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Ausgabe:

1930 Nr. 4

Spalte:

87

Autor/Hrsg.:

Gross, Julius

Titel/Untertitel:

Markus Fronius‘ Leben und Schriften 1930

Rezensent:

Bussmann, E. W.

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87

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 4.

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manche Anhänglichkeit an die alte Kirchenform, daneben
vereinzelt Hinneigung zum Täufertum. Der Widerstand
gegen die Visitation hat oft Rückhalt an der geistlichen
oder ritterschaftlichen Obrigkeit, welche die markgräfliche
Jurisdiktion nicht anerkennen wollen. Dazu gibt
H. Clauß in der Zeitschrift für bayr. KO. 1929 S. 81
einen interessanten Beitrag, wie der Bischof von Bamberg
die Pfarrer zum Widerstand gegen die Visitation
ermunterte. In zahlreichen Anmerkungen gibt Schornbaum
Fingerzeige für die weitere Forschung. Zu Adam
Weiß sei vermerkt, daß er 1507/08 in Basel studierte.
Ein Register ist beigegeben.
Horb. Q. Bossert.

Gross, Julius: Markus Fronius' Leben und Schriften. Kronstadt
: J. Gött's Sohn 1925. (IX, 312 S. m. e. Titelbild.) gr. 8°.

Ein Leben voll Leiden und Anfechtungen, voll
Kämpfen mit den Amtsbrüdern und der weltlichen
Macht, auch mit den Jesuiten, aber auch ein Leben von
großer Wirksamkeit beschreibt das vorliegende Buch,
das das Gedächtnis des besten Nachfolgers des Reformators
Siebenbürgens, Hontems, unter seinen Landsleuten
erneuern will. Aber das mit dem Bildnis des Fronius
geschmückte Buch hat auch Interesse für einen
weiteren Kreis. Es enthält eine ausgeführte Skizze des
Lebens mit seinen vielen Nöten und Beschwernissen
und die drei bedeutendsten Schriften des fruchtbaren
Theologen und Pädagogen, der in Wittenberg studierte
und später von Comenius angeregt war. Der Lebensgang
läßt uns erkennen, mit welchen Schwierigkeiten
eine Diasporakirche zu kämpfen hat und wie kraftvolle
Männer ihr nottun. Die Schwierigkeit, den Lebensunterhalt
zu beschaffen für die Pastoren hat zu damaliger
Zeit z. B. dazu geführt, ihnen die Erlaubnis des Weinausschanks
zu geben. Es ist eine Zeit des Niedergangs
und des Übergangs in neue Verhältnisse, die nur durch
die Kraft des evangelischen Glaubens überwunden wird.

Die drei Schriften sind: 1. Von der zum Himmel
führenden heimlichen und verborgenen Weisheit. Es ist
eine im Predigtton gehaltene populäre Doginatik mit
apologetischer Tendenz und schließt sich in ihren sieben
Teilen an je einen Kernspruch an, a) von der zum Heile
führenden Weisheit (Tit. 1, 1—3); b) von des Menschen
elendem Zustande (Rom. 5, 12); c) von der dem
Menschen geleisteten Hilfe (Joh. 3, 16—9); d) von
der Art, wie Gott den Menschen selig macht (Tit. 3,
4—7); e) von den Mitteln unserer Seligkeit (1. Joh.
5, 8); f) von der christlichen Kirche (Eph. 4,15—6,30)
und g) von den letzten Dingen (1. Kor. 15, 22. 24. 28).

Die zweite Schrift ist: Einleitung und Notae zum
kleinen Katechismus. Sie gibt Ermahnungen an die
Lehrer, Eltern, Prediger und an alle Erwachsene und
eine Erklärung, die sich dem Katechismusgange anschließt
.

Als letztes folgt: das Visitationsbüchlein, in dem
gehandelt wird von den Kirchendienern, der Lehre, der
Vorsicht im Lehramt, den Sakramenten, den freien Mitteldingen
, der Oberaufsicht, Verwaltung des Rechtsspruchs
, den Gütern, dem Wandel der Vorsteher, dem
Leben und Sitten der Zuhörer und dem Amt der Geschworenen
. Also eine Art von Kirchenordnung mit
Pastoraltheologie verbunden, die uns die geistlichen Zustände
der siebenbürgischen Kirche um 1700 offenbart.

Der Druck des Buches hätte etwas sorgfältiger
sein können.

Bad Zwischenahn. E. W. B u s s m a n n.

Wotschke, Theodor: August Hermann Franckes Debora.

Sonderdr. a. d. Neuen Kirchl. Zeitschrift. Pratau: Selbstverl. d. Verf.

1929. (30 S.) 8°.

„Fr. Adelheit Sibylla Schwarzen, H. Joh. Heinr.
Schwarzen, Schilders (Malers) zu Lübeck, Fr. Eheliebste"
ist am 18. Sept. 1697 als Taufpatin bei Franckes Tochter
im Taufregister von Glaucha bei Halle eingetragen.
Viel von ihr wußte man bisher nicht. Nun hat Wotschke

aus Briefen der Schwartzin ein anziehendes Bild der
innigen Seelenfreundschaft zwischen ihr und Francke
gezeichnet, die in dessen Frühzeit zurückreicht, wo er als
junger Student oder Magister mit der jungen Frau

; Griechisch und Hebräisch getrieben hatte. Mehr und
mehr zur enthusiastischen Schwärmerin geworden, suchte

| und fand sie Beziehungen zu den zahlreichen Erweckten
jener Zeit. Ein im Prophetenton gehaltenes Schreiben
an und gegen den Lübecker Superintendenten brachte
ihr im Sommer 1692 die Verweisung aus ihrer Heimat,
in die sie erst nach einem Jahr durch Speners Vermittlung
zurückkehren konnte. Während ihrer Verban-

! nung war sie mehrfach in Halle und wußte Francke,

j ja sogar Thomasius, für die Visionen der Mädchen und

i Frauen zu interessieren, die sie selbst als Seherinnen
bewoinderte. Damals mag Francke ihr den Namen De-

j bora gegeben haben, mit dem sie sich in den Briefen
jener Tage gern unterzeichnet. Die Beziehungen bestanden
bis zu ihrem Tode 1703, der sie von schwerer
Krankheit und harten Geldsorgen erlöste; dem vereinsamten
und verarmten Gatten wurde Francke ein Tröster
und Helfer, eine Tochter nahm er zeitweise in sein
Haus. — Leider hat W. versäumt, den Fundort seiner
Briefquelle zu nennen; es ist die Handschriftenabteilung
der Berliner Staatsbibliothek: Franckes Nachlaß, Kapsel
19 (62 Briefe von A. S. Schwartz und ihrem Gatten).
— Einmal liegt eine Verlesung vor. Am 22. Febr. 1693
kündigt die Freundin von Quedlinburg aus einen heimlichen
Besuch in Halle an; W. liest: „In der Kleidung
werde ich eine Veränderung haben, und das geschieht
mit Kappen zugewickelt, daß also äußerlich
unkenntlich sein werde". Es muß heißen: „das Gesicht".

Wertvolle Nachträge enthalten Speners Briefe an die Kißnerin
(Hauptbibliothek der Franckesehen Stiftungen in Halle D107); hier
wird 1693 von bedenklichen Communionsfeiern berichtet, die die

Schwartzin mit einigen christlichen Herzen unter sich in der Stille abhielt
, und 1703 angesichts ihres nahen Todes von den vielen Gaben
gesprochen, die der Herr ihr gegeben.

Halle a. S. A. Nebe.

Wotschke, Theodor: Von den Bemühungen im 17. und 18.
Jahrhundert, Luthers Briefe zu sammeln. Ein Nachtrag.
(S.-Dr. aus Archiv f. Reformationsgesch. XXV, '/*.) Pratau (Krs.
Wittenberg): Selbstverl. d. Verf. (1928). (S. 271—310) 8°.

In diesem Aufsatze veröffentlicht Wotschke aus
den Handschriftenschätzen der Gothaer und Hamburger
Bibliotheken Bruchstücke aus Briefwechseln von Sa-
gittarius, Tentzel, Buddeus, Uffenbach, J. A. Schmid,
Wernsdorf und J. C. Wolf, welche die Sammlung und
geplante Herausgabe von Lutherbriefen zum Gegenstand
haben. Er bringt damit wertvolle Ergänzungen zu den
einschlägigen Arbeiten von Veesenmeyer und Kawerau.
Aus diesen Briefen erfahren wir, daß ein Unstern wie
Druckschwierigkeiten, frühzeitiger Tod oder theologische
Gegensätze über diesen Bemühungen gewaltet hat. Damit
blieb die Herausgabe teilweise recht unfähigen Leuten
wie Schütze überlassen. Leider hat der Herausgeber
mit Erläuterungen etwas gekargt, so vermißt man z. B.
die Nachweise der in den Briefen erwähnten Handschriften
, die heute zum Teil noch vorhanden sind.
Berlin-Lichterfelde. Hans Volz.

Blümel, Pfr. Dr. Georg: Der Kircheninspektor Johann Friedrich
Burg. Ein schlesisches Lebens- und Zeitbild aus den Tagen
Friedrichs des Großen. Breslau: W. G. Korn 1928. (XII, 104 S.)
gr. 8°. RM 3.50.

Johann Friedrich Burgs Leben ist dadurch interessant, daß er in
den Zeiten des Übergangs Schlesiens aus der habsburgischen Herrschaft
an die preußische Krone als Breslauer Kircheninspektor an führender
kirchlicher Stelle stand. Der Verfasser hat es verstanden, im ersten Teil
seiner Arbeit anschaulich darzustellen, wie Burg den besonderen Aufgaben
des Seelsorgers und Kirchenmannes in dieser Zeit gerecht geworden
ist. Was aber darüber hinaus seinen Namen bis in die Gegenwart
j lebendig erhalten hat, ist das sog. Burgsche Gesangbuch, das häufig,
zuletzt noch 1913, aufgelegt wurde und noch gegenwärtig in Gebrauch
einiger Gemeinden ist. Der zweite Teil der Arbeit handelt von ihm,
S indem er es in die allgemeine Geschichte des Gesangbuches einordnet