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Ausgabe:

1930

Spalte:

121-126

Autor/Hrsg.:

Leisegang, Hans

Titel/Untertitel:

Denkformen 1930

Rezensent:

Knittermeyer, Hinrich

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack

Herausgegeben von Professor D. Emanuel Hirsch unter Mitwirkung von

Prof. D. Dr. G. Hölscher, Prof. D. Hans Lietzmann, Prof. D. Arthur Titius, Prof. D. Dr. G. Wobbermln

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften, unter Mithilfe von Prof. Lic. K. D. S c h m i d t, Kiel,
bearb. v. Lic. H. Kittel u. Lic. Dr. Reich, beide in Göttingen.
Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50. — Verlag: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig.

CC l„l,rrr Kr A Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind ausschließlich an Professor D. Hirsch in Güttingen, IC Mär7 IQtfl

SS. janrg. ;>r. 0. Hainliolzweg 62, zu senden, Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag *•

Spalte

Leisegang: Denkformen (Knittenneyer) . 121
Erman: Ägyptische Grammatik (Wiedemann) 126
Genizah Studies in .Memory of Dr. Solomon

Schechter (Kittel).............127

Diehl: Inscriptiones latinae christianae

veteres (Krüger)..............128

Holborn: Ulrich von Hutten (WolO ... 128
Kopp: Elias und Christentum auf dem

Karmel (Hempel) .............130

Jahrbuch 1929 des katholischen Vereins für
missionsärztliche Fürsorge und des Missionsärztlichen
Instituts (Schlunk).......132

Spaltt

Kafka u. Eibl: Der Ausklang der antiken
Philosophie und das Erwachen einer neuen
Zeit (v. Campenhausen)..........140

Spalte

S c h m i d 1 i n : Das gegenwärtige Heiden-
Apostolat im fernen Osten (Schlunk) . . . 133

Anstein: Rund um die Welt (Dcrs.) ... 133

Holstein: Die Grundlagen des evangelischen
Kirchenrechts (Schian) ......134

Boissevain: Evangelisch Katholiek (Witt-

disch)....................136 Schian: Grundriß der praktischen Theo-

Litt: „Führen" oder"„Wachsenlassen" (De- j loeie (vo" der Qoltz)142
lekat)....................138|Gerber: Das Passionsrezitativ bei Heinrich

Liebeck: Das Unbekannte und die Angst Schütz und seine stilgeschichtlichcn Grund-
(Knittcrmeyer)...............14o| la£en (Kamiah)...............143

K n i 11 e r m e y e r: Schölling und die romantische
Schule (Zcltner)...........141

Leisegang, Hans: Denkformen. Mit 1 Taf. u. 8 Fig. im Text.
Berlin: W. de Gruyter & Co. 1928. (VII, 457 S.) gr. 8°.

RM 20-; geb. 22 — .

Die Front dieses Buches ist gegen den Rationalismus
gerichtet, gegen die Alleinherrschaft des mathema- winTdFe" Besotiderheirdl^
tisch-scholastischen Denkens. Es kämpft gegen die „Fik- j pauius aufgezeigt. In ihr gibt sich die „Logik der
tion des einen Denkens und der einen Logik", die | Mystik" kund, für die die Formulierung einer solchen

europäischen Schrifttums von Heraklit bis Sendling,
daneben auch bei Buddha und Laotse belegt. Der Gedanke
kehrt hier überall durch einen Kreis von Mittelbegriffen
zu seinem Ausgangspunkt zurück. Eingehend

uns fortgesetzt daran hindert, uns fremd gewordene
Geisteserzeugnisse aus ihrer eigenen Den.*form heraus zu
begreifen. Insofern Leisegang verlangt, daß man nicht
einfach über Sätze einer vergangenen Philosophie oder
überhaupt einer vergangenen Denkweise wegen ihrer logischen
Unrichtigkeit zur Tagesordnung übergeht, sondern
sie aus ihrer besonderen Denkstruktur heraus zu
verstehen versucht, ordnet sich seine Arbeit den wieder
auflebenden hermeneutischen Bestrebungen der Gegenwart
ein. Schleiermacher hielt das Interesse des Philosophen
an der Hermeneutik deshalb für gering, „weil er

auseinanderstrebenden Vereinigung unmittelbar Beweiskraft
hat. Logosprozeß und Weltprozeß sind dabei einander
zugeordnet. „Ist diese Wesensidentität mit einem
Blick als ein Ganzes erkannt, so dient diese Erkenntnis
als Grundlage aller weiteren Forschung, deren Aufgabe
es nun ist, alle Teile aus diesem Ganzen heraus zu
deuten" (77). In diesen Rahmen wird die dem Theologen
bekannte Schrift: Der Anostel Paulus als Denker
(1923) eingefügt (87—130). Da für Paulus im Gegensatz
zur ra binischen und alttestamentlichen Logik, der
das Denken im Kreise fremd ist, der Beweis eins ist mit

selten verstehen will, selbst aber glaubt notwendig ver- der „Einbeziehung in den Gedankenkreis, in dem die

standen zu werden". Diese Grundstimmung ist auch
bei Leisegang die herrschende. Er kann sich nicht genug
tun in Klagen über das „wohlgefügte Gehäuse von
Gedanken", in das der Philosoph von heute sich einspinnt
. Daran ist das unbedingte Trauen auf die Logik
schuld, die man in seinem eigenen Kopfe trägt. Es fehlt
der echte Respekt vor dem Gegenstand. Die Lehre von
den Denkformen soll dazu beitragen, die Logik weniger
und die Wirklichkeit höher zu schätzen.

Ein Motto aus Sprangers „Lebensformen" steht
dem Buche voran. In der Tat stellt ja die Erforschung

Coincidentia oppositorum möglich wird" (115), so haben
die rationalistischen Exegeten zur paulinischen
Denkform keinen Zugang und müssen „enthusiastisch"
verstehen, was doch Ausdruck einer vollwertigen Logik
ist. Es ist selbstverständlich, daß die Wifklichkeits-
grundlage dieser Logik nicht mehr der Weltkreislauf,
sondern der Kreislauf des Heilsgeschehens ist.

Bei Hegel erweitert sich der Gedankenkreis zum
Kreis von Kreisen, über der Beschäftigung mit dem
Neuen Testament entzündet sich ihm das Verlangen nach
Hpr | r— einem neuen Denken. „Jesus spricht das Lebendige,

I ekecrant %ZJm Sonderproblem der Typologie dar. Kant das Reflektierte ... aus" 144). Hegels „speku-
«fsrhfn Fraa^ !? "»chamend, daß man der typolo- latives" Denken will zum Erfassen des Lebendigen ge-

gischen Frage in der Geschichte der Philosophie noch
so wenig nachgegangen ist; daß man bis auf den
heutigen Tag sich müht, eine einlinige Problem geschiente
aufzudecken, und darüber versäumt, die disparaten
Typen des Denkens gebührend in Rechnung zu
stellen. ANm ehe auf die einleitenden und abschließenden
problematischen E ö terungen eingegangen wird,

rüstet sein. „Was im Reich des Toten Widerspruch ist,
ist es nicht im Reich des Lebens" (147). Wenn der
Begriff des „Geistes" bei Hegel für die erfaßte Totalität
des Lebendigen einsteht, dann stellt sich Hegel mit
diesem Grundhegriff der christlichen Religion gegen das
jüdisch-juridische Denken Kants. Dies lebendige Geistdenken
Hegels bedient sich der Kreisführung des Ge-

soll in möglichster Kurze über den Hauptteil des Wer- ; dankens in einem nie zuvor gekannten Ausmaß. Die

kes berichtet werden, der in Gestalt einer philosophie- dialektische Methode" ist das Mittel, um das Gesamt-

geschichthchen Diskussion die Hauptstrukturen des Den- le,-en ais einen Kreis von drei immer wieder entspre-

kens aufzuweisen sucht. chend in sich gegliederten Kreisen zu verstehen. Daß

Der Gedankenkreis, für den der Anfang des Jo- das auch schematisch veranschaulicht wird, kann nur

hannesevangeliums ein einfachstes Beispiel bietet, wird den Nichtkundigen bestechen, da ja die überall durch-

zunachst an einigen Proben aus der Geschichte des | geführte Dreighedrigkeit der Hegeischen Systematik in