Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1930 Nr. 20

Spalte:

472-476

Autor/Hrsg.:

Lieb, Fritz

Titel/Untertitel:

Orient und Occident. Blätter für Theologie, Ethik und Soziologie. 1. - 3. Heft 1930

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

471

Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 20.

472

rentiuspatrozinien schon jetzt gewisse Richtungen des
Missionierungsganges verraten. So birgt das Schorn-
baumsche Werk in sich Anregungen in Hülle und
Fülle; aus den hier erschlossenen Quellen werden die
wertvollsten Aufschlüsse für die verschiedensten Gebiete
zu gewinnen sein, z. B. auch für Schul-, Familien-
und Wirtschaftsgeschichte. Für das Zugänglichmachen
dieser Quellen, womit ein neuer Aufschwung in der
mittelfränkischen Geschichtsforschung einsetzen könnte,
gebührt dem Herausgeber der wärmste Dank.
Ansbach.__H. Schreibmüller.

Eck, Johannes: Vier deutsche Schriften gegen Martin Luther,
den Bürgermeister und Rat von Konstanz, Ambrosius
Blarer und Konrad Sam. Nach d. Originaldr., mit bibliographischer
u. sprachgeschichtl. Einleitg., Anmerkgn. u. einem Glossar
hrsg. v. Karl Meisen u. Friedrich Zoepfl. Münster i. W.: Aschendorff
1929. (CX, 82 S.) gr. 8°. = Corpus Catholicorum, 14.

RM 6.80; in Subskr. 5.80.
Germanist und Historiker arbeiten zusammen in
der Art, daß Zoepfl die von ihm nach den Erstdrucken
besorgte und mit Anmerkungen versehene Ausgabe
(1—61) durch bibliographische Einleitung (XIV—XXXV)
und Register (62—68) ergänzt, während Meisen das
Glossar (69—82) zusammenstellt und sehr eingehend
über „Schrift und Sprache der Texte" (XXXVI—CX)
handelt. Er sucht nachzuweisen, daß der Schwabe Eck
bewußt die Sprache des von ihm erstrebten Leserkreises
zu erreichen sich bemüht; daraus erklärt er das auffällige
Nebeneinander einer strenger alemannischen und
einer mehr gemein oberdeutschen Sprachgestalt in der
zweiten der Schriften, auch die stark mitteldeutsche
Sprache der ersten ist er geneigt mit Wahrscheinlichkeit
Eck selbst und nicht dem Leipziger Drucker zuzuweisen,
abweichend von dem sonst üblichen Urteil in derartigen
Fällen. Nacheinander werden abgedruckt: 1) Die von
Luther in „Von den neuen Eckischen Bullen und Lügen
" (WA. VI 576 ff.) mit abgewiesene aber nur ganz
am Ende wirklich unternommene Verteidigung des Konstanzer
Konzils gegen die von Luther seit Leipzig geführten
Angriffe: „Des heiigen Concilii tzu Constentz,
der heyigen Christenheit vnd . . keyßers Sigmunds vnd
auch des Teutzschen Adels entschuldigung . . .", Leipzig
(Okt.) 1520. Eine Zusammenstellung von Irrtümern
Luthers, meist eingeleitet mit: „Ich geschweich . ." u. ä.,
deutlich gegen die Schrift an den Adel gerichtet, sofern
Eck sich bemüht, diesen gegen Luther zu kehren: der
geistliche Stand biete dem Adel beachtliche Versorgungsmöglichkeit
für die jüngeren Glieder, die allerdings
durch etwaige Priesterehe gefährdet würde usw.; Luthers
Äußerungen über das Leben des Papstes werden
aus besserer Kenntnis richtiggestellt; alles stark persönlich
gehalten. 2) und 3) Zwei Ablehnungen der durch
die Weigerung jener von Eck geführten Teilnehmer am
Religionsgespräch in Baden (1526), sich in Konstanz
auf eine vom Rat erbetene Disputation einzulassen, bei
der dem Rat die Entscheidung zustehen solle, veran-
laßten Rechtfertigungen der Konstanzer Reformpartei:
des Rats und des Prädikanten Ambrosius Blarer. 4) Eine
schroffe Herausforderung Konrad Sams in Ulm zu einer
Abendmahlsdisputation, 1527: „Wider den Gotzlesterer
vnnd Ketzer Cunraten Som . . .". 2—4 in Ingolstadt bei
Peter Apianus. Alle Schriften dienen, abgesehen von
ihrer Auswertung für die deutsche Sprachgeschichte, im
wesentlichen einer weiteren Verdeutlichung der anmaß-
lichen, heftigen und groben Kampfesart des List und
Plumpheit eigentümlich mischenden Eck. Die Ausgabe
ist sorgsam durchgearbeitet, doch bedürfen unter den
reichlichen Anmerkungen einzelne zum ersten Stück
einer Berichtigung.

Rostock._____Ernst Wolf.

Werdermann, Prof. Lic. Dr. Hermann: Luthers Wittenberger

Gemeinde wiederhergest. aus seinen Predigten. Zugleich ein Beitr.
zu Luthers Homiletik u. z. Gemeindepredigt d. Gegenwart. Gütersloh
: C. Bertelsmann 1929. (VI, 301 S.) gr. 8°. geb. RM 14—.

Weder eine aus bloßem Nebeneinander der Beobachtungen
sich hebende Verlebendigung von Luthers

Wittenberger Predigtgemeinde, noch eine das innerhalb
der selbstgewählten, „praktischen" (auch die Arbeit
nicht unerheblich vereinfachenden) Schranken Mögliche
erschöpfende Behandlung der am Prediger Luther aufkommenden
Fragen, sondern eine aus den von Buchwald
bearbeiteten 192 Gemeindepredigten Luthers der Zeit
zwischen 2. Okt. 1528 und 14. April 1532 gefertigte
Stoffsammlung. Für die beiden ersten Teile, Luthers
Wittenberger Gemeinde und Luthers Anschauungen von
der Predigtkunst, aneinandergereiht unter sammelnden
Ordnungsgrößen: Wittenberg um 1530, Die Predigtzuhörer
, Die Gottesdienste usw., Hochzeit und Ehe,
Das Gesinde, Allgemeine Unzufriedenheit usw., Die Predigt
als Gottes Wort usw.; ich hebe heraus: I, 18:
Krankheit und Tod; II, 3: Text, Thema, Teile. Die die
Zitate einleitenden oder verbindenden Worte sind zumeist
Notbrücken: denn daß es ausgerechnet auch in
Wittenberg Wollmacher, Tucher, Schneider gegeben hat,
Bäcker und Schuster, darf doch nicht ernsthaft als aus
den Predigten erschließbare besondere Feststellung gebucht
werden dafür, „welche Gewerbe damals in Wittenberg
betrieben wurden" (80). Teil III, Gesichtspunkte
für die Gemeindepredigt der Gegenwart, verficht den
Satz, daß die Predigt eben als Verkündigung des Wortes
„gemeindegemäß" sein müsse. Anlagen sammeln weitere
Stellen: 1. Luthers Polemik. 2. Die Juden. 3. Sprichwörter
. 4. Gemeinde und Kirche. 5. Luther als Predigerpersönlichkeit
— eine gewisse Ergänzung des in
Holls Aufsatz: „Luthers Urteile über sich selbst" herangezogenen
Materials; die auffällige Predigt Buchwald
I, 648 ff. wird jedoch kaum (S. 298) berührt (vgl. P.
Glaue, Der predigtmüde Luther, „Luther" 1929, 68 ff.)
— 6. Eschatologische Erwartung. Teil III ist inzwischen
als Sonderdruck (Zur Gemeindepredigt, Anregungen
von Luther her), II, 5 wenig verändert im Geisteskampf
der Gegenwart (1930, 25 ff.) wiederholt worden.
Luthers ungeheure Lebendigkeit leidet, überflüssige Bemerkungen
zugedeckt, natürlich auch derartige Behandlung
.

Rostock. Ernst Wolf.

Orient und Occident. Blätter f. Theologie, Ethik u. Soziologie. In
Verb. m. N. Berdjajew hrsg. von F. Lieb u. P. Schütz. 1. H.:
Rußlandheft: Orthodoxie u. Protestantismus. 2. H.: Europa zwischen
Ost und West. 3. H.: Der russische Mensch und die Kirche. Leipzig
: J. C. Hinrichs 1929/30. (je 96 S.) gr. 8°. je RM 5—.

Was ich hier anzuzeigen habe, ist eine Zeitschrift
und ist es auch nicht. Unter gleichem Titel, also sachlich
unter bestimmtem einheitlichen, aber doch weiten
Gesichtspunkt werden hier, soweit ich bisher erkennen
kann (gesagt wird nirgends was darüber), freie
Hefte geboten, die (wieder soweit ich sehe, d. h. nach
bisheriger Gepflogenheit), vierteljährlich erscheinen
(sollen?), jedes mit genau gleichem Umfange. Gedacht
sind „Orient" und „Occident" als zwei große Kultursphären
, wesentlich so, wie sie in der Gegenwart sich
„begegnen", nämlich als uralte historische Gegensätze,
die in der Neuzeit, speziell seit dem Weltkriege, sich,
i nicht sowohl auszugleichen, als vielmehr zu „erobern",
j kulturell, religiös, ethisch nach dem eigenen Modell um-
[ zugestalten, neuzuformen gewillt sind und sich also
! wechselseitig für einander zu einer Gefahr, „vielleicht"
! auch irgendwann mal zu einem Segen geworden sind
oder werden mögen. Unter welthistorischem Aspekt
wollen die Hefte — was die Herausgeber wohl nur bescheidenerweise
nicht aussprechen — recht eigentlich
i aktuelle Probleme, Gegenwartsfragen" geistiger,
immerhin vorab theologischer, bzw. kirchlicher Art
zur Sprache bringen. Die beiden deutschen Herausgeber
sind Theologen, Fritz Lieb, Privatdozent in Basel,
Paul Schütz, Pfarrer in Schwabendorf bei Marburg.
„Verbunden" haben sie sich mit einem russischen Emigranten
, dem Professor (soviel ich weiß) an der tschechischen
Universität zu Prag Berdjajew, den man wohl am
I richtigsten als „Religionsphilosophen" bezeichnet.