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Ausgabe:

1930 Nr. 4

Spalte:

89

Autor/Hrsg.:

Baun, Friedrich

Titel/Untertitel:

Das schwäbische Gemeinschatsleben in Bildern und Beispielen gezeichnet. 2., neubearb. Aufl 1930

Rezensent:

Bossert, Gustav

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89

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 4.

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und seine Bedeutung in deren Zusammenhang aufzeigt. Die schlesische mühen ZU erkennen wäre, sie ZU einem klaren Bilde

Kirchengeschichte ist durch dieses Lebensbild um eine erfreuliche Gabe ! zu vereinigen. Ein paar Beispiele mögen einen Eindruck

bereichert worden, davon geben:

Breslau.______■_ jn ,jenl Abschn. über Friedrich d. Gr. und das evang. Schlesien

_ . „,., . i": .___„„ j_ jtllj„ I sind eine Fülle von Ereignissen aus dem Weltkriege und der Nachkriegs-

Causse, A.: La Bible de Reuss et la renaissance des etudes ^ verzejdlnct ,„ de,. Perjoclc seit wilhe,m bis zur Ge„enwart gj

d'histoire religieuse en France. Paris: F. Alcan IVft. Uli,« mit Recht der schweren Nöte Obcrschlesiens in der Zeit nach dem Kriege

4°. = Cahiers de la Revue d'hist. et de philos. rehg. de 1 Univ. de

Strasbourg, H. 19-
Dieses Heft von A. Causse (Professeur ä L'Universitc de Strasbourg)
hätte am Ende auch ungeschrieben bleiben mögen, und der Wissenschaft
wäre damit nichts verloren. , Neues von Bedeutung bietet es, obwohl
dem Verf. für seine Studie auller den Werken von Ed. Reull und den
ihn betreffenden gedruckten Dokumenten auch bislang unveröffentlichtes
Material — die in der Bibliothek des Thomasstiftes in Straßburg aufbewahrte
Korrespondenz des Meisters und Auszüge aus seinen unedierten
Memoiren — zur Verfügung standen, soviel ich sehe nirgends. Was
Reuß für die Theologie, und im besonderen für die französische Theologie
, bedeutet, ist genugsam bekannt. Läßt man sich aber sagen: Cette
etude a ete donnee, sous forme resumee, comme lecon d'ouverture a la
seance de rentree de l'Universite de Strasbourg le 22 novembre 1928,
so ist das Heft auf jeden Fall zu begrüßen als ein Dokument edler
Menschlichkeit. Als Straßburg an Deutschland fiel, wurde Reuß der
erste Dekan der theologischen Fakultät der neuen deutschen Universität,
deren Lehrer er bis 1888 verblieb. Ganz in dieser Zeit liegt das Erscheinen
seines großen 16 bändigen Bibelwerkes La Bible, traduction
nouvelle avec introduetions et commentaire, mit dem Reuß dem französischen
Protestantismus die deutsche kritische Bibelwissenschaft übermittelt
hat. Seine Bedeutung würdigt A. Causse, und er tut es ganz
politisch unbefangen.

Leipzig. _Haas"

Baun, Friedrich: Das schwäbische Gemeinschaftsleben in
Bildern und Beispielen gezeichnet. Ein Beitr. z. Gesch. d.
Pietismus. 2., neubearb. Aufl. Stuttgart: Quellverlag d. Ev. Ge-
sellsch. 1929. (206 S.) 8°. Hlwd. 3.80; Lwd. 4.20.

Württemberg wurde vor kurzem aus norddeutschem Mund als
Sektenland bezeichnet; das ist unrichtig. Dagegen tritt jedem Fremden
die seit 200 Jahren bestehende enge Verknüpfung der lutherischen
Landeskirche mit dem Pietismus deutlich entgegen. Das 1910 erstmals
erschienene Büchlein Bauns macht mit dem schwäbischen landeskirchlichen
Gemeinschaftswesen gut bekannt. Nach kurzem geschichtlichen
Oberblick, in dem man einen Hinweis auf die Möttlinger-
Stangerschen Gemeinschaften vermißt, die so gut wie die Mundersclien
einen landeskirchlichen Charakter tragen wollen, schildert Baun in 14
gegen früher z. T. knapper gefaßten Abschnitten den Verlauf einer
Stunde, Bibelkenntnis, Gebetsleben, Erweckung und Bekehrung,
Heiligungsstreben, Einfachheit und Massigkeit, Berufstreue, Familienleben,
Brüderlichkeit, Nächstenliebe, Stellung zu Kirche und Welt, Kreuz,
Leiden und seliges Sterben der Stundenleute. Der Vf. kennt die Einseitigkeiten
und Schwächen dieser Stundenfrömmigkeit wohl, aber er hat
recht getan, in dem Vorbild der alten edlen Originale unter den Brüdern
und Schwestern den heute Lebenden einen Ehrenspiegel vorzuhalten.
Die Schwestern kommen allerdings etwas kurz weg. Das Aufkommen
immer neuer Gemeinschaften, so der Liebenzeller und der zwei oben
genannten hat seinen Grund in der Selbständigkeit und Eigenwilligkeit
des schwäbischen Geisteslebens, die mitunter zur kirchenfeindlichen
Sektiererei führt, aber z. T. auch in der Schwerfälligkeit z. B. der
Hahnischen Gemeinschaft, sich der Jugend anzupassen, was wieder
zusammenhängt mit dem Ideal der Ehelosigkeit der Anhänger Michel
Hahns. Dankenswert ist der Hinweis auf weitere Quellen, so auf Kolbs
Arbeiten. Erwähnung verdiente auch der Aufsatz von Frdr. Fritz, Geschichte
des Stundenwesens im Amtsoberamt Stuttgart in den Blättern
für württ. KG. 1922, 98. Ein Register ist beigegeben.

Horb. G. Bossert.

gedacht. Es folgt aber unmittelbar darauf ein besonderer Abschnitt über
„Das evangelische Oberschlesien" (A. Das deutsche Oberschlesien. B.
Das evangelische Ostoberschlesien!), der wieder bis auf die Rcformatinns-
zeit zurückgreift, dann nochmal ein Abschn. „Neuzeit", danach ein besonderer
über den Gustav-Adolf-Verein, Evang. Bund und Evang. Presseverband
. Ein Kap. bringt „Lebensbilder evangelischer Schlesier" aus
allen Jahrhunderten, einschl. noch jetzt Lebender, in alphabetischer
Anordnung! Die Angaben über „Schlesische Kirchenliederdichter" erheben
sich nur ganz selten über das im Anhang zum Provinzialgesang-
buch gebotene kurze biographische Material.

Wenn sich mit einer solchen Darstellung dann auch
noch sachliche Unrichtigkeiten verbinden, wie es leider
gelegentlich der Fall ist, dann muß sie als völlig mißlungen
bezeichnet werden.
Breslau. H. Lother.

Schneider, Ob.-Konsist.-Rat i. R. Prof. D J.: Die Konfessionsschichtung
der Bevölkerung Deutschlands nach den Ergebnissen
der Volkszählung vom 16. Juni 1925. Berlin: Verl.
d. Evangel. Bundes 1928. (68 S. m. 1 färb. Kte.) gr. 8°. =
Protestantische Studien, H. 13. RM 2.25.

Die Schrift behandelt den Stand der Religionsstatistik
in den einzelnen Kulturländern (in Deutschland
ist dieser Zweig der Statistik besonders ausgebildet,
während viele andre Staaten von Amts wegen überhaupt
nie nach der Konfession fragen), die Konfessionsschichtung
Deutschlands im 19. Jahrh. bis 1910, die Wirkung
der Abtretungsverluste 1920 auf das Zahlenver-
hältmis der Konfessionen bei uns, die konfessionellen
Ergebnisse der Volkszählung 1925 (in ganz Deutschland
, den einzelnen Ländern und den Großstädten), die
konfessionellen Verschiebungen, ihre Ursachen und endlich
irrige oder tendenziöse religionsstatistische Darstellungen
, die sich in der Presse, besonders der katholischen
, finden. Schneider, der bis 1927 das kirchenstatistische
Amt in Berlin leitete, ist als Fachmann
bewährt; so war er berufen, die den Evangelischen interessierenden
wichtigeren Ergebnisse der letzten Volkszählung
gemeinverständlich kurz darzulegen. Er mußte
dabei oft Material verwenden, das schon in seinem
Kirchlichen Jahrbuch veröffentlicht war. Auch daß er
die Blicke weiter zurücklenkt, forderte die Sache. Er
hat recht daran getan, noch einmal die Wirkung des
Friedens von Versailles auf die Konfessionszahlen in
Deutschland hervorzuheben. Deutschland hat durch den
Frieden Vm seiner Bevölkerung verloren, fast 6 7t
Million. Da aber davon 4Vi Mill. Katholiken waren,
l'/e Mill. Evangelische, naben die Evangelischen nur
7w ihres Bestandes eingebüßt; die Katnoiiken fast '/»!
Die Wirkung der Kirchenaustrittsbewegung, die vor dem
Kriege einsetzte und unmittelbar nach dem Kriegsende
besonders stark war, ergibt sich natürlich, da zwischen
1910 und 1925 keine Volkszählung stattgefunden hat,
erstmalig aus den Zahlen von 1925. Die Zahl der Religionslosen
und der zu den sog. Weltanschauungsgemeinschaften
(Freireligiöse, Monisten u. dgl.) sich Rechnenden
ist am stärksten in Groß-Berlin; hier beträgt sie
über 8% der Bevölkerung. Mehr als 4»/o umfaßt sie
noch in Sachsen, Thüringen, Hamburg, Bremen, Braunschweig
; in Sachsen gibt es so mehr Religionslose als
Katholiken; von den Großstädten haben eine besonders
hohe Zahl von Konfessionslosen noch Leipzig und
Braunschweig. Die Gesamtzahl der Religionslosen ist

Hartmann, Studienrat Maximilian: Die evangelische Kirche
Schlesiens in geschichtlicher Entwicklung bis auf die Gegenwart.
Breslau: Trewendt fs Granier 1928. (94 S.) gr. 8°. RM 3-.

Das Buch bietet in 10 Abschnitten eine Darstellung
der evangelischen Kirche Schlesiens von der Einführung
der Reformation bis zur Gegenwart. Da eine solche
seit langem fehlt, könnte es eine wichtige Lücke in der
provinziellen Kirchengeschichtsschreibung ausfüllen,
wenn es nicht in der vorliegenden Form als gänzlich

ungeeignet dafür bezeichnet werden müßte. Man be- I aber geringer als die der seit der vorigen "Volkszählung
kommt zwar eine erdrückende Fülle von Namen und aus den Kirchen Ausgetretenen; also haben Viele, die
Zahlen zu lesen, die gewiß mit großem Fleiß zusammen- ausgetreten waren, sich jetzt bei der Volkszählung nicht
gesucht sind, aber man vermißt eine gründliche Verar- als religionslos bezeichnet, sondern wieder als evange-

beitung des Materials nach großen Gesichtspunkten.
In absoluter Willkür ist ein Mosaikstein an den anderen
gefügt, ohne daß auch nur im geringsten das Belisch
, katholisch oder dgl. In manchen Fällen mag
solch stille Rückkehr ernst gemeint sein; in andern
Fällen wird man befürchten müssen, daß die Leute je