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Ausgabe:

1930 Nr. 26

Spalte:

609-611

Autor/Hrsg.:

Helm, Rudolf (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Hippolytus Werke. 4. Bd.: Die Chronik 1930

Rezensent:

Campenhausen, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 26.

610

stellt dann schließlich fest, daß das Matth. 15,19 von
Jesus gesprochene „Sündenregister" „zwar nur ein Blatt
aus dem schwarzen Buch „Menschensünde", aber doch
etwas ganz Apartes, ganz Originales, — eine Art
Salas Gomez, ein separiertes Inseleiland im Ozean der
hamartologischen Weltliteratur ist" (S. 28). Die Lasterkataloge
des N.T. entstammen dann den 5 genannten
„Möglichkeiten".

Die Schrift von F. erklärt sich wohl als Fortsetzung
seiner 1928 erschienenen: „Der Geist der
neutest. Lastertafeln. Eine Handreichung zur wissenschaftlichen
Vertiefung der Sündenerkenntnis". Eine derartige
, nicht auf gründlicher Quellenforschung beruhende
Arbeit kann kaum zur Lösung einer religionsgeschichtlichen
Frage etwas beitragen.

Eigenartig ist oft die Deutung des N. T., so z. B., wenn aus Act.
7, 22 „Die hochbedeutsame Vertrautheit Moses mit aller, zweifellos auch
harmartologischen Wissenschaft Ägyptens" gefolgert wird (S. 8). Als
eigenartig — oder ist es ein Druckfehler? — ist auch zu bezeichnen,
wenn die Zeitschrift „Le Museon" scheinbar als Autor eines Artikels
zitiert wird: „W. Bang, manichäischer Laienbeichtspiegel von L. Museon
36, S. 137 ff." (S. 10 Anm. 5).

Göttingen. H. Seesein au B.

Hippolytus Werke. 4. Bd. Die Chronik, hergest. von Adolf Bauer(t).
Durchgesehen u. hrsgegeb. im Auftr. d. Kirchenvätcr-Commiss. d.
Preutl. Akademie d. Wissenschaften von Prof. Dr. Rudolf Helm.
Nebst e. Beitr. v.J. Markwart. Leipzig: J. C. Hinrichs 1929. (VIII,
562 S.) 4°. Die griech. christl. Schriftsteller Bd. 36.

RM 33-; geb. 39-.

Kaum ein Schriftsteller stellt seine Herausgeber vor
so große Schwierigkeiten wie Hippolyt. Seine Schriften
sind fast immer nur unvollständig erhalten und ihr
Text muß aus zerstreuten Fragmenten, Überarbeitungen
und Übersetzungen verschiedenster Sprachen mühsam
zusammengestellt werden. Gerade die Chronik war aber
dem Verderb und nachträglichen Korrekturen begreiflicher
Weise in besonders hohem Maße ausgesetzt. Es
ist also eine ungemein schwierige und komplizierte Aufgabe
, die der verstorbene Althistoriker Adolf Bauer
mit ihrer Bearbeitung zu lösen hatte, und die jetzt ein
Jahrzehnt nach seinem Tode der Öffentlichkeit übergeben
worden ist. Rudolf Helm hat die Herausgabe
besorgt. Er mußte dazu nicht allein das alte, korrekturenreiche
Manuskript ordnen, sondern an mehreren
Stellen auch Verbesserungen anbringen, die durch die
spätere Forschung notwendig geworden waren, schließlich
aber das ganze Werk — in derselben Weise wie
schon früher die Chronik des Hieronymus — mit eigener
Hand für den Manuldruck transskribieren. Die schmerzliche
Folge dieser Sparmaßnahme war, daß die kritischen
Anmerkungen zum Text jetzt nicht, wie es Bauer
gewünscht hatte und in der Tat auch das allein Geeignete
gewesen wäre, als eine Art zweiter Apparat unter
den Text o-esetzt werden konnten, sondern nur in
Form eines "Anhangs beigegeben sind. Daß Helm die
Register von sich aus auf das Notwendigste beschränkte,
läßt sich bei der ausführlichen Inhaltsangabe der Chronik
, deren überwiegend biblischer Stoff eine Orientierung
nicht schwer macht, weit eher verschmerzen. Im
ganzen verdient seine pietätvolle und sorgsame Arbeit
Dankbarkeit, und im Hinblick auf die Diskussionen
um die Chronik des Eusebius, die in der
letzten Zeit stattgefunden haben, darf wohl auch die
Hippolytchronik auf ein stärkeres Interesse rechnen, als
ihr um ihres eigenen Inhalts willen zuteil geworden
wäre.

Der ursprüngliche Text der Hippolytischen Chronik
ist nur in einer einzigen Madrider Handschrift überliefert
, die jedoch unvollständig ist und nach späteren
Bearbeitungen ergänzt werden muß. Neben der ursprünglichen
Fassung (H 1) ist in Alexandrien — die
Bedeutung Alexandriens für die Textgeschichte der
Chronik kommt auch sonst sehr deutlich zum Vorschein
— bald nach dem Tode Hippolyts eine zweite Fassung
(H 2) entstanden, die im ganzen eine viel weitere Verbreitung
gefunden hat, aber wiederum fast nur indirekt,
d. h. in späteren Bearbeitungen, erhalten ist. Zahlreiche
Mischtypen zwischen den beiden Hauptstämmen kommen
hinzu.

Der Gedanke, auch die zweite Passung könnte im Sinne einer
„zweiten Auflage" auf H. zurückgehen, wird mit Recht abgewiesen.
Entscheidend hierfür ist aber nicht die biographische Frage nach der
Lebensdauer Hippolyts, sondern der Charakter der von H 2 vorgenommenen
Änderungen, die als Selbstkorrekturen nicht gut verständlich
wären. Interessant ist, daß die Daten in H 2 an der LXX orientiert
werden, während H 1 andere z. T. jüdische Traditionen zu benutzen
scheint.

Von dem Punkt an, wo der Matritensis abbricht,
ist eine eigentliche Rekonstruktion des hippolytischen
Textes überhaupt nicht mehr möglich, und die verschie-
j denen Zeugen müssen einfach in Kolumnen nebenein-
j ander gedruckt werden. Um so größere Sorgfalt hat
Bauer auf die Ermittelung des ursprünglichen Systems,
i der chronologischen fila H.s verwandt, die zum größten
Teil noch feststellbar waren. Ihnen sind die umfang-
l reichen Exkurse gewidmet, und die so in Auseinander-
I Setzung besonders mit Geizer gewonnenen Ergebnisse
i scheinen mir im allgemeinen Zustimmung zu verdienen.
Der für die Folgezeit wichtigste Teil der hippolytischen
Chronik, um dessentwillen sie auch immer
| wieder benutzt wurde, bildet der ausführliche „Diame-
I rismos", eine genealogisch-geographisch angelegte Völ-
I kertafel. Ihr schließt sich ein „Stadiasmos" des mitte 1-
I ländischen Meeres an, den Bauer trotz seiner sehr
schwachen textlichen Bezeugung gleichfalls für echt
hält: mit „Willkürlichkeiten der erhaltenen Überlieferer
oder ihrer Vorlagen" sei in der Chronik „immer zu
| rechnen" (S. 11). Helm tritt dieser Annahme im Vorwort
entgegen und sucht die Unechtheit des Stadiasmos
! auch durch grammatikalisch-lexikographische Beobach-
I hingen zu erweisen, die jedoch nicht unbedingt durchschlagend
sind. Eine sichere Entscheidung scheint nicht
J mehr möglich zu sein. — Der Diamerismos und der
i Stadiasmos sind übrigens die einzigen Stücke, die einen
Ertrag für die klassisch-antike Literatur ergeben. Zur
j antiken Chronographie führt von H. „so gut wie keine
j Verbindung hinüber" (S. 28). Außer Afrikanus nimmt
I Bauer für H. nur noch christliche, aber auf jüdisch-helle-
! nistische Exegese und Popularisierung des A.T. letzten
Endes zurückgehende Handbücher als Quellen der Chronik
an, wozu sein Aufsatz in den Neuen Jahrb. f. d.
klass. Altertum XXXIII, S. 10ff. zu vergleichen ist.
Die wissenschaftliche Bedeutung der Chronik wird mit
Recht nicht eben hoch veranschlagt. Dagegen findet
die Annahme, sie verdanke ihre Entstehung einer prak-
| tisch-aktuellen Absicht, der Bekämpfung verfrühter
eschatologischer Erwartungen, im Texte selbst keinen
, Rückhalt: die auf drei verschiedenen Wegen durchgeführte
Bestimmung des laufenden Jahres als 5738. Jahr
! der Welt ist als Zielpunkt aller chronologischen Be-
; rechnungeil auch ohne dem durchaus verständlich.

S. 18 Z. 8 muß der unklare Ausdruck „gleichen" durch „vergleichen",
S. 22 z. 9 v. u. „beiläufiges Bild" durch „ungefähres Bild" ersetzt werden.

Als „Anhang" wird ein Hauptzeuge für die Hippolytchronik
, der erste Teil einer „armenischen Chronik
vom Jahre 686/7" — in Wahrheit die Übersetzung
1 einer alexandrinischen Chronik — in deutschem Text
veröffentlicht, obgleich die von H. abhängigen Par-
j tien in den Parallelkolumnen schon einmal abgedruckt
waren, was bei der Bedeutung der noch nicht genügend
ausgewerteten Quelle geeignet schien. J. Mark wart,
der die Herausgabe noch in Gemeinschaft mit Bauer
begonnen hatte, hat dem Text jetzt eine längere kritische
Einleitung vorausgeschickt und auch den weiteren
Inhalt der Chronik auszugsweise mitgeteilt. Da er indessen
— anders als Bauer — zur Überzeugung ge-
i langt ist, daß die armenische Chronik keine Einheit
! bildet und die späteren Partien auf ganz andere Verfasser
zurückgehen, möchte ich meinen, daß seine ein-
i gehenden Untersuchungen hier eigentlich nicht am rechten
Ort stehen. Davon abgesehen, verdienen sie aller-