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Ausgabe:

1930 Nr. 24

Spalte:

555-556

Autor/Hrsg.:

Kahle, Paul

Titel/Untertitel:

Masoreten des Westens. Bd. II 1930

Rezensent:

Baumgartner, Walter

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555

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 24.

556

Kahle, Paul: Masoreten des Westens. Bd. II: Das Palästinische
Pentateuchtargum. Die Palästinische Punktation. Der Bibeltext des
Ben Naftali. M. e. Beitr. v. Dr. R. Edelmann u. 16 Lichtdrucktaf.
Stuttgart: W. Kohlhammer 1930. (XII, 68*, 96 S.) gr. 8°. = Texte
u. Untersuchgn. z. vormasoret. Gramm, d. Hebräischen. Hrsg. v. Paul
Kahle. Heft 4. = Beitrag z. Wiss. v. A. u. N.T. Hrsg. v. Rudolf
Kittel 3. Folge, H. 14. Der ganzen Sammig. H. 50). RM 20 — .

Der 1. Band der „Masoreten des Westens" von
1927 — vgl. hier 1928, Sp. 149 ff. — hatte im Anschluß
an die Veröffentlichung einer Anzahl liturgischer
Texte mit palästinischer Punktation deren Anfänge, die
Masoreten von Tiberias und das Verhältnis des Textus
receptus zum Text der Ben Aser behandelt. Der 2.
bringt im Vorwort dazu einige Berichtigungen, sowie
von anderer Hand beigesteuerte Bemerkungen zu jenen
liturgischen Texten; sodann vereinigt er drei zunächst
selbständige, letztlich aber doch zusammenhängende und
demselben Ziel zustrebende Untersuchungen. Eine erste
bespricht die Fragmente von 5 Handschriften aus der
Geniza von Altkairo, die älteste vielleicht noch aus dem
7., die jüngste aus der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts,
Teile des alten palästinischen Pentateuchtargums, das
im Unterschied von Onkelos und dem Prophetentargum
einer einheitlichen Redaktion entbehrte und sprachlich
einen wichtigen, von Dalman noch verkannten Zeugen
des in Palästina gesprochenen Aramäisch darstellt; sie
zeigen, daß Onkelos damals in Palästina noch nicht
maßgebend war. Beachtlich sind hier noch die Exkurse
über die Peschitta: ursprünglich westaramäisch verfaßt,
wurde sie, wahrscheinlich in Adiabene, ins Ostaramäische
umgeschrieben (S. 3* f.), und über die Sep-
tuaginta: lief nach Art der unredigierten Targume in
verschiedenen Gestalten um, wovon die Didaskalie, der
altlateinische Text und die neutestamentlichen Zitate
Spuren bewahren (S. 5*—9*). — Kap. II beschäftigt
sich mit der palästinischen Punktation, wie sie in den
in Bd. 1 veröffentlichten, weiter den in Kap. III besprochenen
und einigen anderen Texten vorliegt, und
gibt eine Art Einführung in das nicht leichte Studium
derselben. Die Ergebnisse (S. 35* ff.) vertiefen wiederum
unseren Einblick in das allmähliche Werden der
in Palästina vorgenommenen Textlegung des Textes,
der Aussprache und des Vortrages. Unser masoretischer
Konsonantentext war um 100 n. Chr. zwar bereits
festgestellt, drang aber nur langsam in den Handschriften
durch; noch im 7. Jabrh. bestanden, wie
namentlich ein Danielfragment (S. 20* ff.) lehrt, allerlei
Abweichungen, die auch textkritisch wichtig sind.
Durch Vokale und diakritische Zeichen suchte man die
damalige Aussprache festzulegen, die aber offenbar noch
nicht einheitlich war und in manchem von der durch
unsere Punktation geforderten abwich (vgl. die Zusammenfassung
S. 42*). Durch die Akzente endlich suchte
man auch die damalige Vortragsweise festzuhalten, die
aber ebenfalls noch stark schwankte und selbst beim
Pentateuch von der durch die tiberiensischen Akzente
bezeugten abwich, sodaß auch hier „die relative Einheitlichkeit
. . . erst das allmähliche Ergebnis einer
jahrhundertelangen Arbeit der Masoreten gewesen ist"
(S. 45*). — Kap. III endlich gilt dem Bibeltext des
Ben Naftali, der neben dem dem NT zugrunde liegenden
des Ben Aser einmal eine große Rolle gespielt
haben muß. Die in der Masora enthaltenen Listen von
Varianten zwischen beiden Texten sind wenig brauchbar
. K. gelang es aber, eine Anzahl von Fragmenten
und Handschriften zusammenzubringen, deren Besonderheiten
sich mit den für Ben Naftali bekannten Eigentümlichkeiten
im wesentlichen decken und darum mit
größter Wahrscheinlichkeit auf ihn zurückgehen. Von
seinem System, das die masoretische Aussprache in
etwas anderer Weise festlegt, wohl auch in der Aussprache
selber abwich, hat einzelnes auch in den Textus
receptus Aufnahme gefunden. — Der zweite Teil des
Buches, mit eigener Paginierung, bietet den Text der
Targum- und Bibelfragmente mit palästinischer Punkta-

|

tion. 16 Lichtdrucktafeln geben Faksimileproben des
i Targums, der palästinisch punktierten Bibelfragmente
und des Textes des Ben Naftali.

Die weittragende Bedeutung dieser ungemein mühe-
i vollen und mit der gewohnten peinlichen Sorgfalt durchgeführten
Untersuchungen, zu denen wohl kein anderer
die unerläßlichen weiten Kenntnisse besessen hätte,
dürfte aus dieser Inhaltsübersicht zur Genüge erhellen.
Basel. W. Baumgartner.

Dalman, Gustaf: Jerusalem und sein Gelände. Mit 40 Abb.

u. e. Karte. Gütersloh: C. Bertelsmann 1930. (X, 390 S.) gr. 8°.
= Schriften d. Deutschen Palästina - Instituts hrsg. v. G. Dalman.
Bd. 4. RM 20-; geb. 22—.

Die Aufgabe, die sich der Meister der deutschen
Palästinakunde in diesem Buche gestellt hat, den natürlichen
Voraussetzungen des geschichtlichen Lebens Je-
I rusalems nachzugehen, wie sie in seinem Gelände vor-
| handen sind, hat ihre Lösung in einer Darstellung von
topographischen Einzelbeschreibungen gefunden, die das
! alte Jerusalem transparent hinter dem heutigen, oft so
verwischten Bilde der heiligen Stadt sehen lassen. Es ist
! dieselbe Methode, die Dalman schon in der großen
archäologischen Untersuchung über Arbeit und Sitte in
Palästina (vgl. in dieser Zeitschrift 1928 Sp. 388 ff. und
1929, Sp. 244) mit Erfolg angewendet hat. Mit ge-
| wollter Isolierung des Gegenstandes der Darstellung
| führt uns die meisterhafte Darstellung über alle Höhen
j und durch alle Täler Jerusalems, von der ülbergkerte
I über die Nordwesthöhe zum alten westlichen Stadt-
i hügel, von da zur Davidstadt und zum eigentlichen
j Zion und dem nördlich anschließenden Tempelberg (S.
21—151). Ein 2. Kapitel behandelt die Täler bei und
in Jerusalem, wadi debr, wadi ennär, wadi es- sarär,
I Stadttal und Hinnomtal (S. 152—225); ein 3. die Wege,
j die die historische und kommerzielle Bedeutung der
j Stadt klarlegen (S. 226—265). In einem 4. Abschnitt
I wird dann zusammenfassend die wichtige Frage der
! Wasserversorgung der Stadt ohne perennierende Bachtäler
besprochen (S. 266—285). In diese Gliederung
j hat nun Verf. eine fast erdrückende Fülle von topo-
! graphischen und archäologischen Einzelheiten einge-
j zeichnet, aber mit der ihm eignen Kraft anschaulicher
I Darstellung, so daß der Leser über der Menge des mit
1 sorgfältiger Kritik Gebotenen nie die Übersicht verliert,
j Eine große Zahl eindrucksvoller Fliegeraufnahmen und
meist wohlgelungener Bodenaufnahmen mit beigegebe-
| ner Erklärung trägt viel dazu bei, die Topographie der
! heiligen Stadt auch solchen Lesern deutlich zu machen,
j die sie nicht aus eigener Anschauung kennen. Die beigegebene
Karte, nach dem Entwurf des Kartographen
I Göring, ist wohl eine der besten Aufnahmen von Jerusalem
und Urngegend, die es gibt. Man wird sich an
ihr erst einmal der Unzulänglichkeit der betreffenden
I Karten bei Bädeker bewußt. Die in Schichthöhen von
10 Metern eingetragenen Jsohypsen lassen das Landschaftsbild
mit plastischer Kraft heraustreten.

Die Wissenschaft vom heiligen Lande schuldet dem
I verehrten Verfasser für diese neue Gabe aus dem unerschöpflichen
Schatze seiner Kenntnis Palästinas den
| größten Dank.

Der Druck ist bis auf Kleinigkeiten von größter Sorgfalt. S. 125
Mitte lies i. Mose 22. Die geographischen Namen im Text und auf
der Karte differieren gelegentlich, so S. 161 wädi es-senne, aber auf
der Karte w. es-sinne.

Wertvoll scheint mir der Vorschlag, Neh. 3, 15 die berekhat hasch-
I schelach als b. hasch-schiloach zu verstehen. Oder ist schelach
| „Kanal" nur dialektisch verschieden von schiloach? Die Korrektur zu dem,
| was Vf. in Orte u. Wege Jesu 'S. 309 über die Basilika des Herodes
gesagt hat, ist beachtenswert, desgleichen der Vorschlag, dem für die
! englische Palästinapolitik so peinlichen Streit der Juden und Moslems
I über die Klagemauer durch Freilegung des Pflasters des alten Xystos ein
J Ende zu machen. Aber wer wird diese Grabungsarbeit und andere
ebenso wichtige im alten Jerusalem einmal in Angriff nehmen ?
Jena. W. Staerk.