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Ausgabe:

1930 Nr. 22

Spalte:

508-509

Autor/Hrsg.:

Sethe, Kurt

Titel/Untertitel:

Amun und die acht Urgötter von Hermopolis. Eine Untersuchung über Ursprung u. Wesen d. ägyptischen Götterkönigs 1930

Rezensent:

Wiedemann, Alfred

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 22.

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Klassisch-Arabischen unterscheidet, z. B. als Artikel n
hat. In den letzten Jahrzehnten wurden diese Inschriften
wenig beachtet. Grimme kam auf sie im Zusammenhang
mit seinen Untersuchungen über die Sinai-Inschriften
, die sie ihm in ein neues Licht rückten: die südsemitische
Schrift ist von der sinaitischen ausgegangen
und hat ihre älteste Abzweigung in der thamudischen
erhalten; und von dieser führt eine fast geradlinige Entwicklung
zur safatenischen, die daher trotz ihres späten
Auftretens (3!—6. Jahrh. n. Chr.) in hohem Grade
altertümlich ist (S. 7).

Der I. Teil seines Buches (S. 11—30) gibt eine angesichts
der weit zerstreuten und vielfach schwer zugänglichen
Literatur sehr dankenswerte Einführung in
die safatenische Epigraphik, die über Auffindung, Entzifferung
, Schrift, Orthographie, Zeit und Charakter
der Inschriften orientiert. Der II. Teil (S. 31—130) enthält
Text und Kommentar 4er 379 von J. G. Wetzstein
1858 gesammelten Inschriften, von denen er selber nur
wenige Proben veröffentlicht hatte und die ganz zu Unrecht
als epigraphisch wenig brauchbar galten, nach
seinen in der Berliner Staatsbibliothek aufbewahrten
Reisetagebüchern; außerdem 11 verwandte Inschriften
aus dem am Südwestrand des Hauran gelegenen Umm

el-Gimäl, die Littmann zur Verfügung stellte, sowie
eine Anzahl bereits veröffentlichter Inschriften, zu denen
Gr. Neues zu bieten hatte. Ferner ein Verzeichnis aller
in diesen Texten enthaltenen Eigennamen und Vokabeln,
eine Schrifttafel und auf 12 Tafeln die Autographien der
Wetzsteinschen Inschriften. Das Hauptgewicht aber
liegt auf dem letzten Teil (S. 131—171), den „Untersuchungen
zur safatenisch-arabischen Religion", die dem j
gesamten Buch den Titel gegeben, hier werden die Gottheiten
der Safa, ihre Eigenschaften und Tätigkeiten,

endlich der safatenische Totenkult behandelt. Ihm
gegenüber haben auch die beiden ersten Teile im Grunde !
nur vorbereitenden Charakter. Gipfelt doch der erste
im Nachweis, daß diese Inschriften nicht überwiegend
Memorialinschriften seien mit dem Zweck, dem Namen
und damit dem Andenken ihrer Schreiber Dauer zu verleihen
(Dussaud, Littmann, Lidzbarski), sondern gleich
den nabatäisch-sinaitischen und den thamudischen samt
und sonders sakraler Natur; das mit einem Personen- |
namen verbundene b bezeichne nicht im Sinn eines
„von" den Urheber, sondern im Sinn eines „für" den
Besitzer (S. 24 ff.). Der zweite Teil sucht von hier .
aus zu einem besseren Verständnis der Texte im Ganzen
wie auch in Einzelheiten zu kommen (S. 33). Gerade |
von diesen religionsgeschichtlichen Ergebnissen verspricht
sich Gr. weittragende Konsequenzen, ein ganz
neues Bild vom vorislamischen Heidentum (S. 8. 29 f.):
ein ursprünglicher Monotheismus des „Gottes des hei- j
ligen Bezirks" fri bn), und zwar des Atarsamain, I
erst die arabischen Einwanderungen brachten andere 1
Götter herein (S. 131 ff.); diese Götter nun alle astrale i
Wesen, an denen nichts Menschliches und Irdisches
haftet (S. 150), durch Verlust ihrer individuellen Züge
einander weitgehend angeglichen, sodaß in der Praxis
der Polytheismus wieder zum Henotheismus wird (S.
145); in den jüngeren rein safatenischen Texten sogar,
im Unterschied zu den älteren, den thamudenischen i
noch näherstehenden, ein Verlangen nach einer Ver- |
längerung des Lebens über das Diesseits hinaus
(S. 146).

Die Kritik muß vornehmlich an den religionsgeschichtlichen
Ausführungen einsetzen, vgl. die Be- [
sprechungen von Schacht DLZ. 1930, Sp. 786 ff., R. S.
in Rev. Bibl. 1930, S. 150 ff. Es ist Gr. jedenfalls nicht j
gelungen, seine These vom sakralen Charakter aller
Inschriften plausibel zu machen. In einem Fall wie DM.
172 (S. 40 f.). „Und er kaufte das Gekaufte" muß er
mit seiner Erklärung, der Gottheit werde die Rolle des
Zeugen bei diesem Kauf zugeschoben, die Hauptsache
dazutun. Noch profaner klingt DM. 494 (S. 44): „Und j

j er fing Fische und dörrte (sie) zum Essen und zu seinem
Mundvorrat", oder W. 373 (S. 125): „Und er ist
vom Kamele gestiegen und das Kleinvieh hat sich zer-
I streut (?)"; hier bleibt auch Gr. die sakrale Deutung
j schuldig. Die für ursprünglichen Mono- oder Henotheismus
geltend gemachten Gründe (S. 131 ff.) brauchen
nur für lange vorgeschichtliche Verhältnisse zu gelten,
und dem einmal bei Assurbanipal, aber nie in den In-
i Schriften erwähnten Atarsamain geschieht mit dieser
Rolle des einen und einzigen Gottes wohl allzuviel
i Ehre. Auch der Unterschied zwischen den thamudisch-
I safatenischen und den safatenischen Inschriften (S.

146ff.) dürfte überschätzt sein; nn „gib Ruhe" und
• Bbo „gib Rettung" brauchen nicht notwendig auf ein
! Jenseits zu gehen. Unter den auf S. 148, 1 aufgeführten
i Namen beweisen nicht alle astrale Natur des Gottes; für
I ba-i <= bssrn) und ,a» genügt es auf Baudissins
„Kyrios" Bd. III zu verweisen.

Aber mögen sich auch diese und ähnliche Be-
i denken gerade gegen die Hauptthesen des Verf.s richten,
i so darf uns das nicht hindern, des Buches Wert und Bedeutung
anzuerkennen. Schafft es doch einen bequemen
und im ganzen auch zuverlässigen Zugang zu diesen
Texten, die nicht bloß des Epigraphikers Beachtung verdienen
. Den Alttestamentler dürfte etwa folgendes interessieren
: die Harra mit ihren Steinblöcken als heilige
Stätte Din, nmn, auch n, als Asyl (S. 65. 92.
111. 122); die einzelnen Gottheiten (S. 136 ff.), darunter
H, -n.; nm; die nackte Göttin, die das Himmelsgewölbe
mit den Händen greift oder trägt (S. 70. 87. 137); die
in den Gottesnamen tutu und Dpruna bewahrte
Stammesreligion; die an die Klagepsalmen erinnernde
Bitte um Vernichtung der Feinde (S. 146f.); Eigennamen
wie lro (S. 67) und Tiba (? S. 130), no
„Meder" als Bezeichnung der Perser (S. 46 f.) usw.

Im Eigennamcnverzeichnis fehlt 3DTO W 46 b. Im Glossar fehlen
nVl „wehklagen" DM 513 (S. 45), vgl. S. 154 f.; TCO „Fürsorge tragen"
DM 888 (S. 50), W5; atU „Herde" W 208; Dp „Volk" DM 337
(S. 43); bei ima die Stelle W 49 und bei *jn die Formen "~i W 175,
m W 347. S. 181b Z. 1 v. u. lies 260 statt 360.

Basel. W. Baumgartner.

Sethe, Kurt: Amun und die acht Urgötter von Hermopolis.

Eine Untersuchung über Ursprung u. Wesen d. ägyptischen Götterkönigs
. Berlin : Verl. d. Akad. d. Wiss. (W. de Gruyter 8t Co. in
Komm.) 1929. (130 S. m. 5 Taf.) 4°. = Aus d. Abhdlgn. d. Preuß.
Akad. d. Wiss. Jahrg. 1929. Phil.-Hist. Kl. Nr. 4. RM 26.50.

Von der 12. Dynastie bis gegen Ende des Neuen
Reichs gilt im Allgemeinen Amon von Theben als der
Hauptgott Ägyptens. Frühzeitig verschmolz er mit dem
Sonnengotte und an diese Doppelgestalt denkt der Ägypter
auch, wenn er von Amon schlechthin redet. Seine
Eigenschaften sind die des Sonnengottes. Er ist König
der Götter, Schöpfer, Beseeler, Erhalter der Welt und
ihrer Wesen. Die an ihn gerichteten Hymnen decken
sich in ihren wesentlichen Gedanken mit den für andere
Sonnengötter, einschließlich des henotheistisch aufgefaßten
Gottes Amenophis' IV. bestimmten. Man hat
sich aber mehrfach die Frage vorgelegt, ob man in
dieser solaren Auffassung die ursprüngliche Bedeutung
des Amon vor sich habe oder ob hier eine anderweitige
Gottesgestalt von solaren Gedankengängen überwuchert
worden sei. An der Hand eines reichhaltigen, teilweise
noch unedierten Materiales aus den verschiedenen Perioden
der ägyptischen Geschichte untersucht die vorliegende
Abhandlung diese Verhältnisse. Die Gewinnung
eines gesicherten Ergebnisses wird hierbei dadurch erschwert
, daß die Erwähnungen von Theben und seinem
Gotte Amon erst seit dem Mittleren Reiche ergiebiger
werden. Noch die 11. Dynastie, von deren Pharaonen
mehrere im Bereich der thebanischen Necropole beigesetzt
wurden, verehrte als ihren Hauptgott den sperberköpf
igen Montu des benachbarten Hermonthis. In
den in der thebanischen Gemarkung, trotz der günstigen
Siedlungsverhältnisse, bisher nur spärlich aufgefundenen
Überbleibseln des Alten Reichs spielt Amon keine