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Ausgabe:

1930 Nr. 5

Spalte:

104-106

Autor/Hrsg.:

Sperber, Alexander

Titel/Untertitel:

Septuaginta-Probleme I 1930

Rezensent:

Rahlfs, Alfred

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 5.

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Ussia fortgesetzt, wie Lewy will (S. 17), so wäre nicht
zu verstehen, warum unsere Quellen zwar bei Jotam
diese Tatsache registrieren, bei Ahas aber nicht. Auch '
der Hinweis (S. 19) auf Jes. 6 u. 7 hilft hier nicht
weiter, weil man nicht einsieht, warum der Profet das
eine Mal nach der Ära Ussias, das andere Mal nach der
des Ahas gerechnet haben sollte, wenn in Wirklichkeit
das Todesjahr Ussias auch schon ein Regierungsjahr des
AhaS war. Kann sich bei Josafat die Annahme einer
Mitregierung mit Asa zur Not auf 2. Chr. 16, 12
stützen (S. 211), so entbehrt auf alle Fälle der Versuch,
Josafats Sohn Joram zum Mitregenten seines Vaters
und schließlich sogar zum Rebellen gegen ihn zu
machen (S. 211. 26), der exegetischen Grundlage: wenn ,
2. Chr. 21,4a das bedeuten würde, was Lewy darin '
findet („Joram erhob sich gegen die Königsherrschaft
seines Vaters und wurde souverain"), so müßte doch
notwendig bei der Regierung Josafats selbst von einem
so einschneidenden Ereignis etwas erzählt werden; auch j
der verderbte Text von 2. Chr. 21,19 hat nicht die Beweiskraft
, die Lewy ihm beilegt, und wenn in 2. Rg.
8, 16 die Worte wlhösafät melek jehüda einen Zustandsatz
darstellten, müßten sie hinter, nicht vor
V. 16 b stehen. Eine zweijährige Mitregentschaft His-
kias mit Ahas wegen 2. Rg. 18,10 (S. 19') ist schon von
Lewys eigenen Voraussetzungen aus unnötig, da er
selbst dem an dieser Stelle genannten Synchronismus !
nur geringen Wert beimißt. Gegen eine Mitregierung
des Usurpators Pekach mit allen seinen Vorgängern bis
hinauf zu Jerobeam II. (S. 19) spricht, wenn man von
der allgemeinen historischen Unwahrscheinlichkeit ab- |
sieht, entscheidend die Angabe 2. Rg. 15, 25, daß j
Pekach der Adjutant seines Vorgängers Pekachja
war: man wird diesem kaum den Wahnsinn zutrauen |
dürfen, den seit Jahren bekannten Gegenkönig in seine
nächste Umgebung zu ziehen.

Sind also diese zahlreichen Mitregentschaften nicht
haltbar, so kommt dazu, daß die von Lewy errechneten
Daten z. Tl. in Widerspruch geraten mit Nachrichten
außerhalb der Königsbücher. So kann nach der umfassenden
Beweisführung Fullertons (AJSL 42,
S. 86—109) kaum mehr bezweifelt werden, daß Jes. 14,
28—32 sich auf die Ereignisse des Jahres 720 bezieht,
Ahas also in diesem Jahr und nicht schon 726 gestorben
ist. In diesem Zusammenhang dürfte gerade Lewy, der
bei Josephus so oft gute Tradition trotz später Bezeugung
findet, nicht an der zum Alten Testament (2.
Rg. 18, 10) im Widerspruch stehenden Notiz in der
Weltchronik des Eusebius vorübergehen, daß der Untergang
des Nordreichs in die Zeit des Ahas fiel CÜyaC
t(f>' ob h 'TOQark alxfiälwTog urtrjy&i]), da Berufung
auf Jes. 7, 16. 8, 4 wohl nicht ganz zur Erklärung
dieser Nachricht ausreicht. Daß das Todesjahr des
Ahas bei Lewy zu hoch angesetzt ist, ergibt sich auch
daraus, daß entsprechend der Tod Hiskias zu früh angesetzt
werden muß (697), während der bei seiner Thronbesteigung
12jährige Manasse (2. Rg. 21, 1) im Jahr
701 noch nicht geboren war, also frühestens 689/688 die
Regierung angetreten haben kann. Daß Hiskia 701
keinen Sohn hatte, folgt aus dem Bericht Sanheribs über
seinen Palästinafeldzug (z. B. Taylor-Prisma Col. III
ZI. 38 f.), wonach er von Hiskia die Auslieferung „seiner
Töchter, seiner Palastdamen, Sänger und Sängerinnen
" verlangt, während von Söhnen nicht die Rede
ist. Da es nun der sonstigen Gewohnheit Sanheribs und
der seiner Vorgänger nicht im mindesten entspricht, etwaige
Söhne rebellischer Vasallen zu schonen (vgl. auf
dem Taylor-Prisma selbst Coi. II ZI. 58ff.), so kann
das Fehlen von Söhnen bei Hiskia sich nur so erklären,
daß dieser damals tatsächlich ohne Söhne war (vgl. die
näheren Ausführungen bei Dietze, Manasse in: Festschrift
des Bremer Gymnasiums 1928, S. 259 ff.).

Soviel Anregung die kleine Schrift Lewys bietet —
man wird nicht urteilen können, daß mit ihr schon das

letzte Wort zur Chronologie der Königszeit gesprochen
ist. Ein Beweis dafür sind die inzwischen erschienenen
andersartigen Aufstellungen von Begrich (vgl. RGG-
III Sp. 442ff.).

Tübingen. W. Rudolph.

Sperber, Privatdoz. Dr. Alexander: Septuaginta - Probleme I.

Stuttgart: W. Kohlhammer 1929. (VII, 101 S.) gr. 8". = Texte u.
Untersuchgn. z. vormasoretischen Grammatik d. Hebräischen, hrsg.
v. P. Kahle III. = Beiträge z. Wissensch, v. A. u. N. T. 3. Folge.
H. 13. RM 7.50.

Im ersten Abschnitt (S. 1—57) dieser aus
einer Bonner philosophischen Habilitations-Vorlesung
erwachsenen Schrift sucht Sperber einen neuen Maßstab
für die Klassifikation der Septuaginta-Hss. aufzustellen.
Seltene hebr. Eigennamen, welche den griech. Abschreibern
völlig fremd klangen, und welche sie nur mechanisch
nachmalen konnten, sind im Laufe der Zeit durch
alle möglichen Schreibfehler entstellt, sodaß in ihrer
griech. Form zuweilen nur noch einer der hebr. Buchstaben
oder gar keiner übriggeblieben ist (S. 45). Diese
fortschreitende Entartung läßt sich, wie Sperbers erste
Liste (S. 4—12) an 44 Beispielen aus Gen. bis los.
zeigt, manchmal noch gut in unsern griech. Hss. verfolgen
. Das erste, ganz einfache Beispiel ist Gen. 10,2,
wo statt Madai = die Hs. E Mahxi mit A statt

A und die Hs. r Muuukia hat. Hier hängt nach Sp.
r von E ab; denn r hat denselben Fehler wie E und
außerdem in der Doppelschreibung der ersten Silbe
einen neuen Fehler hinzugefügt. Sammelt man nun
alle Fälle, in denen eine Hs. deutlich von einer anderen
abhängt, so wird sich eine große Zahl von Abhängigkeits
-Verhältnissen ergeben, und aus diesen kann man
mit der Zeit ein vollständiges Steinma der Hss. herstellen
.

Den ersten Ansatz, zu dieser Sammelarbeit liefert Sp.
in seiner zweiten Liste (S. 13—45), in welcher er aus
den 39 von Brooke und McLean und den 21 außerdem
von Holmes und Parsons zum Oktateuch verglichenen
Hss. alle deutlichen Abhängigkeits-Verhältnisse zusammenstellt
, welche er gefunden hat, und zwar in der
Weise, daß er jede Hs. einzeln nimmt und bei jeder zuerst
angibt, in welchen Lesarten sie von einer anderen
abhängt, und dann, in welchen Lesarten eine andere Hs.
von ihr abhängt.

Sehen wir uns diese Liste an, so findet sich in ihr
ein ganz klares Resultat: bei dem von jeher hochgeschätzten
cod. Vat. (B) führt Sp. 23 Stellen an, wo
| andere Hss. von ihm abhängen, aber keine einzige, wo
i er von einer andern Hs. abhängt (S. 37f.). Sonst
aber sind die gefundenen Abhängigkeits-Verhältnisse so
kompliziert, daß sie kein klares Bild ergeben, z. B.
I hängt nach S. 13ff. die Hs. a von der Hs. 128 ab, aber
{ auch 128 von a; b hängt von c und t ab, aber auch c
I und t von b; c hängt von G und b ab, aber auch G und
b von c; usw. Welches ist hier das wirkliche Abhängigkeits
-Verhältnis? Oder sind die Texte etwa so gemischt,
daß es an der einen Stelle so ist und an der anderen
| umgekehrt? Fürwahr, ich möchte auf Grund des von
j Sp. beigebrachten Materials nicht versuchen, einen
I Stammbaum der Hss. aufzustellen, und auch Sp. hat es
nicht versucht; er sagt nur am Ende des Abschnitts
(S. 57), daß „der Stammbaum der handschriftlichen
1 Überlieferung ... ein sehr kompliziertes und vielver-
ästeltes Gebilde sein wird".

Der Hauptmangel von Sperbers neuer Klassifikations
-Methode ist die Beschränkung auf Schreibfehler
in einzelnen Worten. Es ist natürlich möglich, daß z. B.
in dem angeführten Falle aus Gen. 10,2 r's Maualai
aus E's Malm entstanden ist. Aber mit Sicherheit
| wird dies durch die Gemeinsamkeit des Schreibfehlers
i A statt A nicht erwiesen. Auch in Handschriften, welche
nichts miteinander zu tun haben, kommen öfters
dieselben Schreibfehler vor. Nur wenn zwei Hss. auch