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Ausgabe:

1930 Nr. 2

Spalte:

39-41

Autor/Hrsg.:

Pastor, Ludwig Frhr. von

Titel/Untertitel:

Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters. Bd. XIII: Geschichte der Päpste im Zeitalter der katholischen Restauration und des 30jährigen Krieges. Gregor XV. und Urban VIII.

Rezensent:

Hashagen, Justus

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 2.

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Folge, auch ein nicht zu unterschätzender Vorzug. Die
beiden vorliegenden Hefte 3 und 4 entsprechen in
ihrem Wert in jeder Weise den voraufgehenden, und es
kann auf die Besprechung dieser beiden im wesentlichen
verwiesen werden (53. Jahrg. Nr.' 26 Sp. 612, und 54.
Jahrg. Nr. 6 Sp. 137). Das 3. Heft enthält die Akten der
Stadt Perleberg, der Hauptstadt der Priegnitz, sowie die
Akten der umliegenden Dörfer. Wir finden zunächst den
Visitationsabschied vom November 1542 nebst den dazugehörigen
und 1558 ergänzten Registern. Es folgt der
Abschied vom 3. Februar 1558 nebst Registern, und
zuletzt die wörtlich übereinstimmenden Abschiede vom
20. Juni 1581 und 9. Oktober 1600, sowie die Register
von diesen beiden Visitationen. Die Dörfer der
Inspektion Perleberg sind zu denselben Zeiten visitiert
worden, auch hier liegen die entsprechenden Matrikeln
vor. — Von besonderem Wert sind die Akten der zweiten
Visitation von 1558. Hier wirkte insbesondere der
Generalsuperintendent Johann Agricola mit, und seine
große Gewissenhaftigkeit ist unverkennbar; insonderheit
sind die Geistlichen hinsichtlich ihrer Stellung zu
den in der Kirchenordnung vorgeschriebenen kirchlichen
Zeremonien geprüft.

Das 4. Heft bringt die Visitationsakten der nunmehr
1000jährigen Stadt Lenzen. Der erste Visitationsabschied
stammt aus dem Jahre 1544, dazu kommen
die dann 1558 ergänzten Register. Der Abschied von
1558 stimmt mit dem Perleberger dieses Jahres fast
wörtlich überein; auch diesmal folgt das Register. Von
der dritten Generalvisitation von 1581 sind die Lenzener
Akten verschwunden, so folgt der Abschied vom 15. Oktober
1600 nebst dem dazugehörigen Register. Die
Dörfer der Inspektion Lenzen sind 1542, 1558, 1581
und 1600 visitiert worden, die entsprechenden Matrikeln
sind abgedruckt, bei denen von 1581 nur die von der
vorhergehenden abweichenden Stellen. Auch diese beiden
Hefte werden nicht nur dem Heimatgeschichtsforscher
wertvolle Dienste leisten, ebenso wichtig sind
sie für die Kirchengeschichte sowie die Wirtschaftsgeschichte
. Um einen Begriff davon zu geben, mit welcher
großen Sorgfalt diese Visitationen durchgeführt worden
sind, möchte ich nur erwähnen, daß man bei der Visitation
von 1600 den „Ornat des gotshauses Lentzen"
bis ins einzelne verzeichnete; die verzeichneten Stücke
dürften noch aus katholischer Zeit stammen, so 4
Becher, „2 administranten rocke von rotem sammet,
1 alter chorrock sampt 3 zerrissene caseln, 2 leinwandt
chorrocke" und anderes.

Bernburü. H. Peper.

von Pastor, Ludwig Freiherr: Geschichte der Päpste seit dem
Ausgang des Mittelalters. 13. Bd.: Geschichte d. Päpste im
Zeitalter d. kathol. Restauration u. d. 30 jähr. Krieges. Gregor XV.
u. Urban VIII. 1. Abt.: Gregor XV. (1621 — 1623), Urban VIII.
(1623-1644) 1. Tl. u. 2. Abt.: Urban VIII. (1623 — 1644), 2. Tl.
1.—7. Aufl. Freiburg i. Br.: Herder & Co. 1928 u. 1929. (XVI,
584 S. u. XXV u. S. 585 — 1057.) gr. 8°.

1. Abt., 1.: RM 16—; Lwd. 20—; Hfrz. 23—.

2. „ ,2.: „ 14— ; „ 18—; „ 21—.
Man kann von dem Verfasser nicht erwarten, daß

er Geist, Standpunkt und Methode seines großen Monumentalwerkes
gegenüber der Kritik abändere. Das
wird man auch bei der wissenschaftlichen Würdigung
des vorliegenden Bandes im Auge behalten. Er bringt
die Geschichte der Päpste im Zeitalter der Gegenreformation
schon beinahe zum Abschluß. Zwar möchte der
Verfasser wenigstens der letzten Phase des Dreißigjährigen
Krieges „den Begriff eines Religionskrieges" fernhalten
. Aber daß der ganze Krieg zu einem beträchtlichen
Teile innerlich doch in das Zeitalter der Gegenreformation
gehört, wird man auch bei Pastor oft genug
bestätigt finden. Noch deutlicher freilich wird das unter
dem kurzen Pontifikate Gregors XV. (1621 — 1623), der
ernten konnte, was andere gesät hatten. Ignatius von
Loyola und andere Glaubenskämpfer wurden unter die-

I sem Papste heilig gesprochen. Aber das Zeremoniell
i wurde eingeschränkt, so daß die dabei gemachten Ersparnisse
zwischen dem Kaiser und der Liga geteilt werden
konnten (S. 94. 180). Auch sonst ist der umfängliche
Band eine wahre Fundgrabe zur Charakteristik der
Männer, der Triebkräfte und der Methoden der späteren
Gegenreformation. Freilich bedürfen die von Pastor
auch hier wieder mit bewunderungswürdigem Fleiße zu-
j sammengetragenen eingefügten Stoffmassen noch weiterer
Bearbeitung, ehe sie für eine Typologie der Gegen-
i reformation wissenschaftlich nutzbar gemacht werden
! können. Wenn auch im Gegensatz zu früheren Jahr-
j zehnten auf den deutschen Episkopat jetzt mehr Verlaß
war (S. 361), so war doch nach wie vor das landes-
S herrliche Kirchenregiment der katholischen Laiengewal-
I ten die stärkste Stütze des sich wiedererhebenden ?3apst-
tums, so das der Habsburger (S. 319). Bei dem französischen
Staatskirchentum hebt Pastor S. 508 ff. mehr
die Schattenseiten hervor. Das wird ihm um so leichter,
als er auf die uralte Vorgeschichte dieses Staatskirchen-
tums nur wenig Gewicht zu legen scheint. Ähnliches gilt
von dem Laieneinflusse auf die Kirche, wie er in Spanien
seit langem üblich war. Die gewiß berechtigte
Verurteilung des Staatskirchentums vom klerikalen
Standpunkte sollte doch nicht hindern, seine großen Verdienste
um die Gegenreformation anzuerkennen.

Am wenigsten befriedigen bei Pastor gewöhnlich
die geistesgeschichtlichen Abschnitte, die er auch diesmal
(abgesehen vielleicht von der bildenden Kunst)
ziemlich äußerlich behandelt. Der Jansenismus ist in seinen
Augen „eine wahrhaft entsetzliche Lehre" (S. 657).
Gewiß bleibt es dem Verfasser unbenommen, seinen Bannfluch
über den Jansenismus auszusprechen, wie er auch
sonst mit klerikalen Werturteilen nicht spart. Aber daneben
hätte Pastor dem Jansenismus doch auch eine
tiefere geistesgeschichtliche Würdigung zuteil werden
lassen sollen, zumal er für die sonstige eingehend dargestellte
Erneuerung der katholischen Kirche Frankreichs
(ebenso wie in andern Ländern) ein offenes Auge hat.
Aber Pastors Abneigung gegen den Jansenismus ist zu
groß, als daß er sich zu einer ruhigeren Analyse verstehen
könnte. So fehlt es nicht an unglücklichen Formulierungen
, so wenn er ihm S. 693 „Kopfscheu vor
der Natur" vorwirft. Auch mißt Pastor natürlich mit
zweierlei Maß. Was in jedem orthodoxen Kloster als
gut und löblich bezeichnet wird, verfällt sofort dem Verdammungsurteil
, wenn es in der von vorneherein
verwerflichen Form der jansenistischen Askese Port
Royais erscheint (S. 6921). Schließlich ist der Jansenismus
nur die Vorfrucht der Revolution (S. 699): „1641
verherrlichte Jansenius die Allmacht der göttlichen Gnade
auf Kosten der menschlichen Freiheit, 1789 ... die
französische Nationalversammlung, die Rechte des Menschen
auf Kosten Gottes . . ."

Befriedigender sind durchweg die weitschichtigen
Kapitel über die Betätigung des Papsttums auf dem
heißen Boden der europäischen Politik, besonders während
des langen Pontifikats Urbans VIII. (1623—1644).
Hier sind dem Verfasser seine außerordentlich umfassenden
Studien in den römischen und andern Archiven besonders
zustatten gekommen, obschon das Archiv der
römischen Inquisition auch ihm noch immer verschlossen
geblieben ist (S. 757 Anm. 4). Mit Hilfe dieser ganz
beträchtlich erweiterten Akten.kenntnis ist es dem Verfasser
zweifellos gelungen, die Charakteristik der europäischen
Politik des merkwürdigen Papstes, der sich
auch als Dichter versuchte (S. 882 ff.), auf einen festeren
Boden zu stellen. Die besonders von protestantischen
Historikern immer wieder betonte Protestanten-
freundlichkeit des milden Barberini muß sich bei Pastor
erhebliche Abstriche gefallen lassen. Die immer wiederholte
Nachricht, Urban VIII. habe über den Tod Gustav
Adolfs getrauert und sogar eine Trauermesse zelebriert,
gehört in das Reich der Legende (S. 460f.). Auch
Rankes von Gregorovius vergröberte Aufstellungen,