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Ausgabe:

1930 Nr. 26

Spalte:

620-622

Autor/Hrsg.:

Schlatter, Theodor (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel erstmals zur Feier ihres 25jährigen Bestehens hrsg 1930

Rezensent:

Usener, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 26.

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Maße auch Protestanten aus der Schweiz und den nordischen
Ländern hinzutreten, und durch die Persönlichkeit
des jeweiligen Pfarrers. Daß eine Entwicklung, auf
die Männer Einfluß nehmen wie B. G. Niebuhr, Chr.
Bunsen, R. Rothe, A. Tholuck, H. Abeken, H. Frh. v. d.
Goltz, zuletzt noch W. Amelung — von den Künstlern
nicht zu reden — unsere Teilnahme in Anspruch nehmen
muß, ist selbstverständlich. Aber auch zahlreiche Einzelheiten
, wie die Choleraepidemie in Rom oder der Besuch
Friedrich Wilhelms IV. in der ewigen Stadt
fesseln uns. Das Buch ist geschmackvoll geschrieben
und vorzüglich ausgestattet, auch mit Abbildungen. Ein,
wohl unvermeidbarer, Schönheitsfehler bei den letzteren
ist es für mein Empfinden, daß von den Pfarrern in den
meisten Fällen Bilder geboten werden, die sie im viel
höheren Lebensalter als dem ihrer römischen Wirksamkeit
zeigen.

Göttingen. _W. Bauer.

Niemeier, G.: Die Methoden und Grundlagen der Religionsphilosophie
der Gegenwart. Stuttgart: W. Kohlhammer 1930.
(VIII, 205 S.) gr. 8°. — Beiträge z. Philosophie u. Psychologie, hrsg.
v. T. K. Oesterreich, H. 6. RM 7.80.

Die Arbeit bietet einen nahezu erschöpfenden Überblick
über die religionsphilosophischen Methoden der
Gegenwart. Der Verf. unterscheidet sechs verschiedene
Wege, auf denen die Religionsphilosophie heutzutage
die Lösung des Rätsels der Religion sucht. „Die historisch
-induktive Methode will aus den wechselnden Erscheinungen
der Religion einen Abstraktionsbegriff als
Inbegriff des Wesens der Religion gewinnen; die Methode
der Normbegriffe sucht das Wesen der Religion
in dem Maßbegriff der höchststehenden Religion zu
fixieren; die psychologische Methode in ihren mannigfachen
Abarten sucht aus einer Analyse des religiösen
Seelenlebens den Allgemeinbegriff der Religion zu entwickeln
; die spekulativ-genetische Methode zeigt, daß
der Religion eine überempirische Realität zugrunde
liegt, während die idealistisch-kritische Methode die Religion
aus dem Wesen und den Gesetzen des menschlichen
Geistes ableiten will und sie als eine Bewußtseinstatsache
faßt, welche mit dem menschlichen Geist
überhaupt gesetzt ist. Die phänomenologische Methode
endlich weist die Religion als ein art-besonderes Faktum
mit einem ganz besonderen Gegenstande auf"' (S. 194).
Der Verf. selbst nimmt seine Stellung im psychologischen
Lager. Deshalb gelten ihm auch die Arbeiten
der unter dem Titel: psychologische Methode aufgezählten
Vertreter: K. Oesterreich, H. Scholz und G.
Wobbermin als die „Spitzenleistungen" der Religionsphilosophie
der Gegenwart und als ihr Hauptergebnis
die Einsicht in den „religionspsychologischen Zirkel",
das Hin und Her zwischen Eigen- und Fremderfahrung
und dessen methodische Verwertung. Freilich gibt seine
zusammenfassende Bemerkung (S. 194): „Grundsätzlich
muß die Methode zur Lösung der Wesensfrage (der
Religion) psychologisch orientiert sein" Anlaß zu Mißverständnissen
. Wenn damit nur gemeint ist, daß, wie
es gleich darauf heißt, die religionsphilosophische Methode
von der Zergliederung der religiösen Erlebnisse
ihren Anfang nehmen muß, so ist nichts dagegen zu
sagen. Aber diese Zergliederung selbst braucht nicht
psychologisch zu erfolgen, sie kann sinndeutend oder
phänomenologisch vorgehen. Wobbermin selbst will
daher sein r e 1 i g i o n s psychologisches Verfahren in
Parallele zur phänomenologischen Methode gestellt
haben. Es wäre deshalb besser, Wobbermin nicht in
eine Reihe mit den Vertretern empirisch-psychologischer
Methoden einzuordnen, wie es der V. getan hat. Auch
mit mir. Ich zum mindesten fühle mich in dieser Nachbarschaft
nicht wohl.

Von einer phänomenologisch orientierten religionsphilosophischen
Methode aus ergibt sich auch eine befriedigendere
Antwort auf die Frage nach der Wahrheit
der Religion. Hält man sie, wie der Verf. unter dem
Einfluß der nur psychologischen Problemstellung es

tut, für die Frage nach der realen Existenz der transzendenten
Gegenstände, die das religiöse Erlebnis meint,
] dann muß man sie notwendig für unbeantwortbar halten.

Phänomenologisches Denken beantwortet sie mit dem
' Hinweis auf den Objektgehalt im religiösen Erlebnis-
i phänomen, von dem nur seine psychische Seite psycho-
j logisch (in einem engeren Sinne) faßbar ist. Doch liegt
j der Wert und das Verdienst der vorliegenden Arbeit
nicht in der nur auf wenigen Seiten skizzierten eigenen
I Stellungnahme des Verf.'s, sondern in der umsichtigen,
j mit großem Fleiß zusammengetragenen Materialsamm-
! hing.

I Heidelberg. Robert W i n k 1 e r.

Jahrbuch der Theologischen Schule Bethel erstmals zur Feier
ihres 25jährigen Bestehens hrsg. v. Th. Schlatter. Bethel bei
Bielefeld: Verlagsh. d. Anstalt Bethel 1930. (237 S.) 8°.

Vor kurzem hat die Theologische Schule in Bethel
ihr 25jähriges Jubiläum feiern können, von vielen Seiten
, auch von der Theol. Fakultät Münster herzlich gegrüßt
. Sie bietet aus diesem Anlaß ein Jahrbuch der
Theol. Schule, als dessen Herausgeber ihr jetziger Leiter
, der bei Gelegenheit des Jubiläums von der Münster-
schen Fakultät ehrenhalber zum Lic. theol. promovierte

I Pastor Theodor Schlatter zeichnet. Sie will mit diesem

! Buch weiteren Kreisen Einblick in ihre Arbeit geben,
wobei sie betont, daß ihre Hauptaufgabe nach wie vor

j der Unterricht bleibe „in möglichst lebendiger Fühlung
zwischen Lehrenden und Lernenden".

Der erste Teil des Buches „Aus dem Leben der
Th. Sch." enthält einen ausführlichen Aufsatz über
„Die Entstehung der Th. Schule" von dem Leiter des
üesamtwerks von Bethel und zweiten Vorsitzenden des
Vorstands der Th. Sch., Pastor D. Fr. v. Bodelschwingh
und einen zweiten „Aus der Geschichte der Theol.
Sch." von ihrem jetzigen Leiter, der in chronikartiger
Weise über die Entwicklung der Schule berichtet. Der
II. Teil „Aus der Arbeit der Th. Sch." bringt wissenschaftliche
Abhandlungen der gegenwärtigen vier
hauptamtlichen Lehrer aus ihrem besondern Arbeits-

i gebiet.

v. B. verfolgt die Gedanken seines Vaters betr.

j eine kirchliche Fakultät oder theol. Schule zurück bis
in das Jahr 1862; da hat der damalige Pariser Missions-

j prediger v. B. einen Vortrag in Berlin gehalten „Die
evangelische Mission unter den Deutschen in Paris", in
der Ev. Kirchenzeitung nachher abgedruckt, in dem sich

! der Satz findet: „Wäre es denn wohl gar zu hoch ge-

! hofft, wenn durch Deutschlands Handreichung an materiellen
und besonders an geistigen Kräften im Schoß

! der Kirche Augsb. Konfession in Paris ein bescheidener

| Lehrstuhl gläubiger Theologie verbunden mit einem Seminar
errichtet würde?" In den neunziger Jahren ist
dann v. B. auf diesen Gedanken zurückgekommen. Die
Vorgänge auf der außerordentlichen preußischen Gene-

| ralsynode Herbst 1894 mit den Verhandlungen über
Einfluß der Kirche auf die theol. Fakultäten spielen

j dabei eine Rolle; aber den Gedanken einer eigenen

i freien theol. Schule, bei der v. B. an das geistlich und
kirchlich so rege Ravensberger Land, an Herford oder
Gütersloh dachte, gab er wieder auf, da er wenig Ermutigung
, im Gegenteil kräftigen Widerstand fand, so
bei dem Präsidenten des E. O. K. D. Barkhansen und
dem westf. Generalsup. D. Nebe, auch in den Kreisen
der Inneren Mission. Neun Jahre später kommt er
dann auf den Plan zurück, den er der Öffentlichkeit
unterbreitete und in einer vertraulichen Denkschrift einem
engeren Freundeskreis vortrug. Jetzt steht ihm

i Bethel und seine Zionsgemeinde als der gewiesene Ort

. für die Schule fest.

Auf der Theol. Woche in Bethel September 1904 sprach v. B. in
einer Abendversainmlung öffentlich über seine Pläne. Ich kann mich
des Vortrags und der Verhandlung noch gut erinnern, — die Schriftl.
hat diesen Bericht einem Berichterstatter übertragen, der bis vor wenig

! Jahren aus nächster Nachbarschaft die Entstehung und Entwicklung der

j Th. Sch. mit erlebt hat — welch große innere Spannung über der Versammlung
lag, wie namentlich ihr Leiter Prof. D. Schlatter, die Ver-