Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1930 Nr. 2

Spalte:

29-31

Autor/Hrsg.:

Harford, John Battersby

Titel/Untertitel:

Since Wellhausen 1930

Rezensent:

Budde, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

29

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 2.

30

eingekratzt worden. Dieser Putz ist jetzt natürlich abge- Reich Christi", daß in zehn Jahren von dem ganzen
fallen. Man erkennt aber zum Teil noch die Dübel- stolzen Bau der Wellhausen'schen Hypothese, ja von
löcher. mit deren Hülfe er befestigt worden ist. Nelson ■ der Quellenscheidung überhaupt, kein Stein mehr auf
redet öfter von dem hohen künstlerischen Wert der Re- j dem anderen stehn würde. Der treffliche Mann hatte
liefs von Medinet Häbu; es muß jedoch darauf hinge- Liebhaberarbeit getan auf einem Gebiete, das außerwiesen
werden, daß diese unsorgfältige Art der Arbeit halb des ihm zustehenden Bereiches lag; er mußte die
für den künstlerischen Verfall dieser Zeit bezeichnend I Augen schließen, als die zehnjährige Frist längst ver-
ist. Denn bei den Reliefs der früheren guten Zeit sitzt ; flössen war, ohne die Erfüllung seiner Voraussage zu
jeder Meißelschlag am richtigen Platz. I erleben. Der Canonicus von Ripon greift mit Since
Von höchster Wichtigkeit sind in diesen Reliefs für ! Wellhausen (S. 8 f.) eine Äußerung von Professor A. C.
den Historiker die Fremdvölker-Darstellungen; sie sind I Welch-Edinburgh vom Jahre 1923 auf, die nicht ganz
die wichtigste Quelle für die Ethnographie des zweiten i so zuversichtlich wie jene Weissagung klingt: „Die
Jahrtausends v. Chr. Freilich sind sie ja von der Ber- ; drei grundlegenden Positionen des modernen Kritizismus
liner „Fremdvölker-Expedition" unter Max Burchardt in i seien ernstlich ins Wanken gebracht (seriously shatte-
vorzüglichen Photographien aufgenommen worden. Aber ; red)". Er meint damit 1. „die Analysis der Genesis

sie sind immer noch nicht im Zusammenhange veröffentlicht
und systematisch bearbeitet worden. Ein
Katalog der Bilder findet sich in Ed. Meyers „Bericht

und des Pentateuchs in drei Hauptquellen, die später in
eins zusammengearbeitet wurden"; 2. „das Buch Deute-
ronomium, wenn nicht in seiner gegenwärtigen, so we-

über eine Expedition nach Ägypten zur Erforschung der I nigstens in seiner ursprünglichen Gestalt, wurde zuerst
Darstellungen der Fremdvöllcer", Sitzungsber. d. Preuß. ans Licht gebracht im Jahre 621 durch König Josia
Akademie d. Wissensch. 1913 S. 777—801. Eine An- j und damals als Grundlage für einen Versuch der Reform
zahl der Fremdvölker-Darstellungen ist im IL Teil des | der nationalen Religion verwendet", und 3. „Esra, um
„Atlas zur altägvptischen Kulturgeschichte" von Walter 440, verpflichtete die Gemeinschaft der heimgekehrten
Wreszinski publiziert worden. Aber trotzdem wird die Verbannten auf ein neues Gesetzbuch, den Priester-
Aufnahme der Reliefs von Medinet Häbu durch die kodex", usw. Harford bietet in seinem Buche „Since
Chicago-Expedition die größte Beachtung verdienen. | Wellhausen", einem Neudruck von Aufsätzen aus dem
Sind doch auf den Wänden des Amon-Tempels Ram-
ses' III. eine ganze Anzahl von „Fremdvölkern" abgebildet
. Es mag übrigens darauf hingewiesen werden,
daß in dem eben zitierten Atlas von A. Wreszinski Reliefs
von Medinet Häbu bisher auf den Tafeln 113, 115,

„Expositor", Juli—Dezember 1925, die Bestreitung
dieser drei Sätze in geschlossenen, eingehenden und
höchst sorgfältigen Ausführungen. Seit alten Zeiten
war er in diesen Problemen zu Hause, und sicherlich
erfüllt er mit dieser Schrift auch eine Pflicht der
IIS, 126—130, 132, 139. 140—143, 145, 150a—151, j Pietät; hat doch sein verstorbener Bruder George Har-
153—156, 158—160 wiedergegeben sind in guten Photo- < ford Battersby vor 30 Jahren in Gemeinschaft mit
graphien, die meist durch Pauszeichnungen erläutert Estlin Carpenter der kritischen Anschauung von dem
sind.

Die Aufnahme der Architektur von Medinet Häbu
lag in den Händen des deutschen Architekten und Gelehrten
Uvo Hölscher (Vorläufiger Bericht S. 37—50).
Da die Gebäude von Medinet Häbu ganz oberhalb des

Überschwemmungsniveaus liegen, durfte man hoffen, der Bibel Anteil nehmen, aber in einem vielbeschäftigten
hier zu einem vollständigen Verständnis des Grund- Leben wenig Muße daran wenden können, den verplanes
eines Totentempels mit all seinen Nebengebäuden wickelten wissenschaftlichen Forschungen zu folgen,
zu gelangen. Sehr bald stellte sich aber heraus, daß eine Viele von ihnen sind beunruhigt worden durch neuer

Hexateuch mit einem umfassenden Werke in England
erfolgreich Bahn gebrochen. Man begreift, daß der
überlebende Bruder das nicht will ohne ernsten Grund
wieder verloren gehn lassen. „Ich schreibe", sagt er
(S. 7 f.), „an erster Stelle im Interesse derer, die an

völlige Klärung, besonders des an die Südwand des
Tempels sich anlehnenden Palastes, nur durch eine
gründliche Ausgrabung zu gewinnen sei. Diese ist dann
unter Hölschers geschickter und sorgfältiger Leitung im

liehe kategorische Behauptungen, daß die eigentlichen
Grundlagen der Lehre, die während des letzten Menschenalters
etwa an unseren Universitäten im Schwange
war, .ernstlich ins Wanken gebracht' seien; sie dürften

Oktober 1927 begonnen worden. Die 3—6 m hohe '< einen Versuch, den wirklichen Stand der Sache zu prüfen

Schuttschicht, die von der koptischen Stadt Häbu her j und das Ergebnis in, so weit möglich, untechnische

über den Resten des Palastes lagert, ist von den nach j Sprache zu fassen, willkommen heißen". Wenn er sich

Sebach grabenden Eingeborenen gänzlich durchwühlt auf derselben Seite entschuldigt, daß er solchen Lesern

worden, was die Arbeit sehr erschwert hat. Interessant zuliebe sich der Regel nach auf Werke beziehe, die in

ist die Anlage des Palastes, der sich so an die Süd- englischer Sprache erschienen seien, so bedeutet das

wand des Tempels anschloß, daß der erste Tempelhof ! sicherlich für uns in Deutschland nur einen Vorzug,

zwischen dem ersten und zweiten Pylon zugleich der weil uns diese umfangreiche Literatur kaum zugänglich

Vorhof des Palastes war. Von der Thronhalle des Pa- • ist. Wenn Harford auf der letzten Seite die Hoffnung

lastes aus ging ein Balkonfenster auf den Tempelhof, : ausspricht, daß die meisten seiner Leser ihm zustimmen

das „Erscheinungsfenster", in dem sich der Pharao dem würden, daß alle in Betracht gezogenen Gegner die

Volke zeigte, von dem aus er die vorgeführten Gefange- i Grundpfeiler der modernen Anschauung keineswegs

nen musterte und Goldketten als Belohnung für Tapfer- j „ernstlich ins Wanken gebracht" hätten, so kann man

keit vor dem Feinde herabwarf. Es fanden sich die ! das nur dankbar bestätigen. Niemand wird diese unge-

Grundmauern von zwei Palästen, die nach einander er- , wohnlich besonnene und tief eindringende Untersuchung

richtet sind: der erste mehr für einen vorübergehenden j ohne Gewinn aus der Hand legen.
Aufenthalt berechnet, der zweite für längeres Wohnen Die kleinere Schrift, ein Neudruok aus der „Ex-

und Residieren eingerichtet. Dem Hefte sind gute Ab- j pository Times" von 1928, bietet eine höchst wertvolle

bildungen und Pläne beigegeben.

Hiddensee. Arnold Gustavs.

Ergänzung. Der Gegner ist hier der englische Jurist
Harold Wiener, der als eifriger, aber sehr friedlicher
Zionist leider vor kurzem dem Blutbad in Jerusalem
Harford, John Battersby, m. a.: Since Wellhausen. a brief j zum Opfer gefallen ist. Er war bekanntlich der hart-
survey of recent Pentateuchal Criticism. Gießen: a. Töpelmann. : näckigste und erbittertste Bestreiter der „neuen Ortho-
(144 S.) er. 8°. RM 3—. j doxie", wie er die Wellhausensche Theorie zu nennen

Ders.: Altars and Sanctuaries in the Old Testament. Ebd. i beliebte. In der Auseinandersetzung mit dessen immer

1929. (24 S.) gr. 8 . RM 1.50.

Vor einem starken Vierteljahrhundert, anno 1903,

neuen Veröffentlichungen — er hat wohl alle Vertreter
des Alten Testaments auch in Deutschland damit überweissagte
Johannes Lepsius in seiner Zeitschrift „Das I schüttet — untersucht Harford hier die beiden Fragen