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Ausgabe: | 1930 |
Spalte: | 482-484 |
Autor/Hrsg.: | Hempel, Johannes |
Titel/Untertitel: | Altes Testament und Geschichte 1930 |
Rezensent: | Meinhold, Johannes |
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Theologische Literaturzeitung
BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK
unter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES und Prof. D. Dr. GEORG WOBBERMIN, beide in Göttingen
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN
Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften. In Verbindung mit Prof. D. K. D. SCHMIDT, KIEL, bearbeitet von
Lic. Dr. phil. REICH und Mag. theol. H. SEESEMANN, beide in Göttingen. — Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50
Manuskripte und gelehrte Mitteilungen eind auepchlicßlich an Profeesor D. BAUER in Göttingen, Düstere Eichenweg 46, tu senden
Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag
VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1
55. JAHRGANG, Nr. 21 11. OKTOBER 1930
SOTfS
Spalte
Althaus: Der Geist der lutherischen Ethik
im Augsburgischen Bekenntnis (Fendt) . . 487
Braham: Ourselves and Reality (Goetz) . 496
Darwin: Die Entwicklung des Priester-
tums und der Priesterreiche (Berthoiet) . 4SI
Hempel: A. T. und Geschichte (Meinhold) 482
Jeremias: Das Alte Testament im Lichte
des Alten Orients (Jirku)........■ 484
Spalte
Jeremias: Jesus als Weltvollender (Holtz-
mann)...................485
Klein: Galiläa von der Makkabäerzeit bis
67 (Bauer).................484
Lange-Eichbaum: Genie — Irrsinn und
Ruhm (von Rohden)............497
Quellen und Forschungen zur Geschichte
Berlins (Peper)...............486
Spalte
Sachwörterbuch der Deutschkunde (Beyer) . 489
Schumann: Der Gottesgedanke und der
Zerfall der Moderne (Seeberg)......493
Seeberg: Ideen zur Theologie der Geschichte
des Christentums (Brunner) . . . 492
Wobbermin: Richtlinien evangelischer
Theologie (Wehrung)...........490
Darwin, R. Ch.: Die Entwicklung des Priestertums und der che Abgründe blinder, von gewissenlosem machtgierigen
Priesterreiche oder Schamanen, Wundertäter u. Gottmenschen als Priestertum erzeugter Glaubenswahn die Menschheit
Beherrscher d. Welt. Ein Warnruf an alle freiheitliebenden Völker. führen kann" (S. 222). Die ganze chronique scandaleuse
Leipzig: Th. Weicher 1929. (VIII, 416 S. m. 72 Abb.) gr. 8°. j der christlichen Kirchengeschichte wird vom Verfasser
RM 12—; geb. 15—. j aufgerollt, um sie zu Lasten eines christlichen Priester-
Das vorliegende Buch ist ein Tendenzwerk, und tums zu buchen, dem es nur darum zu tun war, Macht
es macht daraus auch keinerlei Hehl, gibt es sich doch und Reichtum zu gewinnen (S. 349). Darnach kann
schon auf seinem Titelblatt als „Warnruf an alle frei- , das Ergebnis nicht länger zweifelhaft sein: „Überblicken
heitsliebenden Völker" aus. Für das nämlich, was an j wir den Werdegang der Menschheit, so ist nicht zu ver-
ihrer Knechtung die gesamte Menschheitsgeschichte j kennen, daß die schlimmsten Hemmnisse zu ihrem
Schlimmstes aufzuweisen hat, ist nach Meinung des J Fortschritt und Aufstieg in der steten Bevormundung
Verfassers nichts anderes als fluchwürdige Priester- j und absoluten Intoleranz jener Priester bestanden, die
herrschaft verantwortlich zu machen. Das begründet er aus selbstsüchtigen Absichten die Wissenschaften als
schon aus dem Ursprung des Priestertums aus dem
Schamanentum, in dessen Äußerungsformen er lediglich
„Hokuspokus" sieht (vgl. z. B. S. 16). Den Schamanen
, ,.die infolge schärferen Beobachtens der in der
Natur sich abspielenden Vorgänge und durch schlaues
Ausnützen dieser Kenntnis einen gewaltigen Einfluß
ihr Alleingut betrachteten, die Völker aber jahrtausendelang
im Bann des Aberglaubens hielten, um sie zu beherrschen
und widerstandslos ausbeuten zu können"
(S. 394).
Ich gebe zu, das Material, das der Verfasser zusammenträgt
, scheint stellenweise erdrückend und, bei
über ihre dümmeren und abergläubischen Stammesge- i aller bodenlosen Einseitigkeit seiner Zusammenstellung
nossen erlangten", kam zuerst „die Erkenntnis, daß ; dem nachdenklichen Leser kann es wohl zu denken
Wissen Macht bedeute" (S. 379). Und nun ist die ganze ; geben; aber die Probleme, vor die es ihn stellt, liegen
Geschichte des Priestertums nichts anderes als frevel- | sehr viel tiefer, als der Verfasser ahnt! Was im Übrigen
hafte Ausbeutung dieser Macht, eine Ausbeutung, die j vom wissenschaftlichen Charakter seines Buches zu hal-
nur selbstsüchtigen Absichten und unersättlicher Hab- i ten ist, mag der eine Satz illustrieren: „Von den Ägyp-
gier dienen soll. In ziemlich buntem Gemisch wird das ! tern und Indern übertrugen sich solche Anschauungen
im ersten Buch (S. 3—147) für die außerchristliche j über heilige Stätten und Reliquien auf die Assyrer, PerMenschheit
nachzuweisen versucht. So sollen — gleich | ser, Griechen und Römer" (S. 117) oder auch nur 'schon
allen andern priesterlichen Einrichtungen — auch „die i die Transkription des zweiten Teiles des muhammedani-
Tempel im Laufe der Zeit zu raffiniert durchdachten sehen Credo: „Mohammed Ras ou l'Allah" (S. 224)!
Bauwerken geworden sein, wie ähnliche zu Zwecken des Berlin. Alfred Bertholet.
Betrugs nie wieder ersonnen wurden" (S. 88 im Kapitel:
Tempelgeheimnisse des klassischen Altertums). Aber
auch schon die ganze „Erfindung" der Talismane und
Amulette als angebliches Schutzmittel dürfte „zweifellos
den stets auf die Ausbeutung ihrer Stammesgenossen
bedachten Schamanen und Medizinmännern der Naturvölker
zuzuschreiben sein" (S. 123). Und wieder wird
Seelen- und Jenseitsglaube auf die Priester zurückgeführt
„die aus selbstsüchtigen Absichten darauf bedacht
waren, die Völker in beständiger Angst, im Bann ewigen
Aberglaubens zu halten, um sie dadurch für ihre selbstsüchtigen
Zwecke ausnützen zu können" (S. 142).
Das zweite Buch (S. 151—395) beschäftigt sich
ausschließlich mit dem Christentum (ein Kapitel auch
mit Muhammed und dem Islam, dieses übrigens, um
nebenbei darzutun, wie die vielhundertjährigen Kämpfe
zwischen beiden Glaubensbekenntnissen „zeigen, in wel-
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Hempel, Prof. Dr. Johannes: Altes Testament und Geschichte.
Gütersloh: C. Bertelsmann 1930. (88 S.) gr. 8°. = Studien d.
apoioget. Seminars, 27. H. RM 3—.
Im Juni 1928 (Tübingen), April 1929 (Kopenhagen
), Juli 1929 (Göttingen) hat der Verfasser über
dies Thema gesprochen und legt das damals gesprochene
Wort durch den Druck einem größeren Kreise vor.
Man darf es begrüßen, daß er auch diesen in sein
Ringen um das im Thema angegebene Problem hineinblicken
läßt und ihm so reiche Anregung gibt, den vorgelegten
Ausführungen weiter nachzugehen.
Im ersten Teil S. 14— 18) redet der Verf. von „Gott und dem
Menschen" d. h. also von Gott als dem Herrn der Geschichte
(„Zorn" und „Gnade"). Ist einmal der Glaube an die
schlechthinnige Beherrschung des Weltgeschehens Gemeingut
aller alttestamentlichen Schriftsteller, so zeigen
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