiner Abhandlung über den „Freundeskreis des Mystikers
Breckling". Walter Wendland widmet dem märkischen Heimatforscher
Adolf Parisius, der dem Vorstand des Vereins seit seiner Gründung
i. J. 1903 angehört hat, einen Nachruf. Von W. stammen auch
das schon erwähnte Inhaltsverzeichnis und die meisten Bücherbesprechungen
am Schluß.

Zwickau i. Sa. O. Clemen.

Bau mann, Emil: Die Karthäuser. Einzig berecht. Übertrag, a.
d. Französischen v. Charlotte Demming. Münster: Helios-Verlag,
o. J. (IV, 184 S. m. 1 Taf.) 8°. geb. RM 5.75.

Ein echt französisches Buch in guter deutscher

| Übersetzung. Ohne wissenschaftliches Gerüste oder
systematischen Aufbau wird in unterhaltendem Ton und
moderner Schreibweise die Art des Kartäuser Ordenslebens
in Geschichte und Gegenwart geschildert. Nach

; einer Einleitung, welche die Veranlassung und die Art
des Buches begründet, erzählt B. zuerst das Leben des
Ordensstifters, des h. Bruno, dann geht er mit einem

. Sprung zur Gegenwart und beschreibt, was er auf einer
Besuchsreise in den vier Kartäuser Klöstern Miraflores,

: Calci, Franeta und Valsainte gesehen und erlebt hat, sodann
werden eingehend bis in kleine Einzelheiten die
Liturgie, die Statuten und Leitung, die Heranbildung der

j Novizen, das innere Leben der Kartäuser geschildert,
und endlich auf die Geschichte des Ordens ein kurzer
Rückblick geworfen. Ein Anhang gibt den Stundenplan
und die Kleidung in den heutigen Kartäuserklöstern
.

Man bekommt in der Tat einen lebendigen Eindruck
von dem Wesen und Leben dieses Ordens, für den der
Verfasser, welcher Laie ist, eine große Bewunderung hat,

; wenn er auch die Kritik nicht ganz unterlassen kann.
„Verzückt lauschte ich den Worten Dom H.'s, gleichsam
als hörte ich einen Geist auf einer Engelsharfe nie gehörte
Melodien spielen. Er hatte sich soeben von mir
verabschiedet, als ich beim Refektorium Dom Kl. begegnete
, der geschäftig aus der Küche kam. „Der

j Bruder Küchenmeister" so vertraute er mir, „hat vergessen
die Bohnen zu salzen. Die Patres werden sagen:
, Womit beschäftigt sich eigentlich der Prokurator?' Ich
hatte dem Bruder sein Versäumnis vorgehalten. Er
war böse, aber ich habe ihm gesagt: ,Nun, nun! Ärgern
Sie sich nicht darüber' " (S. 62).

Der Kartäuser verzichtet ja darauf, nach außen
hin zu wirken, aber sein beschauliches Leben ist bis ins

! kleinste vorgeschrieben. Z. B. wird dem Novizen befohlen
, bei der Wandlung in der Messe sich auf die

1 Erde zu werfen in Erinnerung an Jesu Kampf in
Gethsemane, aber er soll „sorgfältig darauf achten, diese
Geste, wie die Statuten sagen Lateraliter et honeste
auszuführen, d. h. indem man sich auf die eine Seite
und den Ellenbogen stützt, und bei dieser Zeremonie

; alles vermeidet, was die Schicklichkeit verletzen könnte.

| Es ist sogar ratsam nicht allzulang in dieser Stellung

1 zu bleiben, sondern sich wieder auf beide Knie aufzu-

I richten" (S. 140). Der Heroismus des Kartäusers besteht
darin, „daß er in einer Daseinsform beharrt, in
der er alle seine Ansprüche Zeit seines Lebens auf die
vier Wände einer Zelle beschränkt und nachher auf
einige Fußbreit Erde" (S. 13). Daß dieses monotone
Leben, wo man in mystischer Beschauung Gott zu
ergreifen sucht, gefährlich ist, kommt oft zum Ausdruck
: „Dieser Aufstieg auf senkrechter schmaler Leiter,
wo man jede neue Sprosse nur immer mit der Gefahr
erklimmen kann, tiefer hinabzustürzen, wenn nicht gar
durch die Leere verschlungen zu werden, das ist der
Innenzustand des Kartäusers" (S. 166). Ergreifend sind
z. T. die Schilderungen der inneren Kämpfe von Kartäusern
, wie sie S. 157—161 wiedergegeben werden.
Wer dieses Buch liest, der lernt verstehen, warum
Luther so sehr gegen das vergebliche Streben der
Mönche und gerade besonders der Kartäuser eifert, auf
selbsterwählten seltsamen Wegen durch eigenes Bemühen
Gott zu erfassen, was doch nie zum Ziel, sondern
bei den einen zu Selbstbetrug, bei den andern zu
Verzweiflung führt.
Stuttgart.___Ed. Lempp.

Dreß, Lic. Walter: Die Mystik des Marsiiio Ficino. Berlin:
W. de Gruyter & Co. 1929. (XI, 216 S.) gr. 8°. = Arbeiten z.
Kirchengesch., hrsg v. E. Hirsch u. H. Lietzmann, 14.

RM 15—; geb. 16.50.
Die sehr sorgfältig und mit methodologischem Bedacht
geführte Untersuchung bemüht sich mit Erfolg