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Ausgabe:

1931 Nr. 11

Spalte:

249-250

Autor/Hrsg.:

Vaganay, Léon

Titel/Untertitel:

L' Évangile de Pierre 1931

Rezensent:

Bauer, Walter

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249

Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 11.

250

dung für meine Behauptung zitiere ich auch den Prospektzettel
des Verlages für die vorliegende Schrift.
Ein katholischer Dogmatiker findet, daß das „Problem
der Geisteslehre nicht allseitig gelöst sei". In diese
Lücke will die Schrift mit eintreten.

Die Einzelheiten hängen großenteils mit dem Ausgeführten
zusammen. Befremdlich wirkt die Behandlung
des Satan-Problems in diesem Rahmen; es umfaßt
über ein Drittel des Buches. Hier handelt es sich
doch um eine ganz andere Fragengruppe! Offen bleiben
auch hier Fragen: Wenn kein Dualismus im A.T. besteht
, welches ist nun das genau umrissene Verhältnis
von Gott und Teufel? Weiter hören wir einmal, daß
der „aktuelle Wert" des Satanglaubens nicht groß war.
Dann: Die Propheten sprachen nicht von ihm, weil er
„bei der Mentalität des Volkes ungleich schwerer Eingang
fand". Wie soll man das verstehen? Hätte er
eigentlich eingehen sollen? Woher kam er denn? Eine
Entwicklung des Satanglaubens wird nicht gezeigt; -ow
bedeutet einfach nicht den Satan, erst in iBOn ist er
gemeint. Durchaus nicht überzeugend wirkt die Erklärung
der c-n':s -n in Gen 6 als Menschen; vergl.
etwa Ps. 29, 1. Es ist nicht erwiesen, daß die Paradiesesschlange
mit dem Satan identisch oder auch nur
sein Prototyp sei. Der Totengeist in I. Sam. 28 „hat"
nicht ein sondern der Wahrsager verfügt über ihn, ist so
ein „Wisser". Ob es angängig ist, Rudolf Kittels „Die
Religion des Volkes Israel" unter die „populärwissenschaftlichen
Werke" zu rechnen? Noch eine störende
Kleinigkeit: LXX ist Plural!
Ober-Breidenbach i. Hessen. Adolf Wendel.

Vaganay, Leon: L'Evangüe de Pierre. Preface par M.-J.
Lagrange. Paris: J. Gabalda et Fils 1930. (XXIII, 357 S.) 8°.
= Ehides Bibliques. 50 Fr.

Dieses umfangreiche Buch über das Petrusevangelium
bildet einen Teil der, dem Bibelforscher so gut
vertrauten, Collection d'etudes bibliques. Wer den ausgesprochen
katholischen Anstrich des Unternehmens
kennt, mag sich vielleicht wundern, gerade hier Saul
unter den Propheten zu begegnen. Jedoch Lagrange
klärt uns im Vorwort darüber auf, daß Gegensatzwirkung
beabsichtigt sei. Das apokryphe Evangelium soll
uns die kanonischen um so besser verstehen lehren und
unsere freudige und dankbare Genugtuung über ihren
Besitz erhöhen.

Die Aufnahme in die Collection ist außer an gut
katholische Gesinnung noch an andere Bedingungen geknüpft
. Dazu gehören gründliche Vertrautheit mit dem
gelehrten Stoff und eine bestimmte Anlage der Arbeit,
die auf eine sehr umfängliche „Einleitung", die sich
über alle nur denkbaren Fragen im Zusammenhang verbreitet
, Text, Übersetzung und Kommentar folgen läßt.
So ist denn auch unser Beitrag eingerichtet, an seiner
Spitze mit einer überfließend reichen Bibliographie versehen
, einem Beweis großer Hingabe des Verf. an
seinen Gegenstand. V. fühlt sich um so mehr zu unermüdlicher
Tätigkeit angespornt, als bisher noch keine
Schrift über das Petrusevgl. das Thema erschöpft hat,
keine auch inhaltlich voll befriedigt. Jetzt stehen wir
— meint er — der Entdeckung des großen Bruchstücks,
auf dem unsere Kenntnis des Ptev. hauptsächlich ruht,
in ausreichendem Abstand gegenüber, um es unbefangen
und ohne Nebengedanken würdigen zu können (S. 32).

Das Ergebnis seiner Bemühung ist, daß das Ptev.
kein gnostisches Sektenevangelium zu nennen sei, sondern
zum Gemeinchristentum gehöre (S. 122. 175).
Großer Verbreitung durfte es sich nicht erfreuen. Um
das Jahr 120 wäre es, vermutlich in Syrien (179 f.),
entstanden. Diese Auffassung wird unter Heranziehung
des gesamten gelehrten Materials in Auseinandersetzung
mit abweichenden Auffassungen durchgeführt. Nicht alle
Einzelheiten befriedigten in gleichem Maße, mich z. B.
nicht, was S. 72—77 über die Beziehungen des Ptev.
zum Sinaisyrer und zum Diatessaron dargelegt wird;

ebensowenig der Versuch zu zeigen, daß das Ptev.
durchaus nicht nur von dem Bestreben geleitet wäre,
die Juden ins Unrecht zu setzen. Würde doch V. 25 von
ihrer Reue erzählt (S. 103). Aber dieser Vers will
doch nicht sagen, daß ihnen ihre Schandtat leid tut.
Sie bedauern nur, aus den Zeichen beim Tode
Jesu erkennen zu müssen, daß das Gericht im Begriffe
i ist, über sie hereinzubrechen. Oder, daß uciyiogelv
j „sich zurückziehen" bedeuten könne (S. 295), hätte
ich gern lexikalisch belegt gesehen.

Doch das sind Kleinigkeiten, über die sich reden
läßt. Direkt unangenehm berührt mich aber der Ton
der Polemik, der hier beliebt ist, und den Lagrange in
der Vorrede beifällig dahin kennzeichnet, V. habe sich
nicht das Vergnügen versagen können, die radikale Exegese
ad absurdum zu führen, welche die angeblichen
Mängel der Berichterstattung der biblischen Evangelien
so unerbittlich bloßlege, während sie einem mittelmäßigen
Nachtreter gegenüber größte Duldsamkeit bekunde
. Diese Karikatur wäre besser ungezeichnet geblieben
, aber sie charakterisiert trefflich das Verfahren
des Verf.

Trotzdem er es gelegentlich selbst ausspricht, daß
ein neuer Fund nun einmal dazu verführe, über das

i Ziel hinauszuschießen, bringt er es nach fast vierzig

; Jahren noch fertig, den Th. Zahn von 1893 gegen den
A. Harnack von 1892/93 auszuspielen und sicf^an den

j rationalistischen Schwächen zu ergötzen, die das Hand-

| gemenge ihm enthüllt. Und doch weiß jeder, der es
mit den Dingen ernst nimmt, daß Harnack selbst in

' Augenblicken der Ekstase niemals behauptet hat, das
Ptev. sei als Geschichtsquelle höher zu werten als die
kanonischen Darstellungen des Lebens Jesu. Nur, daß
diese schlechthin und in allen Stücken unübertrefflich
seien, das hatte er freilich nicht mit der theologischen

; Muttermilch eingesogen. Für diesen Standpunkt wird

■ V. beim hl. Irenaus immer mehr Verständnis finden als
bei Harnack und Seinesgleichen.

Ich teile die Meinung des Verf. durchaus, daß die

i Vermutungen, was im Ptev. wohl über die Bekundungen
der Quellen hinaus gestanden haben möchte, wenig Er-

i trag versprechen. Aber es gibt nun einmal Leute, die

I ihr Forschergewissen dazu zwingt, immer wieder an
dem Vorhang zu zerren, der für andere den Hintergrund
endgiltig abschließt. Mir würden die Triumphe, die
hier einer Auseinandersetzung und spöttischem Zweifel
winken, zu billig vorkommen, um in der vom Verf. be-

j liebten Weise darauf aus zu sein.

Doch ich fürchte, wir werden uns nicht einigen.

1 Schon das Bedürfnis, immer Ps.-Petrus zu sagen und
den Verfasser des apokryphen Evangeliums wieder und
wieder „faussaire" zu nennen, zeigt eine ganz abwei-

! chende Einstellung, dem Forschungsgegenstand gegenüber
. Und daß der 3. Evangelist, wenn er vom Schä-
cher handelt, einer Tradition folgt, während Ps.-Pt. in
gleicher Lage eine Anekdote erzählt (S. 240), wird
jedem, dem kein kirchliches Lehramt den Rücken deckt
und steift, wie ein Messen mit zweierlei Maß erscheinen.

Doch, keiner kann aus seiner Haut heraus. Möge
V. die Dinge im katholischen Lichte sehen, wir werden
seinem Fleiß und seiner Gründlichkeit sowie der durch
diese Eigenschaften bedingten Brauchbarkeit seines
Buches die Anerkennung nicht vorenthalten. Aber seinen
Ton lehnen wir ab. Ihn sich gestatten zu dürfen,
dafür ist V. nicht überlegener Geist genug.

Güttingen. w. Bauer.

Lebon, J.: Textes Inedits de Philoxene de Mabboug. Louvain:
j J.-B. Istas 1930. (140 S.) 4°. = Sonderdr. a. Le Museon, 1930,
t. XLIII.

Philoxenus von Mabbug (Hierapolis) hat als ent-
! schlossener Bekämpfer des Chalcedonense wie der Ne-
i storianer kirchenpolitisch eine große Rolle gespielt und
i bei seinem Tode im Jahre 523 eine erhebliche Anzahl
| von Schriften über Gegenstände dogmatischer, asketi-