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Ausgabe:

1930 Nr. 23

Spalte:

531-538

Titel/Untertitel:

Die Schrift. Zu verdeutschen unternommen von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig. Bd. I - X 1930

Rezensent:

Wendel, Adolf

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 23.

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teuchs S. 327ff. von H. Englander charakterisiert.
Ein Inhaltsverzeichnis der bisner erschienenen 5 Jahrgänge
bildet den Schluß.
Greifswald. G. Dal man.

Mc Fadyen, Prof. John Edgar, D. D.: Old Testament Scenes
and Characters. London: J. Clarkefc Co. 1928. (250 S.) 8°. 6 sh.

Dieses Buch ist wie das Werk desselben Verfassers I
„the Use of the Old Testament in the Light of modern
Knowledge", dessen Ergänzung es bildet, in erster Linie
für die Vorbereitung des Unterrichts an Sonntagsschulen
u. ä. bestimmt. So sehr man der Darstellung anmerkt,
daß der Verf. die wissenschaftlichen Probleme kennt,
so sieht er doch hier bewußt von ihnen ab und gibt die
alttestamentlichen Texte in schlichter Nacherzählung
wieder, um daran erbaulich-praktische Betrachtungen anzuschließen
. Von diesen sind für den deutschen Leser
die über Sonntagsheiligung (nach Neh. 13, 15 ff.), über
Religion und Geschäft (nach Esr. 8, 15 ff.), über die
Verpflichtung der Kirchenleute zu materiellen Opfern
(nach Mal. 2, 17—3, 12) und über Temperenz und |
Abstinenz (nach Dan. 1) bemerkenswert. Die Profeten
treten auffallend in den Hintergrund: neben Am. 5, Jes. j
1. 3. 5, Mi. 2. 3. 6 wird nur Maleachi behandelt. — j
Auf S. 158 wird zu der „abscheulichen" assyrischen !
Politik, die Bevölkerung eroberter Gebiete zu deportieren
, die Zwischenbemerkung gemacht: „which found
a partial parallel during the Great War on the continent
of Europe", womit zweifellos auf den Abtransport belgischer
Zivilisten nach Deutschland angespielt ist. Es j
wäre an der Zeit, daß solche Vergleiche aus ernsthaften '
englischen Büchern verschwänden.
Gießen. W. Rudolph.

Die Schrift [Biblia] zu verdeutschen unternommen v. M. Buber gemeinsam
m. F. Rosenzweig 1.—10. Bd. 1.: Das Buch im Anfang
. (206 S.) 2.: Das Buch Namen (175 S.) 3.: Das Buch Er
rief. (125 S.) 4.: Das Buch in d. Wüste. (168 S.) 5.: Das Buch
Reden. (145 S.) 6.: Das Buch Jehoschua. (102 S.) 7.: Das Buch
Richter. (112 S.) 8.: Das Buch Schmuel. (259 S.) 9.: Das Buch
Könige. (270 S.) 10.: Das Buch Jeschajahu (278 S., 2 S.). Berlin:
L. Schneider. 8». Bd. 1—7 je RM 4—; Lwd. 6—.

„ 8-10 . , 5-; , 7-.

Zur gleichen Zeit, in der man die Biblia Hebraica
neubearbeitet herausgibt, wird uns eine neue deutsche
Bibel geschenkt. Wenn es sich um ein Werk solchen ,
Ausmaßes handelt, — selbst bei der Vereinigung klei-
nerer Bibelbücher wie der der 12 Propheten sind 20
Bände geplant —, wenn es um ein Unternehmen nicht
nur wissenschaftlichen Werkes, sondern weittragender
Gegenwartsbedeutung geht, deren Bewußtheit schon in I
die Titelformung geflossen ist, dann wird die Unmög- i
lichkeit deutlich, ihm mit wenigen deskriptiven und kritischen
Sätzen aus nur einer Schau gerecht zu werden.

Der erste der beiden jüdischen Ober setze r, Buber
, weit über die Grenzen seiner Konfession bekannt, ist j
zwar vom Kennen und Darstellen chassidischer Mystik !
her (Die Geschichte des Rabbi Nachman 1906; Die
Legende des Baalschem 1908) auch ihr Schüler geworden
(Der große Maggid und seine Nachfolge); !
aber seine Verwurzelung in jenem starken Abstandsgefühl
des klassischen Glaubens hat ihn vor gänzlichem
Einfügen bewahrt. Schon der Titel seiner Schrift: „Ich
und Du", 1923, klingt wie Widerspruch und Lösung.
Obschon Forscher, eignet ihm eine gesunde Freiheit
von den allzuviel Brechungen der Reflexion. Sie läßt j
ihn zum kraftvollen Mahner werden in seinen „Reden
über das Judentum". Was ihn zum Übersetzerwerk befähigt
, ist einmal sein meisterhaftes Einfühlungsvermögen
in die Zeugnisse auch fremder Glaubenswelten.
Wenn er „Ekstatische Konfessionen" (1921) sichtet .
und sammelt, „Chinesische Geister- und Liebesgeschichten
" herausgibt, Tschuang-Tse's Lehre den Deutschen
zugänglich machen hilft, so befähigt ihn eben das erhorchte
zum gesprochenen Wort. Sodann treibt ihn sein
Ringen um Wesenserfassung der Sprache zu eigener I

würdiger Verwaltung des Wortes. Im Vorwort zu den
Ekst. Konf. wertet er das heilige Wort als das Sagenwollen
des Unsagbaren. So will er „dem Sprechen eines
Menschen von seiner Seele unaussprechlichem Geheimnis
lauschen"; er weiß, daß es auch das Persönlichste
irgendwie in das gemeinsame Erlebnis überführen
möchte, aber er spürt auch die Begrenztheit der Sprache.
Wenn seine eigene „tastbar und leibhaft" ist (Wilhelm
Michel: Martin Buber, Sein Gang in die Wirklichkeit,
1926), dann wird er gerade der hebräischen gerecht werden
können. Der zweite, Rosenzweig, zumal durch sein
achtungheischendes Krankheitstragen Vielen menschlich
nahegerückt, starb 1929 während der Arbeit an Jesaia.
Er kommt von der Tradition des deutschen Idealismus
her und verschmilzt dessen Denkformen mit teilweise
mystischer, hauptsächlich klassisch-jüdischer Frömmigkeit
zu einem Gegenwartsbuch in seinem Werk: „Der
Stern der Erlösung", 1921. Es bringt eine Verbindung
von Denken, Schauen und Glauben. Auch ihm steht ein
hohes Maß von Einfühlungsvermögen für fremdes
Glauben und Sprechen zu Gebote. So erwartet er, kritisch
, die klassische Dante-Übertragung. Er betätigt
sich selber als Übersetzer an den Hymnen des Jehuda
Halevi. Auch er verfügt über eine, an Goethe geschulte
, feine und reiche Sprachkunst. Speziell der
Bibelübersetzung als Problem ist er in seiner Abhandlung
: „Die Schrift und Luther", 1926, nachgegangen.
Sie enthält den, für das vorliegende Werk verheißungsvollen
Satz, daß „alles Sprechen Übersetzen" sei, nämlich
aus der Meinung des Sprechers in das Verständnis
des Hörers. Die beiden Männer mußten sich auf einander
zu bewegen, ihre Vereinigung zu dem Bibelwerk
eine fruchtverheißende sein. Buber, der Theologe, ist
der eigentliche Übersetzer; Rosenzweig, des Philosophen
, kritische Beraterarbeit ist nun dem noch ausstehenden
Teil des Werkes leider verloren.

Das Wollen der Bearbeiter ist negativ an dem
Werke Luthers orientiert. Zwar sei gerade durch seine
Übersetzung das fremde Buch unser eigenes geworden,
aber die Bibel dürfe doch nicht einmalig-allzeitlich
eingefangen werden. Das neue Unternehmen soll somit
Protest gegen das Einschließen und Erstarren der Bibel
in nur einer Kirche, einer Sprache und einem Glauben
sein. Auch Kautzschs Bibelwerk ist kritischer Ansatzpunkt
. Nicht zu Unrecht wird an seiner Sprache zumal
die Bildschwäche getadelt, unberechtigt ist der Zweifel
an seiner wissenschaftlichen Genauigkeit, nur eine
völlige Verkennung seiner Aufgabe kann bemängeln,
der Kautzsch'sche Kreis habe „einen neuen Glaubensausdruck
zu wenig" zu Wort kommen lassen. Dieses
Bibelwerk steht doch eben im Rahmen der Religionswissenschaft
, nicht der Frömmigkeit! Positiv sind die
Ziele etwa zu kennzeichnen als: Erstens: Ein weites
Glaubenshören; wenn bei Luther rechte und betonte Erfassung
bei solchen Stellen vorliege, wo er das A. T.
„Christum treiben" sah, so soll nun überall Glaubenskunde
vernehmbar sein, der lesende Mensch soll „allem
gehören". Zweitens: eine bewußt neue Sprache; als
„fremder, unvertrauter Laut" soll die Übersetzung die
nur Alltagssprache Gewohnten treffen und „die Gesättigtheit
des Besitzers aufstören". Drittens: Sie soll
die Sprache des Originals sein; „man kann den Inhalt
nicht vermitteln, wenn man nicht zugleich auch die
Form vermittelt". Viertens: Der Gegenwart soll Ewiges
neu verlebendigt werden. Wenn Rosenzweig sagt, jede
neue Übersetzung der Bibel sei eines neuen „Gespräches
Vorsatz", so scheint hier die Gundolf'sche Idee der „Legende
" hereinzuwirken, d. h. des stets neu zu „lesenden
" Alten.

Vom Willen zum Gegenwartsentsprechen ist schon
die Aufmachung des Werkes Zeugnis. Gerade dem
jüdischen Menschen eignet starkes Form-Angleichungsvermögen
. Eine Zeit der Kirche schuf entsprechende
Nachahmung, vom Rabbinerornat bis zu den Talmud-
Taschenausgaben mit dünnstem Papier, Goldschnitt und