Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1931 Nr. 10

Spalte:

220-223

Autor/Hrsg.:

Lindblom, Johannes

Titel/Untertitel:

Micha 1931

Rezensent:

Budde, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

219 Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 10. 220

sondern daß er eine vorher feststehende, nicht einmal , Patriarchenzeit Polydämonismus und Polytheismus nicht
aus dem Reiche der Wissenschaft stammende, Position : kennte, wäre doch damit das Problem der Vorgeschichte
gegen alle anderslautenden Aussagen durchsetzen will, nur eine Station zurückgeschoben, zu seiner Aufhellung

so ist damit im Prinzip seine Ablehnung ausgesprochen.
Daß kein rechter Gang und Fortschritt der Untersuchung
festzustellen ist, wird aus dem eben Gesagten

nichts gesagt. Oder soll das ins Nebelhafte Stoßen als
Klärungsbeitrag angesehen werden?

Überdies muß ja prinzipiell die Behauptung von

begreiflich. Es ist schon schwer, dem Hin und Her i der Allgemeingültigkeit des Evolutionismus in der heu-
der Gedanken lesend zu folgen; es ist noch schwerer, tigen Religionswissenschaft als unrichtig bezeichnet wer-
über den Inhalt des Buches zu referieren, weil einmal ; den. Die Gegnerschaft scheint dem Verf. nicht bekannt
der und einmal jener Stein — nach des Verf. Ein- j zu sein. Es sei nur an die Forschungen P. W. Schmidts
Stellungen eines einzigen Gebäudes — beklopft und aus- erinnert, an den sich einbürgernden Begriff der übergebrochen
werden. Stehen bleibt, was gerade zum eige- zeitlichen „Typen" anstelle der sich ablösenden
nen Schema paßt, selbst wenn es sporadisch und großen- J „Stufen".

teils abgelehnt dasteht. So ist die Arbeitsweise eine Aber die Besprechung darf daran nicht vorüber-
im Wesentlichen negativ gerichtete. Es fehlt eine sau- j gehen, daß der — wissenschaftliche — Leser durch das
bere Scheidung der Einzelfragen und ihrer Behandlung. Buch sich zu einer Stellungnahme zu Wesen und Grenze
So könnten Punkt 2 und 3 sehr wohl einen Abschnitt i der Religionswissenschaft überhaupt herausgefordert
bilden. Wenn ich einmal den advocatus des Verf. spie- 1 fühlen muß. Trotz gegenteiliger Behauptung will eben
len soll, hätte die Untersuchung etwa folgenden Gang I der Verf. in seiner Schrift die jüdische Tradition und die
haben müssen: 1. Problem und Stand der Forschung. ! für seine Begriffe von der „materialistischen Religions-
2. Die Voraussetzungen aus der allgemeinen Religions- Forschung" angetastete hohe Stellung der isr. Religion
geschichte. 3. Die Auswertung altorientalischer Pa- I und Sittlichkeit verteidigen. Dieses Recht kann ihm
rallelen. 4. Die Behandlung der alttest. Quellen. 5. niemand wehren. Aber Kampfespartner müssen gleiche
Innergeschichtliche Einzelstützen. Bei jedem der Punkte Waffen tragen! Wenn der Verf. behauptet, durch den
2—5 hätten wieder sichtbar geschieden sein müssen: j Evolutionismus werde „die Religion aus dem Gesichts-
a) Forschermeinung, b) deren Begründung, c) Stel- j punkte des Göttlichen unter den des Menschlichen ge-
lungnahme zu dieser Begründung, d) Ergebnis. So i rückt", so handelt es sich hier um nichts anderes als
hätte das Ganze doch den Charakter einer gerechtfertig- I um einen Grenzstreit zwischen Glauben und Wissen,
ten und vielleicht auch förderlichen Nachprüfung ge- j Es kann hier keine ausführliche und prinzipielle Auswonnen
. Urmonotheismus und Universalethik Altisraels einandersetzung über die Aufgaben der Religionswissenstehen
aber als Postulate schon im 1. Abschnitt! Der ! schaft gegeben werden (vgl. dazu übrigens: Joachim
Charakter des positiv Gesagten tritt schon in der For- j Wach: Religionswissenschaft, 1924). Kurz will ich nur
mulierung hervor. Ich zitiere eine Probe: „Das Macht- J das sagen: Je schärfer die Trennung zwischen Frömmig-
volle ist in der Erkenntnis eines einzigen Gottes, des keits-Deuten und Wissenschafts-Erkennen ist, desto

Weltbeherrschers und Welterhalters, in der Grunder
kenntnis der Weltgeltung eines allbeherrschenden sittlichen
Geistes gegeben. Der eigentümliche Zug dieser
Erkenntnis ist die Idee von der unbedingten Beziehung

besser kann jedem der beiden Reiche gedient werden.
Glauben und Wissen sind absolut ungleiche Gegner.
Wie alle Wissenschaft kann die Religionswissenschaft —
zum mindesten die historische — nur das erforschen,

des als unendlich, erhaben, machtvoll und sittlich er- was menschlich-verstandesgemäß an der Religion erfaßfaßten
Überweltlichen zur menschlichen Individualität ! bar und beschreibbar ist. So schließen sich das ver-
und durch sie zur menschlichen Gemeinschaft". Die j standesmäßige Sehen verschiedener Typen und Höhen-
Art der Exegese Rabins ist aus dem Beispiel S. 48 u. 49 i lagen in einer Religion und der Glaubensbegriff der
(Rahel-Teraphim), die Art der Beweisführung auf S. ' (— zumal als fortschreitend gefaßten —) Offenbarung
62 ff. (Jahwenamen) zu erkennen. Es geht eben nicht durchaus nicht aus. Aber auch glaubensgemäß möchte
an, auf alle Methoden einer oder mehrerer Wissen- ; ich, was die vorliegende Schrift betrifft, ganz und gar
Schaftsgenerationen zu verzichten, wenn man nicht we- bestreiten, einmal, daß die Anerkennung von Werde-
nigstens eine gleichwertige handhaben kann. stufen ein negatives Urteil enthalten müsse, sodann, daß
" Wie wenig zur Förderung des Problems selbst die j »nationale" Ethik diesen Namen nicht verdiene! (vgl.
Schrift beiträgt, ist besonders ersichtlich, wenn man sie ! r)1^„5^fll°b]ekt'vere. Bu,h VOVf ^gv? v™™'^
neben die genannte von Alt hält. Er greift nur ein Das Judentum und seine Umwelt, 1927). Von ph,lo-

Stück Fragenkomplex heraus, aber das Resultat sind £Phl^ .^te

durchaus einleuchtende, wohlünterbaute Ergebnisse: Es l £s Entwicklung'anmf«hten; er faßt den Begriff
handelt sich um 3 Typen, die Lokalnumina, den mit | r ^T^'f m5n fm wgf h iT*

Persönlichkeiten verbundenen Vätergott und den überge- 1 Boshaft kon"te 711"a"difm J,erf;npd'e, Fra£e

ordneten Volksgott Jahwe, in den der Vätergott ein- ! ™^en> ™ * SKh^J&?„" ^spekulativem

mündet. Sogar die » vermißte „Offenbarung" hätte Wege erreichten mon^

der Verf. in gründlicher Auseinandersetzung mit dieser gr'f h'schen. Phwf iph,FnÄ *££
Schrift finden können. Gerade in diesem entscheidenden daß das Wort »Entwick<*en zur

SSM £» ÄÄÄI ! S BereS

soll hier bestritten werden". Es ist die Rede von „Akko- m^nJua£ ;hre Grenzen überschritte Ich stehe hier
modation des Überweltlichen an menschliche Fassungs- i senscnatt ihre V^p"zer"in o i ^ c " Iii , ,J

entwicklungsgeschichtliche Einstellung schließt . . . den
Offenbarungsgedanken von vornherein aus". Sachlich

bleibt völlig unklar, welches denn der Unterschied zwi-

diesem prinzipiellen Nachdenken der Wert des Büchleins
gesehen werden.

Ober-Breidenbach i. Hessen. Adolf Wendel.

sehen der Gottesvorstellung der Patriarchen und der | LIndblom, Prof. Joh.: Micha literarisch untersucht. Helsingfons:

des Mose ist. Oder sollen sie als identisch gefaßt wer- Akademiska Bokhandeln (1929). (178 S.) gr. 8°. = Acta Academiae

den? Welches wäre dann aber der Eigenwert der Offen- Aboensis Humaniora, VI, 2.

barung an Mose? Die Frage nach der erstzeitlichen Das Buch trägt dieselbe Jahreszahl wie die erste
Ansetzung des Monotheismus bleibt einfach offen. „Für ' Hälfte der neuen Auflage von Sellin's „Das Zwölfproweiche
Zeit . . auch der Urbeginn angesetzt wird . .". phetenbuch", die mit Micha abschließt, und ist so von Sel-
Selbst wenn die These zu Recht bestünde, daß die lin nicht erwähnt und benutzt. Schade, daß die beiden an-