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Ausgabe:

1930 Nr. 20

Spalte:

470-471

Autor/Hrsg.:

Schornbaum, Karl

Titel/Untertitel:

Archivinventare der evangelischen mittelfränkischen Pfarreien des ehemaligen Konsistoriums Ansbach 1930

Rezensent:

Schreibmüller, H.

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 20.

470

2. Hätte ich eine Ahnung davon gehabt, in welcher
Sprache die zweite Schrift gehalten ist, so hätte ich ihre
Besprechung abgelehnt. Gewiß ist Thimmes Unter- J
suchung auch nicht fremdwortfrei, sondern verwendet,
namentlich bei den Fragestellungen der heutigen Reli- (
gionspsvchologie und der Psychoanalyse, die üblichen
Fachausdrücke. Das kann man hinnehmen. Aber was
Jonas in seiner Schrift an Fremdworthäufungen, an |
Hauptwörtervorliebe, an Abgezogenheit und Bildlosig-
keit, an Breitspurigkeit, Gespreiztheit und Geschwollenheit
bietet, übersteigt denn doch alles Maß.

In Wörter wie „existenzial", „existenziell", „Phänomen", „phänomenologisch
", „Struktur", „strukturell" u. dergl. ist J. völlig vernarrt
und er ballt sie zu ganzen Bündeln zusammen, wie „existenziale Fundamentalphänomene
" (S. 6), „existenzial-ontologische Struktur" (S. 66),
„innerexistenzielle Phänomene" (S. 67), „Kulminationsphänomene< (S. 18),
„dialektische Struktur des Phänomens" (S. 29), „Strukturparallelität"
(S. 58), „Analyse der hermeneutischen Struktur des Dogmas" (S. 7 A. 1),
„Rationalitätsstruktur" (S. 67), „Insuffizienzdialektik", „Aktrealisierung"
(S. 57), „vergegenständlichte Aktrealität" (S. 58), „positive Aktqualitäten"
(S. 55), „aporetische Punkte", „aporetische Zusammenfassung" (S. 23),
„Vollzugskonkretionen" (S. 49). S. 28 wird der Oehorsamssinn der reli-
ligiösen Ethik „sabotiert" 1 Kann vielleicht der gute Geschmack noch
mehr „sabotiert" werden? Man lese ferner Sätze wie S. 27f.: „Bei
Paulus selber entspricht dem das xav%äoüai, dessen Fundamentalcharakter
als die spezifisch kreatürliche Abfallsstruktur des sich objektivierenden
,Sich-selbst-Setzens' bei jeder Analyse seiner Anthropologie im Zentrum
zu stehen hätte." S. 62: „Setzt man nun in struktureller Nivellierung
a^er/ta-Struktur für voluntas u. s. w." S. 67: „Dogmen sind ihrer
äußeren Form nach Sätze von der rationalen Struktur des apophantischen
(.theoretischen') Subjekt-Prädikat-Satzes und stellen als solche ihren Aussagegehalt
in den Bereich der in durchgängigem logischen Zusammenhang
stehenden Gegenständlichkeiten hinein. Es sind undialektische
Objekt-Sätze u. s. w." „Der Grundakt also, der die Dogmatisierung
möglich macht und trägt, ist Vergegenständlichung der in die Sprache
drängenden Daseinsphänomene, eine fundamentale Selbstobjektivation
des von sich bedrängten, sich auslegen wollenden Daseins u. s. w." „In
jeder Frühzeit einer Daseinsauslegung drängt diese Objektivation zu
einer Transzendentalisierung ins .Metaphysische' oder Mythologische,
d. h. in eine daseinstranszendente Symbolsphäre, die dann über jede
innerexistenziell vollziehbare Aufweisbarkeit, der sie doch ursprünglich
entstammt, hinausgreift." „Für diesen, im Sinne der Selbstexplikation
jenes Daseins, das nicht dichten, sondern im Sich-Darstellen sein eigenstes
Sein erkennen wollte (wie auch für unser nachträgliches hermeneutisches
Interesse), ist das Entscheidende an dieser Transzendentalisierung und
Symbolbildung, daß sie einschließt und voraussetzt eine fundamentale
ontologische Transformation der Phänomene, eine bis in die untersten
Strukturen hinabreichende .Übersetzung' in ein anderes Sein: nämlich
ihre Hypostasierung von nur existenzialen Vollziehbarkeiten zu quasi
dinglichen Anschaulichkeiten — analog dem Weltseienden — wodurch
sie erst als gehaltlich eindeutige in eine imaginative Außendimension
einbeziehbar wurden. Dies ist das ontologisch Spezifische und Entscheidende
gerade dieses Typus von Selbstobjektivation" u. s. w. u. s. w.
S. 48 schreibt J.: „Zuvor aber stelleu wir doch einmal auch an uns
selber die reine Paulus-Interpretationsfrage, auf wen nun wirklich der
problematische Abschnitt zu beziehen ist, auf den homo sub lege oder auf
den homo sub gratia?", was in der Überschrift ohne Stelzen so ausgedrückt
ist: „Welches ist die richtige Auslegung von Rom. 7?"

Die Schrift ist Herrn Prof. Bultmann gewidmet und
er mag an einer solchen Sprache seine Freude haben.
Andere sehen darin mit mehr Recht einen groben Unfug
, durch den deutsche Gelehrte sich und die deutsche
Wissenschaft vor der übrigen Welt lächerlich machen.
Die ganze Schrift gehört in das leider eingegangene
Baratlirutn der „Theolog. Blätter", und der neuzeitliche
Jonas verdiente wegen seiner Widersetzlichkeit gegen
den hl. Geist der deutschen Sprache drei Tage und drei
Nächte Haft im Bauche eines großen Fisches. Wenn der
Inhalt der Schrift an Güte der Unverständlichkeit ihrer
Sprache gleichkommt, dann muß er ganz hervorragend
sein. Ich habe aber keine Lust, dieses Kauderwelsch
ins Deutsche und Verständliche zu übersetzen. Das
Wertvollste scheinen mir die Abschnitte zu sein, worin
die verschiedenen und gegensätzlichen Auslegungen von
Rom. 7, die Augustin in seiner „frühpaulinischen" (vor-
pelagianischen) und in seiner „spätpaulinischen" (gegen-
pelagianischen) Zeit vorgetragen hat, sowie die schwankenden
Übergänge dargestellt sind, ferner die Erörterung
von Begriffen wie bona voluntas und meritum,
vocatio und inspiratio bonae volutatis, vocatio und in-

spiratio fidei, voluntas und appetitus und ihrer gegenseitigen
Beziehungen.
München. Hugo Koch.

Schornbaum, D.Dr.Karl: Archlvinventareder evangelischen
mittelfränkischen Pfarreien des ehemaligen Konsistoriums
Ansbach. Würzburg: W. K. Kabitzsch 1929. (XI, 857 S.) 4°. =
Veröffentlichgn. d. Gesellsch. f. fränk. Geschichte, 5. Reihe, 3. Bd.

RM 54—.

Die 1904 gegründete Gesellschaft für fränkische
Geschichte hat unter ihren vielfältigen Aufgaben auch
die Herausgabe von Pfarrarchivinventaren. Den schon
1914 und 1918 erschienenen Bänden Amrheins und
Buchners für die Diözesen Würzburg und Eichstätt
reiht nun der um die fränkische Kirchengeschichtsforschung
hochverdiente Dekan D. Dr. Schornbaum in
Roth bei Nürnberg das obengenannte Werk an. Für die
Inventare der evangelischen Pfarreien des ehemaligen
Konsistoriums Bayreuth hat derselbe Forscher schon
bedeutende Vorarbeiten geleistet. Da auch die Herausgabe
der Inventare der katholischen Pfarreien in der
Diözese Bamberg in guten Händen liegt, so ist zu erwarten
, daß in nicht zu ferner Zeit die Inventare sämtlicher
Pfarreien des bayerischen Frankenlandes in mu>
stergiltigen Ausgaben vorliegen und der Forschung neue
Antriebe geben können.

Der erste Eindruck, den man von Sch.'s Werke mit
seinen 857 Seiten gewinnt, ist der einer geradezu riesigen
Arbeitsleistung. Nur wenige Helfer sind ihm in
letzter Zeit zur Seite gestanden. Bedauerlicherweise hat
er nicht bei allen Pfarrämtern das wünschenswerte
Entgegegenkommen gefunden. Die Aktenbände hat Sch.
nach ihren Aufschriften verzeichnet; wohl selten aber
wird bei diesem Verfahren ein Akt der Verzeichnung entgangen
sein. Armin Tille hat einmal gemeint, das
Register, der volle Schlüssel zu einem Buche mit unendlich
vielfältigem Stoff, könne nie ausführlich genug
sein; Sch. hat sich leider mit Rücksicht auf den ohnehin
schon ungewöhnlichen Umfang seines Buches beschränken
müssen und hat nur ein Orts- und Personenverzeichnis
gegeben. So muß sich der Forscher den
Zugang zu den hier angedeuteten Schätzen durch besonders
angelegte Übersichten über die S a c h e n selber
bahnen.

Der Stoff ist bei jeder Pfarrei nach Urkunden,
Salbüchern, Rechnungen, Chroniken, Akten und Matrikeln
angeordnet; manche dieser Abteilungen sind Sammelnamen
für sehr mannigfaltige Bezeichnungen. An
Urkunden sind bloß einige Pfarreien besonders reich,
weit voran die Windsheimer. Die Matrikeln oder „Kirchenbücher
" sind in mannigfache Arten gespalten, die
sehr verschiedenes Alter haben. Sehr selten sind besondere
Geburts- und Fornikantenregister. Die Taufbücher
beginnen im allgemeinen früher als die Totenbücher
. Das früheste Jahr ist 1521, mit dem die
Trauungsbücher in Zirndorf beginnen; 1524 beginnen
die in den zwei großen Nürnberger Pfarreien. Über die
Kirchenbücher zurück reichen nicht wenige Salbücher
ins 15. Jahrhundert, ja in zwei Fällen ins 14. Leider
nicht sehr häufig sind politische und kulturgeschichtliche
Einträge in Kirchenbüchern; das Hochzeit- und
Leichenbuch in Eltersdorf enthält Bemerkungen über
Gustav Adolf und Wallenstein.

Wertvoll ist, daß Sch. den Heiligen jeder Kirche
zu ermitteln gesucht hat; nicht immer ist dies gelungen
, was sich meistens daraus erklären mag, daß die
Reformation das Andenken an den alten Kirchenheiligen
bewußt eingeschläfert hat.1 Wenn einmal die Kirchen-
patrozinien aus ganz Franken bekannt sind, wird es
eine lohnende Aufgabe sein, sie stärker als bisher zur
Aufhellung der ältesten Kirchen- und Siedlungsgeschichte
heranzuziehen. Wer sich die Mühe nimmt, aus
Sch.'s Werk die Kirchenpatrozinien zusammenzustellen,
dem werden z.B. die 3 Alban-, 13 Veit- und 15 Lau-

1) Als Nachträge teilt mir der Verfasser mit: Frankenheim habe
Kilian als Kirchenheiligen, Osterdorf Erhard.