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Ausgabe:

1930 Nr. 4

Spalte:

79-81

Titel/Untertitel:

Revue d‘histoire ecclésiastique. Tome XXIV 1930

Rezensent:

Köhler, Walther

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 4.

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gilt also Kittel's These nicht, auch nicht für den Bestand
der Bergpredigt, auf den Kittel sie beschränkt
hat. Zutreffend scheint mir S.'s Vermutung, daß Kittel
von dem Oedanken beseelt ist, das Wesentliche und
Neue bei Jesus könne nicht in seiner Ethik, müsse vielmehr
in etwas ganz anderem gelegen sein!

Einige Anmerkungen auch hier. Zu dem großen Wort des R.
Jochanan b. Sakkaj über die Reinheitsgebote (S. 150) würde ich mehr
betonen, daß der Rabbi prinzipiell mit Jesus einig ist, aber die Konsequenz
nicht zu ziehen wagt, weil die Gebote nun einmal als Gebote
Gottes überliefert sind; und andererseits, daß wir leider der Überlieferung
nicht entnehmen können, ob Jesus diese Folgerung bewußt gezogen hat,
d. h. sich dessen bewußt war, daß sein großer Gedanke die Auflösung
großer Partien der Thorah bedeutete. — Weiter möchte ich den Wert
der Hillelparallele zu Mt. 7,12 (S. 158ff.) etwas höher anschlagen;
nur gilt auch hier wie bei den anderen rabbinischen Parallelen, daß
die Rabbiner es nicht wagen konnten, die radikalen, aber sachgemäßen
Folgerungen zu ziehen. Das gilt wohl auch von dem Wort des R.
Azzaj, daß in Gen. 5, 1 ein gewichtigeres Grundprinzip offenbart sei als
in Lev. 19, 18 (S. 171); doch ist zu wenig anerkannt, daß hier wirklich
einmal ein universalistischer Gedanke aufleuchtet. — In seinem Urteil
über Lc. 15 (S. 178) sind dem Vf. die vorhandenen jüdischen Parallelen
entgangen (vgl. Ilillerbeck II 216; auch bei Philo sind sie nachzuweisen
).

Im Sehlußkapitel bringt S. außer einer übersichtlichen
Zusammenfassung des Erreichten noch die Erörterung
der durch Bultmann gestellten Frage, ob
denn neben dem Eschatologischen auch die Weisheit als
echter Bestandteil der Überlieferung gehalten werden
kann. S. bejaht sie mit Recht und gibt eine gute Begründung
dieser Position. Er endet mit einer konkreten
Umschreibung des „Typischen" der Ethik Jesu: es liegt
in der profetischen Reduktion auf die sittlich-religiösen
Forderungen, in der Radikalisierung der sittlichen Forderungen
, in der Vernachlässigung der Halacha und der
Bedürfnisse des Volkslebens. Hier faßt er auf glückliche
Weise den Ertrag der Gegenwartsforschung zusammen.
Kiel. _H. Wi n d i sch.

Revue d'histoire ecclesiastique. Tom. XXIV. Louvain: Bureau
de Ia Revue 1928. (1009 S.)

Der 24. Band dieser Zeitschrift wird eröffnet durch
einen sehr eingehenden, scharfsinnigen Aufsatz von J.
Du hr : Le „De fide" de Bachiarius (vgl. zu diesem den
kurzen Artikel von Krüger in R E3 II S. 342 f. oder
Jülicher bei Pauly Wissowa II Sp. 2723f.). Nach kurzen
biographischen Notizen (B. war vermutlich Mönch,
nicht Bischof) wird als Datum für „De fide" fixiert:
„entre 383 et 390 c'est ä dire apres l'ecrit d'Helvidius
et avant le scandale de Jovinien". Verfaßt wurde die
Schrift in Rom, sie ist gerichtet an Hieronymus, nicht
etwa an Damasus; ist das richtig, so wäre das Datum
auf 383/84 festzulegen, als jener in Rom war. Ein Kapitel
: Bachiarius et Priscillien hält an den „Ähnlichkeiten
" zwischen beiden fest, „mais les preuves positives
manquent pour accuser franchement B. de priscillia-
nisme"; in der Anthropologie schöpfen beide aus Firrni-
cus Maternus. Den ersten Traktat Priscillians hat B.
gelesen; derselbe wird nun seines bisher angenommenen
Charakters als Rechtfertigungsschrift für das Konzil von
Bordeaux 384 entkleidet und heraufdatiert. — Zum
viel verhandelten Thema „Ecclesia Petri propinqua" ergreift
P. G a 11 i e r das Wort: in Auseinandersetzung
mit v. Harnacks Abhandlung in den Sitzungsberichten
der preuß. Akademie der WW. 1927 wird gedeutet:
„si toute l'eglise [omnis ecclesia Petri propinqua=omnes
ecclesiae=ecclesia catholica=numerus episcoporum ], par
suite de sa parente avec Pierre, a herite de son pouvoir
de Her ou de delier, il est bien loisible ä un eveque de
cette eglise d'en revendiquer pour lui l'exercice". Nur
kann Calixt nicht in diesem Sinne geschrieben haben,
das Edikt stammt also nicht von ihm; denn ecclesia
Petri propinqua „n'est point l'eglise meme de Pierre,
mais une eglise, qui lui est seulement apparentee", wie
es die mit jener im Glauben verbundenen Kirchen sind.
Tertullian, der Montanist, protestiert gegen die Zuweisung
der Sündenvergebung an die hierarchische Kirche:
„c'est l'esprit qui conserve le inonopole de la remission

j des peches". Um die mißliche Konjektur v. Harnacks
, omnem durch Romanam zu ersetzen, kommt diese Deu-
I tung allerdings herum, aber ein Fragezeichen wird hinter
die Bezeichnung der ganzen Kirche als ecclesia Petri
propinqua zu setzen sein. Fast wage ich, da bei G.
omnis ecclesia mit toute l'eglise wiedergegeben wird, die
Deutung zur Diskussion zu stellen, die mich schon seit
längerem beschäftigt, ob nicht omnis ecclesia die
t/.y./.i.aia iih) d. h. die ganze Kirche von Rom (nicht:
! die katholische Kirche) bedeute, mit der Calixt sich, den
j Bischof, gleichgesetzt hätte. Ad me derivavit solvendi
i et alligandi potestas, id est ad omnem ecclesiam Petri
i propinquam, denn diese ganze Petrus nahe Kirche bin
! ich: l'eglise c'est moi. Diese praesumptio tadelt Ter-
; tullian. — R. Draguet: Le florilege antichalcedonien
| du Vatic. Graec. 1431 gibt ein kritisches Referat über
die in den Abhandlungen der bayer. Akademie 1927 er-
, schienene Untersuchung von Ed. Schwartz. Da D. die
Nichtbenutzung Schwartz vorrückt, sei seine Notiz weitergegeben
, daß es seit 1924 im Corpus scriptorum chri-
stianorum orientalium von Zacharias Rhetor „une ex-
cellente edition avec traduction complete" gibt. — Ch.
j Martin: Note sur deux homelies attribuees ä saint
Gregoire le Thaumaturge spricht der Homilia in nativi-
tatem Christi, deren Echtheit u. a. Loofs in dieser Zeitung
1884 p. 551 ff. festgehalten hatte, dieselbe ab und
möchte sie Chrysostomus zuweisen. Längst als unecht
erkannt ist die Homilie Laus sanctae dei genitricis. — L.
Dieu : L'evangile de l'enfance dans s. Luc, serait-il de
s. Marc? sucht durch Stilkritik und Sachkritik wahrscheinlich
zu machen, daß unser jetziges Marcusevangelium
Auszug aus einem größeren Werke sei, das Lukas
konsultierte, teils für die Kindheitsgeschichte, teils für
die Apostelgeschichte. Des hypothetischen Charakters
seiner Darlegungen ist sich D. bewußt. — G. B a r d y :
L'heritage litteraire d'Aetius stellt die spärlichen literarischen
Reste dieses Mannes zusammen, unter denen ein
bei Epiphanius im Panarion sich findender Brief den
Hauptplatz einnimmt.

Zur Kirchengeschichte des Mittelalters
: A. de Poorter: Catalogue des mss. de pre-
dication medievale de la bibliotheque de Bruges. Es
handelt sich um Mss. der ehemaligen Abtei Dunes in
Flandern, hauptsächlich Predigten. — O. Lottin: La
date de la question disputee „de Malo" de s. Thomas
d'Aquin (zwischen Ende 1269 und Anfang 1271, hinter
der Prima und vor der Prima Secundae der Summa). —J.
Snieders: L'influence de l'hagiographie irlandaise
j sur les Vitae des saints irlandais de Belgique. (Schilde-
I rung des Lebens bei den Iroschotten, dann Frage, ob die
I irländische Hagiographie abgefärbt hat auf die der
I Viten iroschottischer Heiligen im heutigen Belgien? Die
j Frage ist im Allgemeinen zu verneinen, nur für einzelne
I Züge zu bejahen.)

Zur neueren Kirchengeschichte: L.
I van der Essen: La Situation religieuse des Pays-
Bas en 1634 d'apres la relation finale du nonce Fabio
de Lagonissa. (Ergänzung zu dem Buche von A. Pa-
sture: La restauration religieuse aux PaysrBas catho-
liques sous les archiducs Albert et Isabelle 1596—1633
nach dem in der Vaticana befindlichen Berichte des Nuntius
; kein wörtlicher Abdruck desselben, sondern ein
Überblick, speziell die Beziehung von Staat und Kirche,
die Verhältnisse in den Orden, woselbst neben den Be-
'> guinen auch die jesuitesses der M. Ward begegnen, be-
; handelnd.). — H. van Houtte: Une collection de
lettres inedites concernant l'Universite de Louvain et le
Jansenisme en Belgique (1706—16). Die Briefe stammen
aus der Sammlung van den Bergh, des Bevollmäch-
j tigten der Generalstaaten in Brüssel 1706—16, „une
sorte de gouverneur general des Pays-Bas espagnols",
jetzt im Staatsarchiv Haag befindlich, und sind Dokumente
für die schwierige Lage der Universität Löwen,
i die sich teils gegen die Konkurrenz von Douai, teils
gegen militärische Beschlagnahmungen zu schützen hatte.