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Ausgabe:

1931 Nr. 8

Spalte:

180-181

Autor/Hrsg.:

Davids, Jan A.

Titel/Untertitel:

De Orosio et sancto Augustino priscillianistarum adversariis 1931

Rezensent:

Krüger, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 8.

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ben. Er hat aber zugleich mit ihm der Gesamt-Katechis-
mus-Geschichte gedient; wenn noch einmal eine vollständige
Geschichte der evangelischen Katechismen geschrieben
werden soll, so ist der einzige Weg dazu der,
daß jedes beteiligte Gebiet seine Katechismusgeschichte
untersucht und beschreibt. Nur aufgrund solcher Einzelarbeiten
wird bei der Kompliziertheit und Unübersichtlichkeit
des Stoffes sich eine einigermaßen mustergültige
abschließende Darstellung erreichen lassen.

Bei der vorliegenden Darstellung hätte man nun
freilich wünschen mögen, daß von vorne herein scharf
zwischen wirklich mecklenburgschen und zwischen in
Mecklenburg nur angenommenen Katechismen wäre
unterschieden worden. Gleich die ersten Katechismen,
der sogen. Rostocker Katechismus von Slüter, das Handbüchlein
von Toltz und die Bearbeitung der Nürnberger
Kinderpredigten hätten anders eingeordnet werden können
; und die Katechismusfragen des Gesenius hätten
auch gleich als geliehenes Gut ihre Stellung finden
können. Wenn auch der Zusatz auf dem Titel des
Buches „und Katechismus-Unterweisung" die Bezeichnung
solcher von außen eingeführten Bücher als meck-
lenburgsche Katechismen rechtfertigt, der Klarheit wäre
besser gedient gewesen, wenn der Leser nicht erst allmählich
— gewissermaßen zu seiner Überraschung —
erfahren müßte, daß es bei einer Reihe der angeführten
Literatur sich um mecklenburgsche Katechismen im
strengen Sinne des Wortes gar nicht handelt.

Im ganzen aber gewährt Siedens Buch über Mecklenburgs
Katechismen und Katechismus-Unterweisung
einen guten Überblick, und sein nächster Zweck, seine
Landsleute in die Entwicklung des Katechismus in
ihrem Lande einzuführen, wird trefflich erreicht.

Aber gerade weil sein Buch sich diesen Zweck gesetzt
, sei hier gestattet die Frage zu stellen: Was hat
Mecklenburg für die Gesamt-Katechismus-Geschichte geleistet
? Wer einigermaßen unterrichtet ist, wird gleich
auf die Catechesis des David Chytraeus (1554) und das
kleine Corpus doctrinae des Matthaeus Judex (1564)
hinweisen. Beide sind mecklenburgische Katechismen
und beide haben zu ihrer Zeit eine gewaltige Verbreitung
gefunden. Mit Recht stellt Sieden fest, daß des
Chytraeus Catechesis über ein Jahrhundert das Religions
-Lehrbuch für die Lateinschulen im lutherischen
Deutschland gewesen ist; das kleine Corpus doctrinae
aber ist nicht nur in die gelehrten Schulsprachen, sondern
auch in lebende Sprachen vielfach übersetzt. Reu
in seinem großen Quellenwerk: „Quellen zur Geschichte
des Katechismusunterrichts . . . zwischen 1530 und
1600" (I. Teil, III, 1, 1. Hälfte, S. 385* ff. 444* ff.)
unterrichtet über beide aufs Beste.

Aber beide Bücher gehören doch nur einer Periode,
dem Dogmatismus des ausgehenden 16. Jahrhunderts
und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an. Weit
bedeutsamer ist Mecklenburg an der allgemeinen Katechismus
-Geschichte beteiligt durch seinen Katechismus
von 1717, der dann nahezu 200 Jahre seinem Lande
gedient und auch nach auswärts seinen Einfluß geltend
gemacht hat. Dieses Urteil mag zunächst befremden.
Ich erinnere mich, daß man diesen Katechismus, der
noch immer im Gebrauch war, als andere Katechismen,
die mit ihm etwa aus derselben Zeit stammten, längst
vergessen waren oder eine Wiederbelebung nicht vertragen
hatten, belächelt hat, und daß man seinen fortdauernden
Gebrauch lediglich als Rückständigkeit hat
angesehen. Er ist aber der einzige Katechismus, der
während der Zeit des Rationalismus seine Stelle behauptet
, und der noch am Platze war, als man anderswo
in alte Bahnen wieder einlenkte. Sieden nennt es
mit Recht eine dankbare Aufgabe, nachzuweisen, in wie
weit diesem Katechismus ein Verdienst daran zukomme,
daß auch durch die Zeit des Rationalismus hindurch
dem mecklenburgschen Volke ein fester und tiefer Glaubensbesitz
erhalten geblieben ist. Es wird sich lohnen,
dieser Frage nachzugehn. Vor allem aber wird auch im

einzelnen nachzuweisen sein, wie der „alte Katechismus"
in der Zeit des Rationalismus auch in anderen Ländern
heimisch geworden ist, wie Kreise, denen die modernen
Katechismen mißfielen, zu ihm griffen und in ihm die
„reine Lehre" festhielten. Befähigt, sich so lange zu
halten, war der Katechismus, weil in ihm eine milde

i Orthodoxie mit einem milden Pietismus verbunden war,
und weil er durch eine große Einfachheit sich aus-

| zeichnete, darin dem etwas früheren „alten Soetefleisch"
vergleichbar, der auch eine merkwürdige Lebensdauer
gezeigt hat. Daß er die Geschichte dieses alten mecklenburgschen
Katechismus von 1717 genauer untersucht
hat, ist ein Hauptverdienst des Siedenschen Buches.

Der Katechismus ist seiner Zeit mit Langemacks
Historia catechetica zusammen herausgekommen und von
dieser daher noch nicht erfaßt; so war über die Geschichte
der Entstehung dieses Katechismus, den Sieden
mit Recht „ein wertvolles Geschenk an das mecklenburgische
Volk zum 200jährigen Reformationsjubiläum
" nennt, wenig bekannt. Schade ist aber, daß die

'< Geschichte des Buches eigentlich nur auf seine Ent-

; stehung sich beschränkt, und daß die Katechismusge-

■ schichte Mecklenburgs mit dem Anfang des 18. Jahr-
i hunderts abbricht. Die Andeutungen über die weiteren

' Schicksale des Buches hätte man gerne erweitert ge-
! sehen.

Auch hätte man gerne über die Geschichte des
' jetzt in Mecklenburg gültigen Katechismus, und ob
, etwa noch Beziehungen zu dem Katechismus von 1717
; festgehalten sind, noch mehr erfahren. Vielleicht schenkt

uns der Herr Verfasser noch eine diesen Wünschen

Rechnung tragende Fortsetzung seines Buches, indem
1 er das im Mecklenburgschen Kirchen- und Zeitblatt von

1912 (s. S. 131, Anm.) vorliegende Material verarbeitet,
j Der Streit, ob exponierter Katechismus oder nicht, ist
i noch nicht ausgetragen, und wichtig ist jeder Beitrag,

der die Entscheidung fördert. Deshalb bitten wir den
i Herrn Verfasser seine Sachkunde noch eindringlicher
I in den Dienst der Sache zu stellen.

Stederdorf b. Ülzen. Ferdinand Gohrs.

Davids, Johannes Alphons: De Orosio et Sancto Augustino
j Priscillianistarum Adversariis Commentatio historica et philo-
logica. (Diss.). Den Haag: A.N. Govers (1930). (301 S.) gr. 8°.

Es ist kaum anzunehmen, daß eine 300 Seiten um-
i fassende, noch dazu lateinisch — der Verfasser ist

■ Philologe — geschriebene Abhandlung über einen
Gegenstand von beschränktem Interesse in unserer
i schnell arbeitenden Zeit viele Leser finden wird. Und
! das ist schade. Denn es steckt nicht nur viel Fleiß, sondern
auch manches darin, was man so oder jedenfalls

j so bequem zusammengefaßt anderswo nicht leicht fin-
j den wird. Das Rückgrat bildet ein bis ins Einzelste
I gehender Kommentar zu den antipriszillianistischen
Schriften des Orosius und Augustins. Aber Davids
i hat sich damit nicht begnügt, sondern zwei große Ab-
; schnitte über Geschichte und Lehre des Priszillianismus
vorangeschickt, in denen die längere Zeit nicht behan-
i delte Materie wieder aufgenommen und unter Berück-
i sichtigung der Literatur beleuchtet wird. Es versteht
sich, daß dabei Neues kaum herauskommen kann. Aber
als Führer durch das Labyrinth gelehrter Aufstellungen
kann die Arbeit unbedingt empfohlen werden. Daß
Davids mit Morin in Instantius den Verfasser der
1 Würzburger Traktate sehen will und Josef Martins
gegenteilige Meinung (Hist. Jahrb. 47, 1927, 237—251)
zurückweist, merke ich an. Meine Besprechung der
: Abhandlung Morins in dieser Zeitung, 1913, 654f.,
! hat er nicht herangezogen. Ich muß trotz Davids
! dabei bleiben, daß Morins, von ihm weitergegebene
Argumentation, die sich nur auf innere Gründe stützt,
nicht überzeugend ist. Immerhin gebe ich auch heute
| wieder zu, daß das naive Vertrauen, mit dem wir bisher
! die Traktate als Werke Preszillians benutzten, durch
Morin und nun auch Davids erschüttert ist. Es
! handelt sich dabei nicht um eine Kleinigkeit, sondern,