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Ausgabe:

1930 Nr. 8

Spalte:

177-182

Autor/Hrsg.:

Bring, Ragnar

Titel/Untertitel:

Dualismen hos Luther 1930

Rezensent:

Hirsch, Emanuel

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 8.

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Apoc. Pauli gestützt wird. Die von ihm mit ursprünglicheren
Farben geschilderte Paradiesvision könnte ihren
Platz hinter c. 2 gehabt haben, in welchem Henoch und
Elias vorher genannt werden, was in A die Erinnerung
an Moses und Elias in der Verklärungsgeschichte erweckte
, die er nun zur Erhöhung der Wirkung an den
Schluß stellte. Daß vielmehr c. 14 die Apok. (mit obigem
Frgt.) abgeschlossen haben könnte, erscheint aus
inneren Gründen sehr wohl möglich. Sicheres läßt sich
vor der Hand nicht sagen. Ob die zu erwartende arabische
Version (James S. 521) in dieser Beziehung
eine Entscheidung bringen wird, dürfte bei der vorweg
anzunehmenden nahen Verwandtschaft mit A wenig aussichtsvoll
sein. Aber vielleicht wird uns noch einmal
ein griechisches Fragment geschenkt.

Betheln (Hann.). _E. Hennecke.

Bring, Ragnar: Dualismen hos Luther. Stockholm: Diakoni-
styrelses Bokforlag 1929. (VIII, 367 S.) er. 8°.

Dem Verf. hat dieses Buch nicht nur den Dr. theol.
von Lund, sondern auch die Nachfolge T. Bohlins in
Äbo eingetragen. Begreiflich genug. Denn mit diesem
Buche münden die schwedische und die deutsche Luther- j
forschung in einen Strom zusammen, a) Der ursprüng- |
liehe Ausgangspunkt Br.s liegt in den Fragestellungen
der gegenwärtigen schwedischen systematischen Theologie
, vor allem G. Aulen's. Im Gegensatz gegen die
monistischen Neigungen des deutschen Ritschlianismus
hat Aulen (z. B. in Den kristna gudsbilden genom 1
seklerna och i nutiden, Stockholm 1927) betont, daß das
Christliche Gottesbild, das ganz geprägt ist von dem
Gedanken der durch Selbsthingabe das Böse bekämpfenden
und bezwingenden Liebe, ein dualistisches Grund-
motiv enthält; und er hat dabei die Stärke des dualistischen
Motivs gerade bei Luther hervorgehoben. Schon
bei Aulen selbst hat sich also, wie in Schweden jetzt
mit jeder ernsteren Fragestellung, ein Studium Luthers
verbunden. Die Fragestellung aber hat der schwedischen .
Lutherforschung, nachdem Runestam in mehreren
Veröffentlichungen immer wieder um die Fragen von de |
servo arbitrio gekreist ist, schon an sich nahe gelegen.
$0 erklärt es sich, daß Bring den Dualismus bei Luther
zum Gegenstand einer eignen Untersuchung macht,
b) In diese Fragestellung hinein aber ist dann wie eine
mächtige Welle, mächtiger als in den doch gleichfalls
ihr große Aufmerksamkeit schenkenden andern
neueren schwedischen Lutherbüchern, Karl Holl's Lu- j
therforschung geschlagen. Die großen Grundlinien von
Holl's Lutherdeutung haben ihn überzeugt, so die Aussagen
über Zorn, Liebe, Alleinwirksamkeit, Gerechtig-
keit, Majestät Gottes, die Aussagen über falsches und
rechtes Gottesverhältnis, über Sünde Anfechtung und J
Glaube usw. usw. So spinnt sich an vielen Stellen
ein feinerer oder stärkerer Faden aus Holl in seine Dar- j
Stellung hinein. Auch aus der ganzen übrigen deutschen
Lutherliteratur hat Br. dankbar aufgenommen, was für
seinen Zweck zu brauchen war. Die meisten konkreten
ArrfSchlüsse über Sinn und Bedeutung des dualistischen
Motivs bei Luther verdankt er doch, soweit er sie überhaupt
jemandem verdankt und nicht selbst neu erar-
beitet, seinem Nachdenken über die Beobachtungen
Holl's.

.Methodisch ist das Buch nach den strengen Anforderungen der
neueren deutschen Lutherforschung gearbeitet. D. h., es ist zwischen
den von Luther selbst herausgegebnen, resp. aus seinem Munde nach-
geschriebnen Texten einerseits, den von seinen Schülern bearbeiteten
andrerseits unterschieden worden, und die letzteren sind nur unter deutlicher
Kennzeichnung und zur blofien Veranschaulichung verwandt, nie
als Beweis für die Richtigkeit der Darstellung und nie, wo es auf
exakte begriffliche Formulierung ankommt. Man merkt gelegentlich,
wie sauer Br. diese methodische Beschränkung angekommen ist. Gerade
für uns nicht mehr genau kontrollierbare Texte der Spätzeit enthalten
ja ein reiches Material von dualistischen Vorstellungen und Bildern. Der
Kenner sieht aber — und jeder Leser ahnt es, wo Br. vergleichende
Proben nicht-bearbeiteter Nachschriften und ihrer Bearbeitungen mitteilt
—, daß ihn diese methodische Vorsicht vor manchem Irrgange bewahrt
hat.

Die Belege sind mit Vorliebe aus dem späteren Luther gewählt.
Daß er aus de servo arbitrio und der Galatervorlesung von 1531 das
Beste gelernt, hebt Br. selbst hervor. Doch ist seine Lutherkenntnis
von erstaunlicher Breite. Nicht nur, daß er sich in die (für einen
Schweden doch unerträglich schwierigen) deutsch-lateinischen Mischtexte
der Predigtnachschriften hineingearbeitet hat, — er ist auch sonst in der
W. A. gut zu Hause.

Inhalt: Einleitung. — I.Kap. Der diimonologische Hintergrund
des Dualismus. 1. Der Aberglaube und der Dualismus. 2. Die Anfechtungen
und der Dualismus. — IT, Kap. Der Dualismus des Versöhnungsdramas
. 1. Geschichtlicher Überblick. 2. Der Kampf zwischen Christus
und den Zornesmächten. Groteske Bilder. 3. Die Menschwerdung und
der Dualismus. 4. Die Überwindung des Gesetzes. 5. Die Satisfaktion
und der Dualismus. — III. Kap. Der Dualismus und das Gottesbild.
1. Gottes Alleinwirksamkeit und der Dualismus. 2. Gottes Zom in der
Rechtfertigung und in der Prädestination. — Quellen und Literatur.

Das erste Kapitel (S. 31—66) sucht gewissermaßen
durch die bunte Fülle mythologischer Bilder und
abergläubischer Vorstellungen einerseits, durch den
psycho- und vielleicht auch pathologisch bedingten Vordergrund
seiner Angstzustände andrerseits zum rechten
Dualismus Luthers vorzudringen. Man kann, zeigt Br.,
gewiß nicht den Kern aus den Schalen heraussondern:
all diese Elemente sind ein von dem geschichtlichen
Luther unabtrennlicher Ausdruck seines Dualismus. Aber
man muß auch sehen, daß sie eben nur als solch Ausdruck
für Luther Sinn und Ernst haben: man darf sie
also auch nie absondern von ihrer tieferen Bedeutung.
D. h., für Luther sind Mythologie und Aberglaube einerseits
, psychische Angst andrerseits als solche gerade
keine Wirklichkeiten: was von ihnen Element seiner
Geistes- und Seelengeschichte ist, ist untergegangen in
seine entscheidende Erfahrung von der Sünde als der
von Gott unbedingt scheidenden Macht, von Gottes
Gnade in Christus als der die Gewalt des Zornes über
uns zerbrechenden Befreiung, von dem ständig zu führenden
Kampfe des Glaubens wider den Unglauben als
dem Schicksal des Christen hier auf Erden. Weil es
aber auf diesem Wege geschieht, daß Luther Mjiho-
logie und Aberglauben sowie psychische Angst als
solche überwindet, so gewinnen die ihrem Bereich angehörenden
Bilder und Vorstellungen gerade eine Intensität
, die sie für gewöhnlich nicht haben. Der
Teufel, der Zorn, die Anfechtung, das sind für Luther
viel ernstere, viel furchtbarere Begriffe als für den, der
etwa im Mythologischen und Abergläubischen als solchem
gebunden ist.

Das Ergebnis des ersten Kapitels ist, daß sich eine
Untersuchung des Dualismus bei Luther also zu sammeln
hat auf den Kerngedanken, daß Gottes Liebe nur
als kämpfende, nur als durch Selbsthingabe den Widerstreit
überwindende uns gegeben ist. Das schließt aber
eine doppelte Aufgabe in sich. Einmal, Luthers Aussagen
über das Versöhnungswerk Christi müssen als
Herz und Mitte seines Dualismus im Zusammenhange
verstanden werden. Sodann, die fragreiche Begründung
dieses Dualismus in der göttlichen Alleinwirksamkeit
muß untersucht werden. So ergeben sich
die Gegenstände des zweiten und dritten Kapitels.

Das zweite Kapitel (S. 67—253) arbeitet sich
vorerst an dem besondern Stoffe noch einmal zu dieser
Fragestellung durch, a) Der „geschichtliche Überblickzeigt
zunächst, daß im Abendlande unter der juridischen
Versöhnungslehre ein dualistischer die Versöhnung
als Kampf fassender Unterstrom gewesen ist, daß
Luther bei der Entwicklung dieser Fassung der Versöhnung
insbesondere unmittelbar von Chrysostomus
und Gregor d. Gr. beeinflußt worden ist, daß aber
schon die innerliche Zusammenschau des leidenden und
des siegenden Christus durch Luther dazu zwinge, sein
Verständnis der Versöhnung als eigentümlich und neu
gegenüber seinen Vorgängern zu sehen. So skizzenhaft
das alles gehalten ist und so bewußt auch Br. hier
wie sonst auf eine genaue Analyse des Werdens Luthers
verzichtet, es ist mir keinem Zweifel unterlegen, daß
Br. das Entscheidende richtig gesellen hat. Ich bin bei