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Ausgabe:

1930 Nr. 21

Spalte:

489-490

Autor/Hrsg.:

Hofstaetter, Walther

Titel/Untertitel:

Sachwörterbuch der Deutschkunde. Bd. I: A - J 1930

Rezensent:

Beyer, Hermann Wolfgang

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489

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 21.

490

Das Büchlein stellt eine reife Leistung dar, sowohl in Hinsicht auf
Augustana und Apologie als auf die Gegenwartsfragen, sowohl in der
Formulierung des Erarbeiteten als in der Stellung neuer Aufgaben.
Zweierlei ist besonders erfreulich: 1. daß hier die schlechthinige Wunderbarkeit
des Glaubens und der Sittlichkeit aufs strengste festgehalten
wird, und doch der Weg vom Indikativ zum Imperativ (aber ebenso
umgekehrt!) sichtbar bleibt - ohne daß an Luther oder an Paulus erst
Operationen vorgenommen werden müßten ; 2. daß unter der gegnerischen
katholischen Ethik ausdrücklich nur die nominalistische verstanden wird;
denn die thomistische gibt ganz andere Probleme auf (augustinischer
Paulinismus bei Thomas!). Aber freilich, der von Althaus erweckte
„Geist der lutherischen Ethik" würde auch gegen die im strengsten
Sinne thomistische Ethik obsiegen (siehe z. B. S. 3 und 9).

Berlin. Leonhard Fendt.

Sachwörterbuch der Deutschkunde. Unter Förderung durch d.

Deutsche Akademie hrsg. v. Dr. Walther Hofstaetter u. Prof. Dr.

Ulrich Peters. Bd. I. A-J. Leipzig: B. G. Teubner 1930. (VIII.

604 S. m. Abb.) 4°. RM 31-.

Das im Einvernehmen mit der Deutschen Akademie
herausgegebene Sachwörterbuch der Deutschkunde setzt
sich keine geringe Aufgabe. Es soll „als Grundlage
deutscher Bildung eine Gesamtdarstellung deutscher
Kultur unter steter Berücksichtigung ihrer Verbindung
mit fremdvölkischen Kulturen in Nehmen und Geben
bringen". Das weitgesteckte Ziel wird mit würdigen
Mitteln erstrebt. In Anlage, Gliederung und Ausstattung
stellt das Buch eine neue Form von Nachschlagewerk dar,
das mehr sein will als eine Anhäufung vieler Einzelheiten,
nämlich ein Hilfsmittel zu wirklich geistesgeschichtlichem
Verständnis von Vergangenheit und Gegenwart
des deutschen Volkes. Als Ausgangspunkt für eine
Durchdringung des großen Stoffgebietes von einheitlichen
Grundgedanken aus schwebte den Herausgebern
und ihren Mitarbeitern wohl Lagardes Wort vor: „Jeder
weiß, daß die moderne Bildung Deutschlands, soweit
eine solche da ist, auf der germanischen Art des Volkes
, daß sie weiter auf der Kirche, daß sie drittens auf
der Einwirkung des Geistes der Hellenen beruht." Damit
ist gegeben, daß auch der Religions- und Kirchengeschichte
der Platz eingeräumt ist, der ihr im Rahmen
des deutschen Geisteslebens gebührt. So finden sich in
dem Buche eine ganze Reihe von Artikeln, die evangelische
Theologen geschrieben haben. Die wichtigsten
Stichwörter zur Geschichte der evangelischen Kirche
wird freilich erst der zweite Band bringen. In dem vorliegenden
Teile behandelt Blanke Bucer und die Bekenntnisschriften
, Bornkamm die Brüdergemeinde in
einer bei aller Knappheit feinsinnigen Würdigung.
Ebenso gibt er eine sehr schöne Zusammenstellung der
evangelischen Erbauungsliteratur. Cordier faßt in
einem Artikel „Evangelische Kirche, Verfassung und
Gottesdienst" sehr übersichtlich die geschichtlichen
Werdevorgänge, die zu dem jetzigen Bestände geführt
haben, zusammen. Rückert gibt eine sehr gerechte
Würdigung der Gegenreformation, Joachimsen in
dem Artikel „Humanismus und Reformation" eine
bedeutsame Auseinandersetzung mit dem Begriff der
deutschen Renaissance. Neben diesen Abhandlungen von
evangelischen Historikern stehen eine ganze Reihe katholischer
. Bonifatius erfährt durch Schnürer, Franz
von Assisi durch H e f e 1 e eine geistvolle Würdigung.
J u n g 1 a s gibt einen kurzen Abriß der katholischen
Dogmatik.

Nicht ganz durchsichtig sind die Richtlinien,
nach denen die Herausgeber die Artikel für die Gebiete
der evangelischen und katholischen Religion ausgewählt
haben. Es findet sich z. B. ein umfangreicher und anschaulicher
Artikel über katholische Frömmigkeit, dem
gegenüber für die evangelische Frömmigkeit nur auf
die Artikel Protestantismus und Religion verwiesen
wird. Gegenüber dem langen Aufsatz K1 a p p e r s über
katholische kirchliche Feste wirken die 6 Zeilen, die
Hofstaetter den Festen der evangelischen Kirche
widmet, etwas kümmerlich. Eine wirkliche Entgleisung
aber ist in dem Artikel „Kirchlicher Brauch" von
H e p p n e r passiert. Der Katholik verherrlicht die

katholische kirchliche Sitte. Dann schreibt er aber auch
den kurzen Abschnitt über „Die reformierten Bekenntnisse
", der so verständnislos und ungehörig ist, daß ihn
die Herausgeber auf keinen Fall hätten durchgehen
lassen dürfen.

Die von Theologen geschriebenen Artikel über
, kirchliche Dinge sollen natürlich in erster Linie ein
i Hilfsmittel für Angehörige anderer Fachgebiete, na-
j mentlich Deutsch- und Geschichtslehrer sein. Diesen
Zweck erfüllen sie in ihrer überwiegenden Zahl ausgezeichnet
. Dagegen können die anderen Artikel dem
Theologen viel geben. Die großen kulturgeschichtlichen
Überblicke (Abendland, Absolutismus, die Antike und
die deutsche Geschichte — ein von mehreren Verfassern
bearbeitetes Glanzstück, das von sehr feinem
Verständnis der griechischen Grundlagen unserer Bildung
zeugt, — Aufklärung, Barock usw.) geben ausgezeichnete
Einführungen in die großen geistesgeschichtlichen
Zusammenhänge. Schade, daß ein dem Artikel
über Antike und deutsche Geschichte entsprechendes
Gegenstück über Christentum und Deutschtum fehlt.

Ganz besonders bedeutsam aber sind für den Theologen
all die Beiträge, die Grenzgebiete von Germa-
i nistik und Religionsgeschichte behandeln: Der Acher-
' mann aus Böhmen (Bernt), der noch garnicht für die
Kirchengeschichte um 1400 ausgewertet ist, die christ-
i liehe altdeutsche und altsächsische Dichtung (Loewen-
i thal), Angelus Silesius (Ermatinger), Arndt
(Schnabel), bei dem freilich die religiöse Bedeutung
zu kurz kommt, wie auch seine Kirchenlieder nicht gewürdigt
sind, das geistliche Drama (Bebermeyer,
Bernt) und Epos (Halb ach) und die Religion der
Germanen (Neckel). So kann das neue Werk, dessen
| zweiter Band bald folgen soll, auch in der Bücherei des
j Theologen, der Religions- oder Konfirmandenunterricht
zu geben hat, wertvolle Dienste tun.
Greifswald. Hermann Wolfgang Beyer.

Wobbermin, Prof. Dr. Georg: Richtlinien evangelischer
Theologie zur Uberwindung d. gegenwärt. Krisis. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1929. (IV, 145 S.) gr. 8°. = Studien z.
systemat. Theologie, 3. H. RM 7.50.

Wir haben hier eine Programmschrift vor uns, die als
knappe Zusammenfassung einer in jahrzehntelanger Arbeit
in dicken Bänden niedergelegten Gesamtansicht
geschätzt sein will. Es hängt also Gewicht an ihr. Der
etwas lehrhafte Ton entspricht dem Charakter des
Buches und fällt nur gelegentlich (etwa in der Anm. F.
Kattenbusch gegenüber) stärker auf. Jedenfalls ist diese
Studie auch für unsere Jugend eine geeignete Einführung
in den Standpunkt des Verfassers und zugleich in
die Streitfragen der heutigen Theologie. Bedeutsam ist
die Stellungnahme zur Gesamtlage. Der rechte Kurs
soll zwischen zwei Einseitigkeiten hindurchgehen: zwischen
Historismus und Psychologismus einerseits, dialektischer
Theologie andererseits. In gewissen Grundintentionen
findet Wobb. freilich eine nahe Berührung
seines Standpunktes mit der dialektischen Theologie;
doch ob z. B. „religionspsychologisches" und „existentielles
" Denken in der Wurzel wirklich eines Geistes
sind, darf man leise fragen. Muß nicht das religionspsychologische
Denken, indem es vor allem den Anspruch
auf breite historische Objektivität erhebt, die
Glaubensentscheidung als etwas Fremdes empfinden?
Wie dem sei, die Linie jenseits der genannten Gegensätze
ist auf das rechte Ziel gerichtet; hier stimme ich
Wobbermin durchaus zu und meine nicht, wie es soeben
F. Kattenbusch in der Schmidt-Ott-Festschrift ausspricht
, daß die dialektische Theologie die Möglichkeit
in sich trage, die Zukunftstheologie zu werden (es
müßte denn sein, daß sie viel mehr den jenseits eines
dogmatischen Intellektualismus stehenden Luther in
sich aufnimmt, damit allerdings sich von ihrem Ursprung
abkehrt).

W. geht aus von der schweren Krisis, in der die
evangelische Theologie seit langem, seit der Ausbildung