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Ausgabe:

1930 Nr. 20

Spalte:

464-465

Autor/Hrsg.:

Wood, Arthur H.

Titel/Untertitel:

The Epic of the Old Testament; selected passages in chronological sequence with their historical background 1930

Rezensent:

Wendel, Adolf

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Theologische Literaturzeitung 1930 Nr. 20.

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tigen und ihre literarische Gattung zu bestimmen. Der j
3. Teil will zeigen, daß der durch den stilistischen Ver- |
gleich gewonnenen Einheit des Tritojesaja keine chronologischen
Schwierigkeiten im Wege stehen, während der |
Nachweis, daß auch unter dem Gesichtspunkt „Theologie
und Frömmigkeit" keine Einwendungen dagegen j
gemacht werden können, einer späteren Veröffentlichung ;
vorbehalten wird (S. 75). Auch in anderer Beziehung
wird die Schrift als eine vorläufige bezeichnet: weder
wird das stilistische Material in seinem ganzen Umfang I
vorgeführt (S. 4 f. 42) noch wird die Ausscheidung von
56,3—8. 57,13 c. 20 f. 58,13 f. 59,5—8. 21. 60,12.
17 b. 65,20 b. 66,17. 18—22. 23 f. näher begründet
(S. 125 f.). Man ist gespannt, zu erfahren, ob für die
Streichung z. B. von 56, 3—8 oder 58,13 f. oder 66,17ff.
die Unmöglichkeit, sie in dem postulierten chronologischen
Rahmen unterzubringen, maßgebend war oder ein
anderer, etwa stilistischer Grund. Die in Aussicht gestellte
Ergänzung wird dann wohl auch die Auseinander- i
Setzung mit König und Torrey bringen.

Das von E. vorgeführte Material genügt zu dem
Urteil, daß seine Thesen auf einer tragfähigen Grundlage
stehen und im allgemeinen als bewiesen gelten
können. Die mit großer Sorgfalt angestellte stilistische
Einzeluntersuchung ist überhaupt die erste wirklich methodische
zu Tritojesaja, wobei augenscheinlich L. Köhlers
Deuterojesaja (1923) als Vorbild gedient hat.
Gewiß ist nicht alles tragfähig, was zum Beweis der
stilistischen Einheit geboten wird: aus dem Vorkommen
oder Nichtvorkommen von „Kleinvieh" (S. 52) oder
„Weinberg" (S. 54) oder „Schwein" (S. 56) u. a. läßt
sich nichts beweisen; zwingender ist schon der Gebrauch
von 'ani und 'änökl (S. 56 f.) oder die bei
Tritojesaja durchgängig zu konstatierende „Wortarmut" J
(S. 66ff.); und wenn man alles durchprüft, muß man j
E. zugeben, daß zwischen den einzelnen Stücken Fäden j
hin- und hergehen, „die einzeln leicht zu zerreißen
sind, die aber in ihrer wirren Fülle und Verflochtenheit
einer gewaltsamen Trennung widerstreben" (S. 58). Dieses
Resultat gibt E. das Recht, bei der Frage der Entstehungszeit
das einzige einigermaßen sicher datierbare
Stück 63,7—64,11 (zwischen 538 und 520) als Kanon
für das Ganze zu nehmen und zu sehen, ob etwas der
Unterbringung in diesem (um einige Jahre nach unten
ausgedehnten) Zeitraum widerspricht. Da dies nicht der
Fall ist, ist bewiesen, daß Jes. 56—66 sich am besten
als Werk eines Mannes verstehen läßt. Nur in einem
Punkte habe ich Bedenken: wenn der Tempelbau im
Denken und Wirken des Profeten eine so große Rolle
spielt, wie E. wohl mit Recht annimmt, warum wird
dann die Vollendung des Tempels nicht stärker
herausgehoben und gefeiert? und warum muß man
auch nachher immer nur zwischen den Zeilen lesen, daß
und ob der Tempel steht? Empfiehlt es sich da nicht
eher, alle Stücke teils vor dem Tempelbau teils während
desselben entstanden zu denken, so daß die Vollendung
selbst noch in der Zukunft liegt? Daß das geht, hat
Sellin schon 1901 (Studien zur Entstehungsgeschichte
der jüdischen Gemeinde II, S. 124 ff.) und jüngst wieder
(NKZ 1930, S. 73 ff.) gezeigt, auch für solche Stücke,
die E. ausscheidet (a.a.O. S. 88f.). Auf alle Fälle geht
E.'s Versuch (S. 113 ff.), nun jedem einzelnen Stück
seinen Platz im Leben des Profeten zuzuweisen und
eine förmliche Geschichte seines Wirkens zu schreiben,
über das Maß des wissenschaftlich Möglichen hinaus.

Die meisten Schwierigkeiten macht nach wie vor 66, 1—4, wo auch
E. seine langen Ausführungen mit einem ignoramus beschließt (S. 109).
Betrachtet man die Verse für sich, so legt es sich immer wieder als
das natürlichste nahe, sie auf die Ablehnung jedes Tempelbaus zu bezichen
. Aber eben das ist durch die stilistische Verbundenheit mit
anderen Stücken (57,15. 65,12. 66,5) unmöglich gemacht: Tritojesaja
nimmt sonst einen völlig anderen kultischen Standpunkt ein. Unter den
anderen Möglichkeiten leuchtet am ehesten der neueste Vorschlag Sellins
(a.a.O. S. 84 ff.) ein, 66,1-4 nach Analogie von Hagg. 2,10—14
auf die Ablehnung einer Beteiligung der synkretistischen Landbevölkerung
am Bau des Jerusalemer Tempels zu deuten, wenngleich man fragen

darf, warum dann in V. 2 nicht deutlich gesagt ist, daß die gottwohl
gefälligen „Elenden" den Tempel bauen sollen oder dürfen.

Gießen. W. Rudolph.

Wood, Arthur H., M. A. Oxon.: The Epic of the Old Testament;

selected passages in chronological sequence with their historical back-
ground. Oxford: University Press; London: Humphrey Milford;
deutsche Auslieferg.: Leipzig [Markt 8]. (222 S ) kl. 8°. 6 sh.

Das vorliegende Büchlein gehört zu den mancherlei
Versuchen, durch moderne Aufmachung der Bibel (hier:
dem A. T.) eine entfremdete Leserschaft wiederzugewinnen
. Seine Tendenz ist also nicht wissenschaftlich,
sondern apologetisch. Sie geht dahin, Forschungsergebnisse
praktisch auszuwerten und durch sie als Rahmen
den Bibeltext einem weiten modernen Leserkreise nahezubringen
. Zum Lesen, Erleben und Werten des A.T.
als bedeutsamen Literaturwerkes, denen der Griechen
und Römer gleichwertig, soll erzogen werden. Durch
Auslassung sollen die Kernstücke mehr zur Wirkung
kommen. Da es sich somit um eine Auswahl handelt,
kann man sie mit unseren deutschen „Biblischen Lesebüchern
" vergleichen, die wir seit langem für Schulzwecke
kennen. Die „Modernisierung" geschieht durch
Sinnabschnitte, Überschriften, Datierung, Variation des
Druckes bei Poesie und Prosa, Gesetz, Dialog usw.,
andererseits durch Weglassen der Verszahlen im Texte.
Sie geschieht nicht durch eine neue Übersetzung.

Das Titelwort „Epic" umschließt zwei in mehrfacher
Hinsicht ungleiche Teile der Sammlung: I. Geschichte
, II. Weisheit. Der geschichtliche Teil ist in 10
Abschnitte gegliedert: 1. Patriarchen und Mose, 2. Anfänge
des Prophetentums und Begründung des Königtums
, 3. Goldenes Zeitalter (David u. Salomo), 4. Israels
Königtum, 5. Judas Königtum, 6. Babyl. Gefangenschaft
, 7. Rückkehr, 8. Griech. Zeit, 9. Makkab. Zeit.
10. Römische Zeit. Auch prophetische Texte sind hier
eingegliedert. Der zweite, weit kürzere, Teil gliedert
nach system. Gesichtspunkten. Kurze Einführungen
gehen jeweils den Abschnitten voraus. Die Übersetzung
ist wörtlich englischen Bibelausgaben entnommen, zumeist
der „Revised Version" (1885), gelegentlich der
„autorisierten" von 1611; selbst Wyclifs, Tyndales, Co-
verdales Bibel liefern Beiträge, einmal der Text des
Prayer Book. Die — zu kurzen — Schlußanmerkungen
wollen der Weiterarbeit der Leser dienen. Sie sprechen
in 4 Abschnitten von der Datierung der atl. Quellen,
nennen Kommentare zum A. T. (unter deren Verfassern
uns die Namen Driver, Skinner, Bevan besonders bekannt
sind), geben Vergleichsdaten der altorientalischen
Geschichte und Erläuterungen zu Daniel.

Aufs Ganze gesehen, muß sich doch mancherlei
Kritik gegen das Unternehmen erheben. Zunächst einmal
, wenn es moderne Leser anziehen soll, warum gibt
Wood nicht eine eigene gegenwartsgemäße Übersetzung
? Die Engländer haben eben zwar kein klassisches
am Anfang stehendes Werk wie die deutsche
Lutherbibel, aber die hier angewandte Verwertung verschiedener
Übersetzungen aus 6 Jahrhunderten ist doch
recht subjektiv und gibt in der Sprach Verschiedenheit
ein uneinheitliches Bild. Daß beim I. Teil nicht die
religiösen, sondern die geschichtlichen Phasen Einteilungsprinzip
sind, mag für diesen Zweck richtig sein.
Aber Patriarchen und Mose hätten in 2 Abschnitte verteilt
werden müssen. Andererseits brauchte das bei
Israels und Judas Konigen nicht zu geschehen. Wenn
man schon einmal die makkab. und die römische Zeit
als Abschnitte 9 u. 10 angibt, ist es sinnlos, Einführungen
, aber keine Texte folgen zu lassen. "Will man
außeratl. Quellen nicht verwerten, dann konnten diese
Abschnitte fehlen. Die Daten für die älteste Zeit sind
nicht hoch genug hinaufgerückt. Der erste Teil allein,
also ein Gang durch die israelitisch-jüdische Geschichte
mit Einleitungen und Quellen in extenso, hätte gewiß
mehr Billigung finden können, wenn man auch die
— mit einer Ausnahme — absichtlich ausgelassenen