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Ausgabe:

1931

Spalte:

265-268

Autor/Hrsg.:

Lehmann, Friedrich Rudolf

Titel/Untertitel:

Die polynesischen Tabusitten 1931

Rezensent:

Clemen, Carl

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

unter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES und Prof. D. Dr. GEORG WOBBERMIN, beide in Göttingen

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljabrsheften. Bearbeitet von Lic. Dr. phil. REICH und Mag. theol. H. SEESEMANN, beide in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

Manuskript, und pnlehrte Mitteilungen sind ausschlieElieh an Professor D. BAUER in Coltingen, DQstere Eichenweg 46, au senden,
Reaensionseaemplare a u es c h I i e 11 i c h an den Verlag. Gewahr für Besprechung oder Rücksendung von unverlangt gesandten Resensions-
exemplaren, besonders noch bei Zusendung nach Güttingen, wird nicht Übernommen.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1

56. JAHRGANG, Nr. 12 6. JUNI 1931

Spalte

Alt heim: Terra Mater (Pfister)......268

Doms: Die Gnadenlehre des sei. Albertus

Magnus (Betzendörfer) ..........275

Heidegger:V.Wesend.Grund.(Knittermeyer) 270
Heidenmission, Die deutsche evangel. (Witte) 287
Heim u. Kurosaki: Mystik oder Ver-

Spaltej Spalte
Kalt: Biblisches Reallexikon (Caspari) . . 270 S ch rei ner: Pädagogik a. Glauben (Kesseler) 284
Koepp: Die gegenwärtige Geisteslage und Schüttpelz: Der Wettlauf der Apostel u.

die „dialektische" Theologie (Wobbermin) 278 die Erscheinungen des Peregrinispiels im
Lehmann: Die polyn. Tabusitten (Clemen) 265 geistlichen Spiel des Mittelalters (Schröder) 274

Montefiore: Rabbinic literature and

Gospel teachings (Fiebig).........271

söhnung (Stählin)............. 277lSc h a u in b erger: Der 14. Nisan als Kren-
Johann Georg: Neue Streifzüge durch zigungstag und die Synoptiker (Bultmann) 272jZiegler: Die Liebe Gottes bei den Pro-
die Kirchen u. Klöster Ägyptens (Duensing) 273,Scho>;h : Christi Kreuzigg.am 14.Nisan(Ders.) 272 pheten (Caspari)..............271

Schuller: Der evang.-sächs. Pfarrer in seiner

kulturgeschichtl. Bedeutung (Werdermann) 286
Tharaud, La Palestine (Hertzberg). . . . 270

Lehmann, Dr. F. Rudolf: Die polynesischen Tabusitten. Eine
ethno-soziologische u. religionswissenschaftl. Untersuchung. Leipzig:
R. Voigtländer 1930. (VII, 344 S.) 4°. = Veröffentlichgn. d. Staatlichsächsischen
Forschungsinstitutes f. Völkerkunde in Leipzig. Hrsg. v.
O. Reche. 1. Reihe: Ethnographie u. Ethnologie 10. Bd. RM7-.

Fischfang, Boot- und Hausbau, desgleichen zur Kriegszeit. „Sobald man
zum Kampfe aufrief, mullten sich die Männer von ihren Frauen trennen.
Während des Kriegszustandes verständigten sich die Eheleute lediglich
durch verschiedene Arten des Pfeifens oder mit einer großen Sprechtrompete
. Sobald die Krieger den Lagerplatz verließen und zum Kampf

Die vorliegende Untersuchung ist aus der preisge- ausz°ß f'„ u a 5Then l l M'. «a,™? d? Kampfes galt

krönten Bearbeitung einer von der nhilosonhischen Fa- I K ebenfalls verschiedene Tabus zu beachten (S. 189). Bestimmte Tabus

i u-? a Ii Z-l , • . Q€r Pn»0!>opniSCnen ra- wurden endlich durch Zeichen, die an den betreffenden Gegenständen

kultat der Universität Leipzig gestellten Aufgabe her- I angebracht waren, eingeschärft oder wurden dadurch verhängt, daß man

vorgegangen und zerfallt, von den Tabellen zur Ver- j einen Gegenstand als einen Teil seines Körpers (seinen Kopf, sein Rück-

breitung des Wortes Tabu und seiner Analoga in Ozeanien
und Indonesien sind abgesehen, in drei Teile.

Der erste behandelt die Quellen von den Tagebüchern Cooks und
seiner Begleiter an, bei denen unterschieden wird, ob die Berichterstatter
das Wort Tabu für ihre eigne Darstellung als tenninus technicus
anwenden oder ob sie seinen Gebrauch durch die Eingebornen wiedergeben
; in letzterer Beziehung sind die Texte in Südseedialekten besonders
wichtig. Weiterhin die sprachliche Untersuchung ergibt, daß tabu
verboten bedeutet; der Begriff ist nach Rivers von den sog. Kavaleuten
mitgebracht worden, die ihrerseits wahrscheinlich aus Hinterindien stammten
. Die bei weitem umfangreichste Prüfung der Berichte endlich unterscheidet
gesellschaftliche und körperlich bedingte Tabus und versteht

grat) bezeichnete bez. ihm seinen oder den Namen eines andern beilegte
. Andrerseits die Tabus einzelner Körperteile bezogen sich auf den
Kopf und die Haare, diejenigen besondrer körperlicher Zustände auf
Menstruation, Schwangerschaft und Entbindung, sowie auf Krankheiten
und Todesfälle. Von ihnen werden dann noch besondre religiöse Tabus
unterschieden, die sich unmittelbar aus dem Glauben an die Heiligkeit
eines Objekts ergaben, und als solche galten namentlich die Götterbilder
. Auch die Bäume, aus deren Holz diese hergestellt wurden,
verfielen dadurch einem Tabu, desgleichen die Plätze, wo sie standen,
und die Namen, die die Gottheiten selbst trugen. Diese sollten sich
ferner in Tieren, Pflanzen oder andern Gegenständen und Naturerscheinungen
manifestieren können, und deshalb galten die ersteren wieder

Unter ihnen wird wieder an erster Stelle das Vetorecht der Könige
Häuptlinge und aristokratischen Ratsversammlung besprochen, auf Grund
dessen namentlich Nahrungsmittel (darunter Menschenfleisch), aber auch
andre Gegenstände, gewisse Gegenden, sexueller und anderer Verkehr,
Feindseligkeiten zeitweilig verboten wurden. Weiterhin die aus der
Heiligkeit der Häuptlinge sich ergebenden Tabus mußten teils von diesen
selbst, teils von anderen beobachtet werden: die Häuptlinge durften
nicht mit andern zusammen essen und andre durften nicht von den

unter den ersteren zunächst solche, die mit Standespersonen sei es geist- > ab?tabU ~ »uch, ™il sich in ihnen die Seelen von Abge

licher, weltlicher, militärischer oder wirtschaftlicher Art verbunden waren. sch.edenen verkörpern konnten Ebenso waren d,e Opfergaben tabu,

auch die Menschenopfer, deren Abschaffung ebenso wie die der andern
alten Tabusitten durch das Christentum zum Schluß noch geschildert
wird. Doch kann darauf hier ebensowenig eingegangen werden, wie
auf die Erörterung zahlreicher anderer Seiten der polynesischen Kultur,
die nebenher stattfindet und so die Arbeit beinah zu einer Monographie
über diese macht.

Dabei wird jede Inselgruppe für sich untersucht
und für sie wohl die ganze einschlägige Literatur beSpeisen
der ersteren genießen oder auch nur die Gefäße, aus denen rücksichtigt. Es ist auch anzunehmen, daß auf die be
jene gegessen oder getrunken hatten, gebrauchen, ja die ersteren j treffenden Sitten von dem jeweiligen Berichterstatter
durften wenigstens zu gewissen Zeiten auch selbst ihre Nahrung nicht | wirklich der Name Tabu angewandt wird, wenngleich
berühren, sondern mußten sich füttern lassen. Sie durften ferner den
Boden nicht betreten, sondern wurden getragen, sie durften kein fremdes
Haus besuchen, während ihr eignes diejenigen, die sich in es begeben
hatten, auch nachdem sie es wieder verlassen hatten, schützte, sie durften
die Augen nicht nach oben richten, sondern mußten den Kopf hängen
lassen, und ebensowenig durften andre die Häuptlinge berühren oder
auch nur Wörter gebrauchen, die mit dem Namen eines Häuptlings
übereinstimmten oder zusammengesetzt waren. Auch mit dem Priester-
tum hingen Tabus zusammen, die teils von den Inhabern jenes, teils
von andern beobachtet und in diesem Falle von den ersteren verhängt
wurden. So dienten die Tabus als Rangkennzeichen; außerdem durfte
man vor einem Ranghöheren nicht stehen, unbekleidet erscheinen oder
ihm „aufs Dach steigen". Besondre Tabus galten dann für die Frauen:
sie durften nicht mit den Männern zusammen und manche Dinge überhaupt
nicht essen, kein Heiligtum betreten, mußten vor der Ehe keusch
leben und in der Ehe ihren Männern treu sein. Ferner gab es Tabus
in Wirtschaft und Technik: bei der Landbestellung, dem Vogel- und

nicht immer klar ist, ob sie das von sich aus oder nach
dem Sprachgebrauch der Eingeborenen tun. Immerhin
konnte L. in einem Schlußabschnitt sein wenngleich
regional beschränktes Material psychologisch zu deuten
versuchen und behauptet zu diesem Zweck zunächst,
„daß der Tabubegriff nicht von vornherein eine moralische
, religiöse, politische oder rechtliche Qualität besitzt
, sondern eine solche erst durch seine praktische
Verwendung, also durch die Materie, auf die er sich
bezieht, empfängt" (S. 283). Weiterhin unterscheidet
er Verbote, Meidungen und Enthaltungen und sagt genauer
: „Öffentliche Verbote liegen vor, wenn
Unterlassungen von einer obrigkeitlichen Instanz, wie
wir sie in den Abschnitten über die Häuptlinge, Priester
und Räte besprochen haben, verlangt werden; private,

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