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Ausgabe:

1930 Nr. 4

Spalte:

75

Autor/Hrsg.:

Troeltsch, Ernst

Titel/Untertitel:

Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte. Vortrag. 3., unveränd. Aufl 1930

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 4.

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Botschaft des Christentums konstruieren oder man kann
es nicht. Und wenn man es nicht kann, dann bedeutet
dies Nicht-Können — in Übereinstimmung mit dem
geschichtlich gebundenen Leben des Menschendaseins—, |
daß man an das apostolische Wort gebunden ist" (147). |
Und dennoch nimmt der Verf. ausdrücklich von der dia- :
lektischen Theologie Abstand. Sie zerbricht alle ver- j
bindenden Fäden. Nach dieser rein supranaturalen Be- j
Stimmung des Christentums, die das Wahrheitsproblem
in Verbindung mit dem Existenziellen in den Mittelpunkt ;
stellt, endet das Buch mit einer Bestimmung des Ver- j
hältnisses zwischen dem Christentum und den andern
Religionen. Hier begegnen uns wieder sehr wertvolle !
Gedanken. Sehr bemerkenswert ist der Abschnitt, worin
der Verf. entwickelt, daß das Christentum die Rechtferti- J
gung der Religionen ist, d. h. sie zeigt, daß in der Reli- ;
gionsgeschichte ein Sinn ist, der Sinn wird im Lichte des 1
Christentums deutlich. Aber zugleich ist das Christen- |
tum die Krisis aller Religion außerhalb des Christen- j
tums. Am Ende begegnet uns der Gedanke, daß weil !
das Christentum die Wahrheit ist, für keine Perfekti-
bilität Raum ist, sondern nur Eschatologie. Nur die
Eschatologie überbietet die religiöse Entelechie des
Christentums, und diese Eschatologie wird im Glauben
festgehalten.

Ich habe das Buch so ausführlich referiert, weil es
mir scheint, daß es gleich wertvoll ist als Beitrag zur
systematischen Theologie wie als Einführung in eine
fruchtbare Betrachtung der Mission.
Kopenhagen. E. Geismar.

Troeltsch, t Prof. Dr. Ernst: Die Absolutheit des Christentums
und die Religionsgeschichte. Vortrag, geh. a. d. Versig.
d. Freunde d. Christi. Welt zu Mühlacker am 3. Okt. 1901. Erw. u.
m. e. Vorw. vers. 3., unveränd. Aufl. Tübingen: J. C. B. Mohr 1929.
(XXIV, 122 S.) gr. 8°. RM 6.50; geb. 9—.

Die erste Aufl. erschien 1902 (angezeigt von W. Herrmann 1902,
330 ff.), die zweite, um 26 S. erweitert, in der Grundhaltung unverändert
, 1912 (von mir angezeigt 1912, 828). Die vorliegende 3. Aufl.
ist bis auf einige Druckfehlerberichtigungen ein unveränderter Abdruck
der zweiten.

Hannover-Kleefeld. H. Schuster.

Clemen, Carl: Die Religionen der Erde. Ihr Wesen und ihre
Geschichte. In Verbindg. mit Franz B a b i n g e r, Leo B a e c k ,
Heinrich Hackmann u. a. dargestellt. Mit 135 Illustr. München:
F. Bruckmann 1927. (XII, 515 S.) gr. 8°. RM 19—; geb. 22 — .

Neben dem hier von Hans Haas besprochenen
Wiener Sammelwerk hat sich das vorliegende Buch
die Aufgabe gestellt, einen weiteren Kreis von Gebildeten
in die Religionen der Erde im weitesten Umfang,
von der prähistorischen Religion bis zu den Weltreligi- j
onen der Gegenwart mit Einschluß des Christentums, j
in Wort und Bild einzuführen. Es wird diesen Dienst
im allgemeinen gut leisten können, zumal geschickt ge- |
wählte Literaturangaben — auch über die fremdsprachige
Forschung — am Ende der einzelnen Ab- ]
schnitte das Weiterarbeiten erleichtern. Freilich ist das
Programm, von den einzelnen Religionen „diejenigen
Seiten herauszuarbeiten, auf die es für deren Anhänger
wirklich ankam", nicht immer eingehalten. Wenn etwa i
F. R. Schröder für die germanische Religion stark I
die aus dem Orient importierten Züge heraushebt, so
freut man sich gewiß, die wertvollen Ergebnisse seiner i
Forschungen in gefälliger Form hier wiederholt und bequem
zugänglich gemacht zu sehen, aber der Schwerpunkt
der germanischen Religion selbst wird dadurch !
doch ein wenig verschoben. Mit besonderem Interesse
wird man neben Clemens' Versuch, zum ersten Male, die !
prähistorische Religion zu erfassen, aus der er
einen wesentlichen Ausschnitt bereits in seiner Religionsgeschichte
Europas I (vgl. Th.L.Z. 1928, 173) bot, und
neben dem in seinem Wagnis eines geschichtlichen Auf-
risses originellen Entwurf, den A. Schott der baby- 1
Ionischen Religion gewidmet, nachdem er sich durch
seine Forschungen zu den akkadischen Vergleichen, na- ;

mentlich in den Königsinschriften, für eine so schwierige
Aufgabe qualifiziert hatte, vor allem das Bild auf
sich wirken lassen, das Leo Baeck von dem Judentum
entworfen hat, eine großzügige Apologetik, die in
die Anfänge die Gipfelpunkte hineinsieht und dort, wo
das Auge des Außenstehenden Erstarrung wahrnimmt,
eine Verbindung des Menschen mit Gott „durch den
Alltag" zu erblicken und wertzuschätzen vermag. Seinen
Einzelausführungen über die gleiche Stärke des Gefühls
des Abstandes und des Gefühls der Verbundenheit, über
die Verbindung von Kreaturgefühl und sittlicher Verpflichtung
sowie über die Bedeutung der Geschichte im
jüdischen Gottesglauben würde ich weithin zustimmen
können, auch wenn m. E. das Ganze zu wenig den
Charakter der israelitischen als einer von schwersten
äußeren Katastrophen erschütterten, von inneren Krisen
hin und her gerissenen und von der Dämonie prophetischer
Erlebnisse durchglühten Religion Rechnung trägt.
Läßt B. also die inneren Spannungen des Judentums,
auch des gegenwärtigen, ganz zurücktreten, so kann der
Bearbeiter des Christentums an der konfessionellen
Differenziertheit seines Objektes nicht vorbeigehen. Zwei
Wege wären ihm an sich offen: entweder der Versuch,
die großen Kirchengemeinschaften als verschiedene
„Möglichkeiten" desselben Glaubens zu erfassen oder
aber die eigene Konfession als seine reinste und allein
„giltige" Ausformung sichtbar zu machen. In seinem,
von erlesenen Abbildungen belebten, Beitrag geht E.
S e e b e r g den ersten Weg. Von hoher Warte, eine
Fülle von Problemen berührend, das Geistes- und Theologiegeschichtliche
(vgl. vor allem die Behandlung der
Scholastik!) stark in den Vordergrund schiebend, zieht
er die Linien, die vom Urchristentum zur griechischen,
römischen, protestantischen Kirche hinführen, doch so,
daß er die beiden ersten je auf einer früheren Stufe der
allgemeinen Geistesgeschichte Halt machen und allein
die evangelischen Kirchen an den letzten Perioden der
Geistesgeschichte aktiv teilhaben läßt. Das Recht auf
solches „Teilhaben" aber entscheidet sich daran, ob dabei
lebendige Kräfte des Evangeliums wirksam sind
oder ob es lediglich ein Aufgehen in Geistesströmungen
außerchristlichen Ursprungs bedeutet; in dieser Hinsicht
bieten die Seiten 442—444 die entscheidende (positive)
Stellungnahme Seebergs in der Form einer Charakteristik
der Ethik Luthers und seiner Stellung im abendländischen
Geistesleben, Sätze, deren religiös-zentrale Bedeutung
man gern noch deutlicher herausgehoben sähe.

Es kann nicht Aufgabe des Rezensenten sein, über
alle „Religionen der Erde" als „Sachverständiger" zu
reden. So sei nur mitgeteilt, daß außer den genannten
behandelt haben: C. Clemen d ie prähistorische, persische
und keltische Religion, G. Roeder die Ägypter,
F. G. A. Krause die Chinesen und Japaner, O. Strauß
die Inder, F. Pfister die Griechen und Römer, K. H.
Meyer die Slawen, H. Hackmann den Buddhismus und
F. Babinger den Islam, also überwiegend beste Kenner
des jeweiligen Einzelgebietes, und daß die 135 Illustrationen
meist geschickt gewählt und gut reproduziert
sind.

Göttingen. J0h. Hempel.

Sevenster, Gerhard: Ethiek en Eschatologie in de synoptische
EvangeliSn. Een Studie over het typische in Jezus' zede-
leer. Diss. Leiden: Buchdr. E. Ijdo. (IX, 221 S.) gr. 8°.

Diese Leidener Dissertation des Pürmerender Pfarrers
Dr. G. Sevenster verdient auch außerhalb der
holländischen Grenzen die volle Beachtung aller Forscher
, die sich um die zentrale Frage nach der escha-
tologischen Bedingtheit und nach der Eigenart der
synoptischen „Ethik" bemühen. Der Vf. hat eine reiche
Literatur bewältigt und behandelt Probleme, die noch
immer als aktuell zu betrachten sind. Wenn er sich in
Manchem mit meinen im „Sinn der Bergpredigt" dargelegten
Auffassungen berührt, so bestätige ich gern seine
Versicherung, daß sein Manuskript in der Hauptsache