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Ausgabe:

1930 Nr. 24

Spalte:

557-563

Autor/Hrsg.:

Eisler, Robert

Titel/Untertitel:

IESOUS BASILEUS OU BASILEUSAS. Die messianische Unabhängigkeitsbewegung vom Auftreten Johannes des Täufers bis zum Untergang Jacob des Gerechten nach der neuerschlossenen Eroberung von Jerusalem des

Rezensent:

Bauer, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 24.

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E i s 1 e r, Robert: IH20Y2 BA2IAEY2 OY BA2IAEY2A2. Die
messianische Unabhängigkeitsbewejrung vom Auftreten Johannes des
Täufers bis zum Untergang Jacob des Gerechten nach der neuerschlossenen
Eroberung von Jerusalem des Flavius Josephus und den
christlichen Quellen dargestellt. Mit Abbildungen einer Auswahl der
unveröffentlichten altrussischen Handschriften und anderer Urkunden
einer Erstausgabe der wichtigsten slavischen Stellen nach Abschriften
von t Alexander Berendts und Wladimir Istrin sowie den Überresten
des rumänischen Josephus hrsg. und übers, von Moses Gast er. 2 Bde.
= 19 Lfg. Heidelberg: Carl Winter 1928/30. (884 S.) gr. 8°. =
Religionswiss. Bibliothek, begründet von W. Streitberg, 9.

RM 106- ; geb. 114 — .

In zwei stattlichen Bänden unternimmt Eisler eine
Darstellung der messianischen Unabhängigkeitsbewegung
vom Auftreten Johannes des Täufers an bis
zum Untergang Jakobs des Gerechten. Im Mittelpunkt
steht Jesus, der nach Eislers Auffassung bei dem Versuch
einer messianischen Erhebung das Leben verloren
hat. Er ist nach dem griechischen Titel des Buches der
König, der es nicht zur Königsherrschaft brachte.

Diese Bezeichnung ist aus dem sog. slavischen
Josephus gewonnen, und damit angegeben, auf welcher
Grundlage die in vieler Beziehung neue Beurteilung der
urchristlichen Bewegung bei E. ruht. Denn wenn auch
im 2 Bande der evangelische Stoff umfassend verwertet
wird so ist E. doch seine Auffassung desselben am
slavischen Josephus aufgegangen, dem er eine viel positivere
Bewerfung entgegenbringt, als es gemeinhin geschieht
. Findet er doch in dieser Form des Josephus-
textes — nach entsprechenden Abzügen und Zurechtstellungen
— die semitische (von den aramäisch sprechenden
Juden, für die sie bestimmt war, freilich niemals
gelesene I, XLIII. 493) Urfassung des Polemos
des Josephus wieder, benannt „die Eroberung von Jerusalem
" (I 229 ff.). Er macht es sich nicht leicht, die
neue Erkenntnis zu sichern, sondern geht den verschiedenen
Gestaltungen, welche die Josephusschriften vom
Verfasser selbst, von Übersetzern, Bearbeitern, Cen-
soren erfahren haben, unermüdlich nach. Dabei fällt
eine Fülle von Belehrung aller Art ab, auch für den,
der sich in den überaus verwirrten Tatbeständen nicht
ebenso leicht und sicher zurechtfindet wie unser Verfasser
.

Überhaupt ist das größte Lob, das man dem Werke
spenden kann, seine ungemeine Vielseitigkeit und Reichhaltigkeit
, und diese machen es auch d e m Leser wichtig
, der das aufgehäufte Material etwa anders verwerten
zu sollen meint. Wenn der Wortlaut des Slaven in seinen
verschiedenartigen und teilweise bisher noch unbekannten
Ausprägungen jetzt bequem zu benützen ist,
so behält das seinen Wert. Und nicht minder schulden
wir Dank für die beigefügten lehrreichen Tafeln.

Es ist geradezu staunenswert, was der Verf. in wenigen
Jahren, eingeengt durch Amtsgeschäfte und anderweitige
Veröffentlichungen, zusammengebracht und in
seiner Weise bearbeitet hat. Freilich wird man nur
schwer den Eindruck los, der Weg würde länger gedauert
haben, wenn E. nicht von Anfang an den
Ariadnefaden, der ihn zum Ziele leitet, in der Hand
gehalten hätte. Das Vorwort erklärt das Buch für ein
Erzeugnis der Nachkriegszeit, das vor dem großen Völkerringen
gar nicht hätte geschrieben werden können,
da dieses erst die so lange beharrlich übersehenen politischen
Triebe der Menschheit in ihr Erstgeburtsrecht
wieder eingesetzt hätte.

So erblickt E. — er selbst ist stolz darauf, ich bedauere
es — die Dinge von vornherein in einem bestimmten
Licht. Statt sich auf diesem so schwierigen
Gebiet vorsichtig Schritt für Schritt vorwärts zu tasten,
in steter Selbstprüfung, mit nie versagendem Mißtrauen
gegen das Neue, das sich ihm aufdrängt, schlägt er ein
Jempo an, das dem, der ihm folgen soll, den Atem
benimmt. Alles, was er liest oder was Juden und Christen
ihm sagen, dient ihm zur Bestätigung seiner Überzeugung
. Er hört bei allem nur das Ja. Und sein
Claube an die Richtigkeit dessen, was er sieht oder zu

sehen vermeint, ist so unerschütterlich, daß er fortgesetzt
Ausdrücke gebrauchen kann, wie: „unzweifelhaft",
„zweifellos", „ganz unverkennbar", „selbstverständlich",
„es bedarf keiner weiteren Beweisführung", während
für den Gegner Wendungen abfallen, wie: „haltlos",
„oberflächlich", „luftig genug", „spitzfindig", „laienhaft
", „leere Einbildungen". Seinem durchdringenden
Scharfblick entgeht kein schwacher Punkt bei jenen, und
sein wacher Geist läßt ihn alle Einwände sieghaft

] niederschlagen.

Sehr vieles von dem, was E. vorbringt, ist gewiß
richtig. Seine Charakteristik des Josephus trifft zu,

! und sein Aufruf zur Kritik an dessen Schriften sollte
nicht ungehört verhallen. Die ungeheuerliche Ver-

| wüstung, welche die Kirche unter der von ihr als gefährlich
empfundenen Literatur angerichtet hat, wird
kein Kenner bestreiten und höchstens meinen, daß Juden
und Heiden gegebenen Falls ebenso verfahren sind.
Auch über die Hauptthese könnte ich mich mit den

i Verf. wohl unterhalten und mancherlei Zugeständnisse
machen. Ich zweifle nicht, daß Jesus von Pontius Pi-

j latus als lästiger Störer der Ordnung und politischer

i Unruhestifter ans Kreuz geschlagen wurde und daß
diesem bei seinem Vorgehen gewiß der Anschein Recht

I gegeben hat. Das, woran ich mich bei E. immer wieder
stoße, ist nicht das Ergebnis, sondern die Art, wie es

| gewonnen wird. Wahrhaftig, jede Verbreiterung der
Quellengrundlage müßte dem, der weiß, wie mühselig
und vielfach unbefriedigend alle historische Arbeit an
der Urgeschichte unserer Religion ist, hochwillkommen
sein. Ich wüßte nicht, was die Forschung freudiger be-

I grüßen sollte. Aber es muß sich freilich um festen
Boden handeln, nicht um Einbeziehung eines Stückes

j Sumpfgelände in das Forschungsgebiet. Sein Entdecker
oder derzeitiger Hauptnutznießer mag es noch so beredt

' empfehlen, man wird sich ihm erst anvertrauen dürfen,
wenn man es selbst auf seine Betretbarkeit geprüft habe.

Solcher Untersuchung will auch diese Besprechung
dienen. Da aber den Rezensionen der Th. Lz. bestimmte
räumliche Grenzen gezogen sind, kann es sich für mich
nicht darum handeln, auf die unzähligen Einzelheiten
einzugehen, aus denen sich der Inhalt des Buches zu-
i sammensetzt. Ich muß meine Kritik auf den Haupt-
i punkt beschränken, der ja auch die Schlüsselstellung der
E.schen Position ist, den Gebrauch nämlich, den er
von Josephus macht. Zwei Fragen werden mit der ge-
, botenen Kürze zu erörtern sein. 1. Erlaubt das Testi-
| monium Flavianum den Rückschluß auf einen Jesus
feindlichen Bericht, der dem ursprünglichen griechischen
Josephustext angehört hat? 2. Was ist von den auf
Jesus bezüglichen Äußerungen des slavischen Josephus
i zu halten?

Was den ersten Punkt anlangt, so hält sich E. zu
jenen Forschern, die das berühmte Testimonium, Ant.
18, 63 f. dem jüdischen Geschichtschreiber weder im
! ganzen Umfang lassen, noch völlig absprechen, sondern
den Mittelweg einschlagen, daß da eine echte Äußerung
I des Josephus durch christliche Bearbeitung überdeckt
; vorliege. E. übertrifft aber seine Vorgänger durch die
: Kühnheit, mit der er den ursprünglichen Wortlaut wie-
] dergewinnt. Der leitende Gesichtspunkt ist dieser: Josephus
konnte von Jesus nicht schweigen, ebenso-
I wenig jedoch etwas Gutes über den Pharisäerfeind
: sagen. Also muß er schlecht von ihm gesprochen ha-
; ben, und es gilt die Spuren davon in der Überlieferung
! aufzudecken.

Ich bedauere, außer Stande zu sein, auf diesem
i Wege zu folgen, denn er nimmt das Resultat vorweg.
I Was Josephus tun kann oder muß, wissen wir nicht

und haben von dem auszugehen, was er tatsächlich ge-
i tan hat. Darüber geben seine Schriften Auskunft. Diese

aber sind nach den Gesetzen historischer und philolo-
i gischer Methodik zu interpretieren, nicht jedoch von
I einer vorgefaßten Meinung aus. Da die Hand des Chri-
I sten im Testimonium gar nicht zu verkennen, die Be-