Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1930 Nr. 24

Spalte:

568

Autor/Hrsg.:

Lange, Ludwig

Titel/Untertitel:

„Paradoxe“ Osterdaten im gregorianischen Kalender und ihre Bedeutung für die moderne Kalenderreform 1930

Rezensent:

Meyer, Joh.

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

567

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 24.

568

Schrifttum keine Stütze findet, in Cyprian aber nur infolge Mißverstand- j
nisses jenes Ausdrucks (Qenetivus explicativus!) hineingelesen ist, dürfte
nunmehr über jeden Zweifel erhoben sein. — Ebenso überzeugend
wirkten auf mich die Ausführungen über die ecclesia principalis = principis,
wobei dann das unde auf princeps, d. h. also auf die Person des
Petrus zu beziehen ist. Wer sich diesem Schluß entziehen will, wird
gut tun, zuvor jedes einzelne Argument Kochs aus besserer Kenntnis !
des Sprachgebrauchs zu widerlegen. — Bezüglich der zweiten Fassung
von unit. 4 bleibt Koch dabei, daß es sich nicht um eine Redaktion
aus Cyprians Feder (so auch Caspar in Nachfolge Chapmanns), sondern
nur um einen Einschub in römischem Interesse handeln könne. Auch
hier wollen seine Ausführungen über den Sinn von primatus bei Cyprian
ernstlich beachtet sein. Was endlich die cathedra Petri in 59, 14 betrifft, j
so ist freilich Tatsache, daß dieser Ausdruck den römischen Stuhl bezeichnet
. Nicht richtig aber ist es, meint Koch, mit Caspar daraus
zu schließen, daß Stephan im Ketzertaufstreit „das neue Argument von j
Cyprian selbst entlehnt und die Waffe, mit der dieser dem Cornelius
beigesprungen war, gegen ihn selbst gekehrt" habe. Denn die Voraussetzung
dieses Schlusses, daß nämlich die der Prägung cathedra Petri '
zugrunde liegende Anschauung, Petrus sei der erste Bischof von Rom
(gewesen, ihren Urheber in Cyprian habe, ist (nach Koch) hinfällig, j
Sofern hier die Frage nach dem Alter des lateinischen Irenaus hineinspielt
, muß man abwarten, ob Koch den von ihm versprochenen Be- |
weis für ein höheres Alter der Übersetzung, als man zurzeit allgemein j
annimmt, erbringen kann. Das soll demnächst in den Studien und
Kritiken geschehen. Vgl. auch seinen Aufsatz in den Ricerche religiöse
1929 und dazu diese Zeitung im laufenden Jahrgang Sp. 435.

In summa: „Cyprians Kirchenbegriff ist durch
und durch episkopalistisch und schließt ein irgendwie j
geartetes Papsttum völlig aus" (S. 153). Koch hat j
seine These absichtlich so scharf formuliert, um seinen
Gegensatz gegen Caspar, nach dem Cyprian „mit dem
Zauberwort cathedra Petri die Idee des römischen Primats
über die gesamte Kirche entfesselt hat", unmiß- I
verständlich herauszustellen. Caspar hat inzwischen |
seine Auffassung in seinem bedeutenden Werk über die
Geschichte des Papsttums in größerem Zusammenhang
dargelegt. Die Mitforscher sind gespannt, zu erfahren,
wie sich die Protagonisten nunmehr weiter auseinandersetzen
werden. Das Material für die Entscheidung |
dürfte jetzt vollständig beigebracht sein, und es bleibt j
nur zu hoffen, daß Niemand, der es weiter bearbeitet,
der richtigen Erkenntnis den obiex, scholastisch gesprochen
, entgegensetzen wird. Auch hier mag dann
Cyprians (ep. 71,3), bereits von Koch (S. 90) angeführter
Satz Leitstern sein: non enim vineimur quando i
offeruntur nobis meliora, sed instruimur.
Gießen. G. Krüger.

Helm, Prof. Dr. R.: Die neuesten Hypothesen zu Eusebius'
(Hieronymus') Chronik. Berlin: Verl. d. Akad. d. Wiss. (W. de ,
Gruyter & Co. in Komm.) 1929. (40 S.) 4°. = Sonderausg. a. d. I
Sitzungsber. d.Preuß. Akad. d. Wiss. Phil. Hist. Kl. 1929, XXI. RM2.50. j
In dieser Abhandlung setzt sich Helm mit der
Kritik, die E. Caspar an seiner Ausgabe der Chronik
des Hieronymus (Eusebius) und seinen Aufstellungen
hierüber geübt hat, sowie mit dessen Gegenaufstellungen
auseinander. Sie ist in ziemlich lebhaften Tönen
gehalten, und es ist nicht wenig, was H. seinem Kritiker
und wissenschaftlichen Gegner vorwirft: „petitio
prineipii" (S. 8 u. 19), „Unkenntnis der allgemeinen
Überlieferung" (S. 9), „phantastische Überheblichkeit"
(S. 10), „Flüchtigkeit und Unüberlegtheit" (S. 12),
„journalistische Witzelei" (S. 13 f.), „Verschwommenheit
der Vorstellungen", „Mangel an Logik" (S. 16), „kühnen
Saltomortale" (S. 21), Mangel an „Gewissenhaftigkeit
" (S. 27 A.l) und an „Sachlichkeit" (S. 40), „unerlaubte
Art der Polemik" (S. 37 A. 1). Sachlich geht
der Streit um zwei Fragen: 1. ob bei Eusebius die nicht
auf ein bestimmtes Jahr zu beziehenden Angaben von
den andern durch die Schrift oder, wie Caspar sich
ausdrückt, eine „autonome Zeilenführung" geschieden
gewesen seien, was Caspar behauptet, Helm bestreitet,
und ob die annalistische Form, d. h. die Beziehung der
Angaben auf ein bestimmtes Jahr, die Regel (Helm)
oder die Ausnahme (Caspar) gewesen sei. 2. Ob die
Zahlenreihen und Angaben vom Jahre 1496 Abraham
an schon von Eusebius selber auf eine einzige Seite

zusammengedrängt worden seien, während sie vorher
auf eine Doppelseite verteilt waren, oder ob dies erst
Hieronymus eingeführt habe. Dies letztere behauptet
Caspar, während Helm mit der bisherigen Forschung
für die erste Annahme ist. Beide Fragen hängen aber
mit der Schätzung der S-Überlieferung zusammen —
die verlorene Hdschr. S ist die Mutterhandschrift zu
APN, wie die verlorene Hdschr. O zu M B L —, worin
Caspar die „ursprüngliche Textgestalt" erblickt, und
mit der Schätzung der armenischen Übersetzung, die
Caspar beiseiteschiebt. Mir scheint Helm mit seinen
Darlegungen auf der ganzen Linie im Rechte zu sein,
und es zeigt sich auch hier, daß Caspars Aufstellungen
und Entdeckungen sorgfältig nachgeprüft werden
müssen. Eine sonderbare Wendung ist die „nachlässige
Akribie" (nicht als Oxymoron gedacht), und ein „Auszug
in Ägypten" (S. 14) ist selbst eine „nachlässige
Akribie". Erfreulicherweise haben jetzt in den Berliner
Akademieabhandlungen in den griechischen Sätzen die
dünnen Majuskeln kräftigen und leicht lesbaren Minuskeln
Platz gemacht.
München. Hugo Koch.

Lange, Ludwig: „Paradoxe" Osferdaten im gregorianischen
Kalender u. ihre Bedeutung f. d. moderne Kalenderreform. München:
Bayrische Akademie d. Wissensch, in Komm. R. Oldenbourg 1928.
(85 S.) 8°. = Sitzungsberichte d. Bayer. Akad. d. Wissensch. Jahrg.
1928, 9. Abhdlg. RM 4—.

Paradox nennt der Verf. solche Osferdaten, bei
welchen der nach dem Osterzyklus berechnete Osterter-
min von dem Termine, wie er sich aus der astronomischen
Errechnung des ersten Frühjahrsvollmondes ergibt
, entweder für die ganze Erde oder für Teile derselben
abweicht. Seine Ausführungen ergeben, daß beispielsweise
das 20. Jahrhundert 4 unbegrenzte, 10 für
ganz Europa geltende Paradoxien bringt (S. 36), und
daß der Genauigkeitsgrad der gregorianischen Zyklen
je nach den Jahrhunderten schwankt (S. 43). Aber
diese Mängel wiegen dem Verf. nicht schwer genug, um
nach besseren Zyklen zu suchen (S. 48). Am interessantesten
sind die Nachweise über die verschiedenen Osterberechnungen
in den seit kurzem vom Julianischen zum
Gregorianischen Kalender, wenigstens für das bürgerliche
Leben, übergegangenen Gebieten, die ihrer Osterberechnung
teils den Julianischen Kalender, teils die astronomische
Berechnung (so nur Rumänien), teils andre
Regeln zugrunde legen. Von dem Nachweise dieser
Buntscheckigkeit erhofft der Verf. eine Beeinflussung
des Orients im Sinne einer Zustimmung zu westeuropäischen
Kalenderkonventionen. Abgesehen davon vermag
ich wirkliche Zusammenhänge zwischen den Paradoxien
und der Kalenderreform nicht zu finden.
Göttingen. J. Meyer.

Maurer, Priv.-Doz. Lic. theol. Wilhelm: Das Verhältnis des
Staates zur Kirche nach humanistischer Anschauung vornehmlich
b. Erasmus. Gießen: A. Töpelmann 1930. (32 S.) 8°. =
Aus d. Welt d. Religion. Problemgeschichtl. Reihe, H. 1. RM 1.50.

Das 1. Heft der Problemgeschichtlichen Reihe der
Forschungen und Berichte „Aus der Welt der Religion"
greift historisch ein Thema an, das praktisch von außerordentlicher
Bedeutung für die Erkenntnis der gegenwärtigen
Lage der evangelischen Kirche ist. Es handelt
sich bei dieser Untersuchung über „Das Verhältnis des
Staates zur Kirche nach humanistischer Anschauung,
vornehmlich bei Erasmus", einer erweiterten Marburger
Antrittsvorlesung, um die Ursache der „Leidensgeschichte
des Kirchengedankens in der modernen Welt" (S. 32),
um die Frage, welche Ideologie die Ursache dieser
Leidensgeschichte geworden ist, indem sie die Auffassung
Luthers von Kirche und Staat zurückdrängte
und für die Folgezeit unwirksam machte.

Karl Holl hat uns in erster Linie Luthers Auffassung
von Kirche und Staat verstehen gelehrt. Um
aber die uns überkommene, in den wesentlichen Punkten
unlutherische Anschauung vom Verhältnis der Kirche