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Ausgabe:

1931 Nr. 13

Spalte:

296-298

Autor/Hrsg.:

Chapman, John

Titel/Untertitel:

Saint Benedict and the sixth century 1931

Rezensent:

Krüger, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 13.

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moralischen Vorbedingungen der Selbstbesinnung: „Beweis
und Kausalschluß sind als solche an keine moralischen
Bedingungen gebunden, und weder Aristoteles
noch Thomas erwähnen solche bei ihren Gottesbeweisen,
wohl aber Piaton und Plotin und Augustin, weil in
ihrem religiösen Denken ein anderes, von unserem
Standpunkte nicht mehr rein intellektuelles, sondern
letzterdings mystisches Aufbaugesetz waltet", S. 381 f.
Anfechtbar erscheint mir dagegen der Satz auf S. 390,
Anm. 11: „Es war eine Inkonsequenz, daß Augustin
ontologisch die „Ausstrahlung" aufgab, aber nun doch
gnoseologisch die „Einstrahlung" beibehielt. An dieser
großen Inkonsequenz krankt, sachlich beurteilt, die Au-
gustinische Erkenntnislehre, insbesondere seine Lehre
von der Gotteserkenntnis". Wird nicht auch im 10.
Buche der Konfessionen Gott ein Licht genannt, ist
nicht vom Glanz der Wahrheit die Rede, heißt es nicht
Kap. 27: „Du blitztest, strahltest und verjagtest meine
Blindheit"? S. scheint zu meinen, daß die Illuminationstheorie
eine „Ausstrahlung" im emanatistischen Sinne
voraussetze; das dürfte aber ein im Zusammenhang des
sonst feinsinnigen Aufsatzes etwas plump anmutendes
Fehlurteil sein.

Ich referiere noch kurz über den Beitrag von F. J.
von Rinteln: „Deus bonum omnis boni. Augustinus und
modernes Wertdenken". Hier werden Augustins bekannte
Gedanken über Gott als höchstes Gut und die
auf das höchste Gut hingeordneten relativen Güter nach
Möglichkeit in die Begriffssprache der modernen Wertphilosophie
übertragen. Es ergibt sich, daß er einen
Wertrealismus vertritt, daß er eine Stufenreihe relativer
Werte und zugleich relativen Seins lehrt, die im absoluten
Sein und Wert gipfelt, daß das zuhöchst und zuletzt
Gott meinende Seligkeitsstreben des Menschen
nicht im Sinn eines hedonistischen Wertsubjektivismus,
sondern eines qualitativ inhaltlich fundierten Wertobjektivismus
zu verstehen ist. Im Ganzen zweifellos richtig.
Insbesondere ist es wichtig, daß man Augustin nicht
als Eudämonisten gewöhnlichen Schlages mißversteht.
Gleichwohl wird man mit Holl, dessen Abhandlung
über Augustins innere Entwicklung in dem ganzen
Buche unerwähnt bleibt, urteilen dürfen, daß Augustins
Religion nichtsdestoweniger eudämonistisch infiziert ist,
und zwar darum, weil bei Augustin auf das Seligkerts-
verlangen und seine Befriedigung mindestens ein zu
kräftiger Akzent gelegt wird. Das liegt nicht an mangelnder
Wertobjektivität des höchsten Gutes — die ist
bei Augustin vollkommen gewahrt — sondern daran,
daß die Wertskala mehr ontisch als ethisch orientiert ist.
Da der Nächste und ich, ontisch betrachtet, gleich hoch
stehen, werden Nächsten- und Selbstliebe bei Augustin
einfach koordiniert. Sie gewähren das gleiche Maß der
Befriedigung. Weil die Wertskala in Gott gipfelt, von
dem letztlich nichts weiter gesagt werden kann, als daß
er das absolute und einfache Sein ist, bleibt Augustins
Frömmigkeit mehr mystisch als ethisch, und damit hängt
dann das auffällige Hervortreten des Seligkeitsinteresses
zusammen.

Auch über die noch nicht genannten Aufsätze von
J. Mausbach: „Wesen und Stufung des Lebens nach dem
hl. Augustinus", K. Romeis: „Zum Begriff des Übernatürlichen
in der Lehre des hl. Augustin", O.Schilling:
„Die Staatslehre des hl. Augustinus nach De civ. Dei"
(hier kräftige, aber man muß sagen, im Ganzen nicht
unberechtigte Polemik gegen die Auffassung neuerer
protestantischer Forscher), A. Schmitt: „Mathematik und
Zahlenmystik" wäre, wenn der Raum es zuließe, noch
manches zu sagen. Doch findet sich in ihnen kaum
wesentlich Neues oder sonderlich Bemerkenswertes.
Zum Schluß nur noch eine Reflexion. Von kleinen Einzelheiten
abgesehen, wo einer dem andern widerspricht,
fügen sich sämtliche Aufsätze wie ein Baustein an den
andern. Die verschiedenen Linien ergänzen sich trefflich
zu einem Bilde. Wie kommt das? Ist das die Macht
der historischen Wahrheit? Dann wäre zu wünschen,

daß sie sich immer in diesem Maße durchsetzen möchte.
Ich fürchte, wenn 18 protestantische Theologen über
j Augustin geschrieben hätten, würden sich ganz andere
I und zum Teil einschneidende Meinungsverschiedenheiten
j ergeben haben. Warum geschieht das in diesem Falle
i so gar nicht? Kann sein, daß die Herausgeber nicht
! zusagende Beiträge ausgeschaltet haben. Aber vermutlich
werden sich alle Verfasser bewußt oder unbewußt
j von der Norm haben leiten lassen, die einer von ihnen
— Romeis, S. 236 — in folgenden Worten ausspricht:
„Es dient den Belangen des katholischen Dogmas, wenn,
soweit es nur angeht, in seinem Sinn und Geist des
Gnadenlehrers Worte gedeutet und verstanden werden
I können".

Iburg. w. Thimme.

[Augustinus:] Bekenntnisse und Gottesstaat. Sein Werk
ausgewählt von Joseph Bernhart. Leipzig: Alfred Kröner o. J.
(III, 360 S. m. 1 Bildnis) 8°. = Kröners Taschenausgabe Bd. 80.

geb. RM 4—.

Das Buch bringt ausgewählte Abschnitte aus den
beiden Werken Augustins, die geschichtlich den stärk-

I sten Einfluß geübt haben. Vorangeschickt wird das berühmte
einleitende Gebet und ein großer Teil des zwei-

i ten Buches der Soliloquien. Die Aufnahme des ersteren

[ ist dankenswert, die des letzteren, worin größtenteils
recht spitzfindige Grübeleien enthalten sind, kann beanstandet
werden. Da hätte auch noch anderes mit demselben
und größeren Recht hervorgesucht werden können
. Die Auswahl aus den Konfessionen, sowie De

; civ. Dei dagegen ist gut. Freilich mag man zweifeln, ob

■ wer die ca. 150 Seiten liest, die aus jenen mitgeteilt
werden, nicht vorziehen würde, den ungekürzten Text
zu lesen. Anders liegt es bei dem umfangreicheren, umständlicheren
Werke De civ Dei. Hier beginnen die

[ Textproben mit dem 2. Teil, und die glückliche Auswahl
der wichtigsten Stellen läßt die Gedanken des
Kirchenvaters in ihren Hauptzügen mächtig und eindrucksvoll
vor den Leser hintreten. Ich würde es begrüßt
haben, wenn nicht nur viele, sondern sämtliche
Stücke in Hefeies Übersetzung wiedergegeben wären.
Denn dessen Meisterschaft wird weder von dem Her-

ausgeber selbst noch von Silbert oder Schroeder erreicht,
und so lesen sich die von verschiedenen Übersetzern
stammenden Partien etwas uneinheitlich.

Ungewöhnlich geistvoll und bei aller Prägnanz inhaltreich
ist die Einleitung Bernharts. Immerhin macht
man einige Fragezeichen an den Rand. Kann man wirklich
sagen, die Autorität eines hinreißenden Auftretens
habe Augustin gefehlt? (S. 7). Wir kennen doch Augustins
Predigten zum guten Teil und wissen und
können noch nachfühlen, wie sie die Hörer oft gepackt
haben. Ob die Lektüre des Hortensius nicht doch „eine
Wendung in der Tiefe" hervorgebracht hat? (S. 9). Er
selbst wenigstens hat das behauptet. Ist es wohl korrekt
zu behaupten, A. habe die Zeit als „Funktion der Ewigkeit
in der Seele", als „Form des Bewußtseins" erfaßt,
meinte er wirklich, die Zeit sei „unser Eindruck von
der Bewegung der Dinge aus einem Zustand in den
andern"? (S. 21). Und lassen sich diese verschiedenen
Augustins Gedanken modernisierenden Bestimmungen
auch mit einander vereinigen? Wichtiger ist mir etwas
anderes. Ich glaube, A. ist doch in höherem Grade
rationalistischer Intuitionist gewesen als die allzu vorsichtigen
und einschränkenden Ausführungen auf S. 187
zugeben wollen. Aufs Ganze gesehen finde ich die 26 S.
starke Einleitung jedoch ausgezeichnet.

| Iburg. W. Thimme.

I Chapman, Dom John: Saint Benedict and the sixth Century.

London: Sheed & Ward 1929. (VII, 239 S.) 8°. 10 sh. 6 d.

Seinen Stadies on the Early Papacv (1928) hat der
kenntnis- und gedankenreiche Benediktiner rasch ein

■ weiteres Werk folgen lassen. Darin ist eine Anzahl lose
neben einander stehender Aufsätze zur Einheit zusammengefaßt
. Sie gruppieren sich fast alle um die Frage: